Wetter ist nicht einfach Wetter – Poetisches in der Landesbibliothek Glarus

Übers Wetter reden alle, Wetterstimmungen wecken unterschiedlichste Empfindungen, führen zu verschiedenste Aussagen. Das Wetter begleitet durch den Alltag. Man informiert sich dann genauer, wenn ein Ausflug oder eine Reise ansteht. Das Wetter beschäftigt alle. Dass das Wetter auch Auslöser für Gedichte und Geschichten sein kann, einen übers lange Leben nie loslässt, sich in einem Menschen fast eingenistet hat, zeigten Arnold Spescha und Hans Fäh unlängst ihren erfreulich zahlreichen Literaturfreunden, die sich für eine ganz besondere Lesung in der Landesbibliothek Glarus eingefunden hatten.



Hans Fäh. (Bilder: p.meier) Hans Fäh. Arnold Spescha. Nicole Cagianut.
Hans Fäh. (Bilder: p.meier) Hans Fäh. Arnold Spescha. Nicole Cagianut.

Mit einer geschickt gegliederten, einfühlsam vorbereiteten Moderation führte Nicole Cagianut aus Diesbach durch den Abend. Sehr schnell wuchs die Erkenntnis, dass Speschas rätoromanische, von Hans Fäh einfühlend und kunstvoll ins Deutsche übertragene Gedichte, eine glückhafte Verbindung zwischen Musik und sprachlichem Reichtum sind. Rätoromanisch ist schon fast Musik, Deutsch kommt da irgendwie nüchterner, sachlicher einher.

Nicole Cagianut begrüsste grad in beiden Sprachen, den Bogen zwischen Spescha und Fäh, zwischen ihren zahlreichen Fragen und den damit provozierten Antworten spannend. Es fiel auf, dass sich die beiden behutsam arbeitenden, Gedanken kunstreich, zuweilen blumig, üppig, dann wieder sachlich und kurz umsetzenden Männer sehr freundschaftlich verbunden wissen, in Gesprächen vieles austauschen oder anstossen. Ihre gesunde, rege Neugierde ist von Vielseitigkeit, grossem Einfühlungsvermögen, kritischem Auseinandersetzen geprägt.

Arnold Spescha, 1941 in Pigniu/Panix geboren, war einst Primarlehrer in Sevgein und Arosa. Er studierte an der Uni Zürich Romanistik, führte das in Kombination mit weiteren Fächern in Aix-en Provence und Perugia weiter. Zwischen 1969 und 2004 unterrichtete er am Gymnasium der Kantonsschule Chur. Lehraufträge für rätoromanische Linguistik und Literatur führten ihn nach Fribourg und Zürich. Er dirigierte eine Militärmusik und die Stadtmusik Chur. Sein literarisches Schaffen umfasst Lyrik und Prosa, einiges ist publiziert worden, einiges wurde für Orchester und Chöre vertont. Spescha wurde mit dem Preis des romanischen Radios und Fernsehens (2003) und dem Bündner Kulturpreis (2007) ausgezeichnet.

Hans Fäh (Jg. 1944) wuchs in Schänis auf, wohnt heute in Mitlödi, war Lehrer, wurde dann Bibliothekar, wirkte in einem Reisebüro in Kanada, beschäftigt sich seit 2009 intensiv mit der rätoromanischen Sprache, lektorierte verschiedene Bücher und wissenschaftliche Arbeiten, übersetzte Gedichte, unter anderem von Arnold Spescha, ist ein profunder Kenner der deutschen und rätoromanischen Sprache, setzt vieles gar subtil und adäquat um und ist mit Musikalischem ebenso eng verbunden wie Spescha.

Dessen Gedichte übersetzte er mit einer grossen Freiheit, so die Antwort auf eine von vielen Fragen. Der Aussagekraft des Inhalts schenkte er sorgsame, starke Beachtung, was ein intensives und aufwendiges Auseinandersetzen bedingte. Immer sei das Ziel, nah am Original zu bleiben, den Rhythmus der Worte zu bewahren. Das sei schon fast als Auftrag zu verstehen.

Spescha deutete aus, wie stark ihn das Wetter schon in der frühen Jugend stets begleitet habe. Damals war er ein zäher Hirtenbub, der mit dieser Arbeit gefordert war. Die Dissertation schrieb er zum Thema «Wetter». Musik gesellte sich wie selbstverständlich dazu.

Die präsentierten Gedichte entnahmen sie dem Gedichtband «Ei catscha dis / Der Tag bricht an». Stets wurde in beiden Fassungen gelesen. Gerne liess man sich auf eine ganz besondere Reise mitnehmen, mit unerwarteten Inhalten, mit Innehalten, Vermuten, Feststellen, Träumen, mit Parallelen zwischen Menschsein und Wolkengebilden, Winden, Jahreszeiten.

Nicole Cagianut munterte auf, einfach der Melodie des Rätoromanischen zu lauschen, sich mittragen zu lassen. Es wurde aufgezeigt, was sich aus Wolken herauslesen lässt, da wuchsen faszinierende, zuweilen so innige und schöne Welten.

Die Moderatorin erfragte die spürbar tiefe Freundschaft zwischen Spescha und Fäh. Spescha spendete da ein dickes Lob an den Glarner, der ein beinahe 150-prozentiger Rätoromane geworden sei. Und als Hans Fäh gefragt wurde, ob er es mit der Dichtkunst nicht mal versuchen wolle, munterte Spescha auf, das müsse man schon mal ausprobieren. Er wies dann darauf hin, wie er sich von Urteilen seiner Frau und seines lektorierenden Sohnes leiten lasse, was ihm diese Reaktionen bedeuten. Zuweilen dichte sich so leicht und rasch, anderes werde weggeschmissen. Gedichte seien so persönlich, viele Gefühle offenbarend, mal kam die Natur als menschenähnliche Gestalt einher, dann waren es der alles reinigende Regen, das Auseinandersetzen mit dem Glauben, Blitz und Donner, behagliche Wärme oder garstige, ungemütliche Kälte – der Reichtum der Sprache war überwältigend. Es ist eine Kunst, mit wenigen Worten vieles treffend zu sagen. Das wurde mit dem Zitieren vieler Gedichte aufgezeigt, ermunterte einige, das Buch zu erwerben.

Viel Herzlichkeit und Gastfreundschaft, auch Dankbarkeit waren auf so gute Art erspürbar geworden. Einiges mündete in lange, interessante Gespräche, führte zum Begleiten und Nachdenken auf dem Heimweg.