Wer stirbt schon gern mit leerem Magen

Ein aussergewöhnliches Buch hat die Verlegerin Rosmarie Bernasconi, im Glarnerland aufgewachsen und heute in Bern lebend, herausgegeben: Ein Kochbuch mit Rezepten, ergänzt durch heitere und traurige Geschichten über einen an ALS gestorbenen Menschen.



Auffällig: Cover des auch inhaltlich aussergewöhnlichen Buches. (Bild: mb.)
Auffällig: Cover des auch inhaltlich aussergewöhnlichen Buches. (Bild: mb.)

«Beim Lesen hab ich gelacht, geheult und dann gekocht. Zeit heilt keine Wunden, aber Essen hilft.» Dies schreibt der Berner Musiker Bubi Rufener im Vorwort zum soeben erschienenen Buch «Kochen für Boss. Wer stirbt schon gern mit leerem Magen». Es sei nicht nur ein Kochbuch mit Rezepten, «die ich wirklich wärmstens empfehlen kann», sondern auch ein Buch über die Freundschaft, die Endlichkeit, übers Loslassen und Festhalten.

Buch half, Leere zu überwinden


Das Buch war gemäss Autor Robert Riesen nicht geplant. Es entstand nach dem Tod von Martin (Tinu) Boss, IT-Ingenieur aus Bern, der im Alter von 43 Jahren an der unheilbaren Nervenkrankheit ALS (Amyotrophe Lateralsklerose) erkrankte. Nach dem ersten Schock fasste er den Entschluss: «Die Zeit, die mir noch bleibt, will ich geniessen.» Als Genussmensch hatte er immer viel Wert auf sein leibliches Wohl gelegt. Er beschloss, so lange zu kämpfen, bis er nicht mehr essen, trinken, rauchen und atmen konnte.

Dabei half ihm nicht nur seine langjährige Lebenspartnerin Pedä Siegrist, sondern auch eine Vielzahl von Freunden und Familienangehörigen. Darunter war der Autor, der mehrmals pro Woche den Erkrankten und dessen Umfeld bekochte. Die Gerichte waren «mal klassisch, mal speziell, bodenständig, nahrhaft und mit einer gewissen Raffinesse» – alles Mahlzeiten, die sich Boss noch einmal gönnen wollte.

Sechs Jahre nach der Diagnose starb Tinu Boss. Um die Leere nach dem Tod seines Freundes zu überwinden, schrieb Robert Riesen heitere und traurige persönliche Erlebnisse sowie rund 70 Rezepte auf. So entstand die Idee zum Buch. Riesen will damit «der Krankheit ALS ein Gesicht verleihen und aufzeigen, dass mit Kraft, gutem Willen, schmackhaftem Essen und gepflegtem Trinken auch eine ausweglose Entwicklung etwas erträglicher gemacht werden kann». Pedä Siegrist war für die grafische Gestaltung besorgt, was auch ihr half, den Tod des Lebenspartners zu verarbeiten.

Konnte sein Schicksal annehmen


Neben den Rezepten und berührenden Geschichten enthält das 224-seitige Buch zahlreiche Farbfotos sowie Sachinformationen und Interviews mit involvierten Fachpersonen. Der Neurologe sagt zum Beispiel: «Martin hat das Schicksal angenommen. Das ist ausserordentlich.» Er werde ihn nie vergessen wegen der Art, wie er mit seinem Schicksal umgegangen sei. Für die «Case Managerin» bleibt die positive Lebenseinstellung des Erkrankten haften, die Physiotherapeutin schildert, wie er «würdevoll bis zum Schluss» gelebt habe. Eindrücklich ist auch das Tagebuch von Pedä Siegrist über die 30-tägige gemeinsame Chinareise – viereinhalb Monate nach der Diagnose.

Am 8. September ist «Kochen für Boss» im Verlag Einfach Lesen von Rosmarie Bernasconi erschienen. Es kann per Mail ([email protected]) oder im Buchhandel bestellt werden.

Weitere Infos: www.kochenfuerboss.ch