Wie ein Linthaler zum Schweizer Meister wird

Der 16-jährige Jan Selinga aus Linthal gewinnt zusammen mit der Juniorenmannschaft des Schachklubs Gonzen in Ittingen bei Bern die Schweizer Jugend-Mannschaftsmeisterschaft 2017 in Bern. Ein Erlebnisbericht des jungen Schweizer Meisters.



Dario Bischofberger (Chur)
Dario Bischofberger (Chur)

Alles begann in Glarus, als meine Mannschaftskollegen mich gefragt haben, ob ich die Gruppenmeisterschaft für Gonzen spielen möchte. Da habe ich zugesagt. Nach den ersten Runden bekam ich eine Anfrage, ob ich für Gonzen die Schweizer Jugend-Mannschaftsmeisterschaft spielen würde. Ich hatte kein SJMM-Team, deshalb habe ich zugesagt. Zusammen mit Anna Adzic und Dario Bischofberger aus Chur, Fabian Bänziger aus Pfäffikon SZ und Anton Künzi aus Zürich spielte ich also in Ittingen in den Finalspielen um die Schweizer Jugend-Mannschaftsmeisterschaft.

Startsieg gegen den Favoriten


In der ersten Runde schlugen wir Payerne, die stärkste Gruppe am Turnier, mit Leichtigkeit 3:1. Zuerst gewann unsere Nummer 1, Fabian Bänziger. Das war ein sehr gutes Zeichen. Nach einer halben Stunde gewann ich und 15 Sekunden später Dario Bischofberger. Anna Adzic verlor leider eine gewonnene Stellung, das war schade, aber es beeinflusste das Teamresultat nicht. Die Mannschaft war begeistert. In der gleichen Runde schlug St. Gallen Bern mit 2,5:1.5, also mussten wir gegen St. Gallen spielen. In der Pause haben wir uns vorbereitet und besprochen, wer was spielen wird. Wir dachten, dass wir sie auch so leicht wie Payerne schlagen werden.

Der sichere Sieg ...


Es lief eigentlich alles nach Plan. Ich gewann als Erster meine Partie, da ich eine schlechtere Stellung hatte und mein Gegner mein Gegenspiel unterschätzt hat. Damit überraschte ich die Zuschauer. Fabian Bänziger gewann etwas später nach mir. Fabian und ich haben schon gefeiert, da unsere zwei Kollegen, Dario und Anton, mindestens ein Unentschieden auf dem Brett hatten. Wir verliessen den Spielraum und spielten mit den Gegnern Schnellschach. Sie waren traurig, da sie wussten, dass wir den Sieg sozusagen auf sicher hatten.

... ist plötzlich verschenkt


45 Minuten später kam Anton aus dem Spielraum heraus. Er hatte verloren! Alle Schachspieler in der Nähe waren schockiert, denn er hatte eine ganz sichere Remis-Stellung. Nun mussten wir wissen, wie es bei Dario aussieht und auch er müsste Remis halten können. Wieder mussten wir warten. Schliesslich bekamen wir die Nachricht, Dario werde verlieren, weil er keine Zeit mehr habe. Die Zeit war eigentlich kein Problem, man bekam für jeden Zug 30 Sekunden. Das einzige Problem ist, dass man fast einen Herzinfarkt wegen dem Stress bekommt. Schliesslich passierte es. Dario übersah eine Springergabel und es stand 2:2. Das gegnerische Team feierte und wir waren am Boden.

Die Nerven flattern


Zwei von uns verloren kurz die Nerven, es war schon sechs Uhr und jeder Schachspieler war unglaublich müde. Und jetzt mussten wir noch ein Tie-Break mit verkürzter Zeit spielen. Einer unserer Spieler ist beinahe zu spät gekommen, da er sich erst wieder beruhigen musste. Ich befürchtete, dass wir das Tie-Break wegen den Emotionen verlieren werden. Als die Runde begann, war ich wieder als Erster fertig, mit dem Unterschied, dass ich dieses Mal ein klar gewonnenes Spiel vergeben hatte. Ich verpasste leider meine Chance in einer sehr offensiven Stellung und mein Gegner nützte diese Chance und setzte mich matt. Ich war wütend und traurig gleichzeitig, vielleicht kostete uns dieses Spiel den Titel. Meine Teamkollegen standen alle auf Unentschieden. Ich verliess den Raum und analysierte das Spiel mit meinem Gegner und realisierte, dass ich dieses Spiel wirklich hätte gewinnen können.

We Are The Champions


Schliesslich gewann aber Anton auf dem vierten Brett und wir waren wieder im Geschäft. Zwei Minuten später gewann auch Fabian auf dem ersten Brett, es stand schon 2:1 für uns. Wir umarmten uns und feierten, da wir den Meistertitel auf sicher hatten, denn auch bei einem Ausgleich zum 2:2 wäre die Feinwertung nach Brettpunkten auf unserer Seite. Dario verlor schliesslich das Spiel, aber das war jedem egal, wir feierten, gratulierten und umarmten uns gegenseitig. Jemand spielte «We Are The Champions» ab und wir sangen mit. Schliesslich verabschiedeten wir uns mit dem Versprechen, dass wir an der Schweizerischen Einzelmeisterschaft richtig feiern werden.

«Ich war noch nie ein Landesmeister, deshalb bin ich sehr glücklich, dass ich mich Schweizer Meister nennen darf. Dieser Sieg hat mir noch mehr Motivation gegeben, Schach zu trainieren. Im Sommer spiele ich die Schweizer Einzelmeisterschaft und das Chess Festival in Biel. Ich hoffe, dass ich an diesen Turnieren auch erfolgreich sein werde.»