Am Dienstag letzter Woche hat er vor dem Historischen Verein, dessen Mitglieder im Fridolinsheim bei der katholischen Kirche in Glarus zusammenkamen, über die sozusagen heissesten anderthalb Jahrzehnte rund um die Fahrt (1639-1655), unter dem Titel „St. Fridolin - Anlass zu einem Bürgerkrieg?“ berichtet.
Politik und Religion untrennbar verbunden
Seit der Reformation waren die Glarner zerstritten, doch fanden sich die Altgläubigen (Katholiken), die zahlenmässig in der Minderheit waren, und die Neugläubigen (Evangelisch-Reformierte) immer wieder zu Kompromissen bereit, auch bezüglich des Zeremoniells an der Fahrt, die ja dem gemeinsamen Gedenken der 1388 eben noch katholischen Gefallenen und des Sieges galt. Dem Frieden diente auch der 1623 beschlossene Landesteilungsvertrag mit seiner streng geregelten Ämteraufteilung.
Streit um die Heiligen
Mehr und mehr umstritten war dann aber die Erwähnung der Heiligen im Fahrtsbrief und in den Texten für die Eidesleistung. Die Neugläubigen, welche sich zu Beginn der Reformation auch als Bilderstürmer hervorgetan hatten, wollten und konnten mit den Heiligen nichts (mehr) anfangen. „Akzeptiert“ waren höchstens der Landespatron Fridolin und sein geistlicher Vater Hilarius.
Die altgläubige Seite aber förderte dann den Fridolinskult, indem sie sich 1637 in Säckingen Fridolins-Reliquien erbat, die in einem feierlichen Zug nach Glarus gebracht wurden. 1638 schuf Meister Oswald Schön in Rapperswil, ein gebürtiger Zuger, die Fridolins-Reliquiarstatue, in deren Brust Reliquien aufbewahrt sind, und diese Statue, die heute das kulturhistorisch wertvollste Prunkstück des katholischen Kirchenschatzes von Glarus ist, wurde 1639 von den Altgläubigen auf der „goldenen Truhe“ oder „Trucke“ (die 1861 beim Stadtbrand zerstört wurde), nach Näfels getragen.
„Grobe abgöttische Missbräuche“
Das brachte bei den Neugläubigen das Fuss zum Überlaufen, zumindest bei der Geistlichkeit. Der aus Zürich stammenden Dekan Johann Ludwig Ammann sprach in seinem Predigten von „groben abgöttischen Missbräuchen“. Schon das Mitführen der Fahnen in der Prozession - vorher hatte man sich auf Kreuze beschränkt - hatte missfallen. Immerhin war die Fahrt nie mit einer Messe verbunden. Ammann tönte in seinen scharfen Predigten, die erhalten geblieben sind, schon früh einen möglichen Verzicht auf die Fahrtsfeier, zumindest von neugläubiger Seite, an. Doch man fand sich irgendwie immer wieder, auch aus wirtschaftlichen Gründen, denn die Näfelser Gastwirte beklagten Einnahmenausfälle wegen des Fernbleibens der Reformierten. Schwitter schilderte, aus Predigten Ammanns zitierend, das Hin und Her auf lebendige Art und Weise und kommentierte gelegentlich mit feinem Humor.
Die eidgenössischen Stände wurden ebenfalls angerufen, desgleichen die neugläubigen kirchlichen Gremien in Zürich und Basel. Die altgläubige Seite blieb Ammann offenbar nichts schuldig, bloss sind diese Predigten nicht erhalten geblieben. In der Mitte der 1650er Jahre eskalierte der Streit, und man befürchtete militärische Interventionen der andern Stände sowie eine endgültige Aufteilung des Landes Glarus nach dem Appenzeller Muster.
Der Kompromiss
1655 einigte man sich schliesslich darauf, dass nur noch die Altgläubigen die Fahrt in Näfels feiern sollten, die Neugläubigen sich aber zu Gedenkgottesdiensten in ihren dörflichen Gotteshäusern versammeln sollten, vergleichbar mit dem heutigen Bettag. Die Glarner, die sich wegen konfessioneller Streitigkeiten nie die Köpfe eingeschlagen hatten, fanden also wiederum eine pragmatische Lösung, und die Kosten der Fahrtsfeier wurden seit 1666 wieder aus dem gemeinsamen Landessäckel bezahlt. 1669 beschloss die evangelische Landsgemeinde, dass an ihr eine Predigt gehalten werde, ganz offensichtlich als Eratz für die Fahrtspredigt. Neugläubige haben aber auch in der Trennungszeit immer wieder vereinzelt an der Fahrt teilgenommen.
Heutige Fahrt sei 1835/36
Es dauerte bis 1835/36, bis die gemeinsame Fahrt, nach der Aufhebung des Landesteilungsvertrages, wieder eingeführt wurde. Die damals aufgestellten Regeln gelten noch heute, z.B. der Wechsel zwischen einer alt- und neugläubigen Predigt. 1836 verkündigte mit Dekan Balthasar Marti aus Ennenda erstmals wieder ein Reformierter das Wort Gottes.
Die Fridolinsstatue, der Josef Schwitter mit Blick auf die 1640/50er Jahre (konfessionelle) „Sprengkraft“ zusprach, ist seither nur noch am Fridolinstag vom 6. März in der katholischen Kirche aufgestellt. Sie zu besichtigen, sollte man aber nicht unterlassen.