Wertschätzung

«Ich kündige. Ich erfahre null Wertschätzung in meinem Job. Dabei würde es mir eigentlich gefallen.» Die Kollegin, die das sagt, wirkt niedergeschlagen, energielos, ausgebrannt. Sie tut mir echt leid. Ich verstehe, dass sie so nicht mehr weiterarbeiten will. Doch eine Garantie, dass es in einem anderen Betrieb besser wird, hat sie nicht. Leider.



Wertschätzung ist eine der schönsten Formen von Respekt und Anerkennung. (Bild: mb)
Wertschätzung ist eine der schönsten Formen von Respekt und Anerkennung. (Bild: mb)

Dabei wäre es so einfach. Wertschätzung kostet nichts, ist aber eine der schönsten Formen von Respekt und Anerkennung. Sie basiert auf einer Grundhaltung, was sie vom Lob unterscheidet. Letzteres erfolgt spontan und ist auf eine Leistung bezogen – was durchaus auch motivierend sein kann. Wertschätzung aber ist mehr, ist eine dauerhaft spürbare Haltung. Der deutsche Benediktinerpater Anselm Grün spricht von der «inspirierenden Kraft der gegenseitigen Achtung». Dazu gehören zum Beispiel Anteilnahme, Hilfsbereitschaft, Aufmerksamkeit, Bewunderung, Dankbarkeit, Ehrlichkeit, Achtsamkeit. Und vor allem die Erkenntnis, dass jede Person einzigartig ist – unabhängig von ihrer Leistung und ihrem Nutzen.

Sich selbst und anderen positiv begegnen: Eigentlich wüsste man, dass Wertschätzung das Arbeitsklima verbessert, die Unternehmensbindung stärkt, Fehlzeiten verringert und die Motivation verbessert. Sie erhöht das Wohlbefinden, verbessert die Konzentration, stärkt Beziehungen, reduziert Ängste, entstresst und steigert die Leistungskraft. Und dennoch ist sie leider in vielen Betrieben nur mangelhaft erkennbar. Was als Kündigungsgrund noch vor zu wenig Lohn steht.

Ist das nicht tragisch? Durch gegenseitige Wertschätzung könnten wir das Leben um vieles wertvoller machen. Und machen wir andere stark, werden wir selbst dabei stärker. «Achtsamkeit und Wertschätzung sind das Fundament für eine l(i)ebenswerte Welt», hab ich irgendwo gelesen. Stimmt.

Ich wünsche meiner Kollegin, dass sie im neuen Job Wertschätzung erfährt. Dass ihr künftiger Chef ehrliches Interesse an ihr zeigt, ihr auch mal ein Lächeln schenkt, sich um persönliche Glückwünsche bemüht, sie um Rat bittet und Vertrauen beweist, öfter mal Danke sagt, ihr Talent erkennt und fördert, Aufmerksamkeiten verschenkt. Kleine Gesten – grosse Wirkung. Sie hat es verdient. Wie wir alle auch. Nicht nur im Beruf notabene, sondern auch im Privatleben.