«Wie die Metzger»

«Mut zur Verantwortung! Sensible Themen im Museum» lautete das Motto des diesjährigen Internationalen Museumstages. Das Museum des Landes Glarus machte am Sonntag ein sehr heikles Thema zum Diskussionsgegenstand: Krieg und Geschäft in der Eidgenossenschaft des 15. und 16. Jahrhunderts.



Referat Prof. Dr. Valentin Groebner
Referat Prof. Dr. Valentin Groebner

Das Gemälde Kaspar Freulers kennt jedes Kind im Kanton Glarus – aber nur wenige wissen, warum auf seiner Rüstung eine Goldmünze mit Löwenkopf prangt. Es ist ein Louisdor, die grösste französische Münze zu Freulers Zeiten. Ein Zeichen für seinen Wohlstand, aber auch seine Abhängigkeit vom französischen König. Wer am Sonntag anlässlich des Internationalen Museumstages an den Vortrag des Luzerner Historikers Valentin Groebner kam, hat viel gelernt. Zum Beispiel, dass die Alte Eidgenossenschaft keineswegs das eigenständige Gemeinwesen hart arbeitender Bergler war, wie in vielen Geschichtsbüchern propagiert, sondern von fremdem Geld abhängig und teils sehr korrupt war. Ein mutiges Referat zu einem sensiblen Thema also, insbesondere in einem Museum, das Glarner Militärgeschichte in einem prachtvollen Haus eines Gardekommandanten des Französischen Königs zeigt. Der Spezialist für Mittelaltergeschichte sezierte in seinem lebendig vorgetragenen Referat mit vielen Belegen lieb gewordene Geschichtsbilder, die ein verklärtes Bild der Alten Eidgenossenschaft zeichnen. «Als Historiker ist es mein Job, zwischen zwei Dingen zu unterscheiden, die man im Alltag gerne verwechselt, nämlich zwischen Geschichte und Geschichtsbildern», sagte er. Geschichtsbilder, so der Referent, beantworten Fragen nach Herkunft und Identität. Geschichte dagegen stelle Fragen, fuhr er fort, zum Beispiel «Wer waren die Schweizer Söldner eigentlich?» Im Vortrag demontierte der Referent das Selbstbild der Schweiz, das noch immer die Friedlichkeit und die Neutralität beschwört. Er zeichnete das Bild einer Gesellschaft, die von korrupten Militärunternehmern beherrscht wurde, die handelten «wie Metzger, die gegen Geld andere Menschen ausschlachteten und verkauften», so der Referent mit einem Zitat des Humanisten Erasmus von Rotterdam aus dem Beginn des 16. Jahrhunderts. Groebner zeigte, wie stark die Elite der Alten Eidgenossenschaft von ausländischen Geldgebern abhing. Diese Militärunternehmer rekrutierten in den Kantonen die Söldner, mit denen europäische Fürsten ihre blutigen Schlachten schlugen. Für die hierzulande meist als illegal geltenden Rekrutierungen erhielten sie Pensionen aus dem Ausland. «So war es in Bern, in Zürich, Luzern und Glarus», erklärte der Historiker. Auch Aegidius Tschudi war Empfänger von französischen Pensionen. Auch er sorgte dafür, dass «Glarus brav Söldner nach Frankreich lieferte», so der Referent. «Jedes Haus, das älter ist als 200 Jahre, ist mit diesen Geldern finanziert, und der vom Söldnerführer Kaspar Freuler gebaute Freulerpalast natürlich auch», ergänzte er.
Die rege Diskussion nach dem Referat zeigte, dass die Thesen Groebners zu den Glarner Beziehungen zu Krieg und Geschäft einen Nerv getroffen hatten und welch wichtigen Beitrag Museen als Diskussionsforen im 21. Jahrhundert leisten können.