Wie ein Tschudi als Shudi Cembalos baute

Erst vor kurzem ist Manfred und Hermann Mathis der Näfelser Kulturpreis für ihr mittlerweile weltweites Wirken als Orgelbauer verliehen worden. Hätte es schon im 18. Jahrhunderte derartige Auszeichnungen gegeben, so wäre der aus Schwanden stammende Burkhart Tschudi (1702-1773), der in London unter dem Namen Burkat Shudi hervorragende, zumindest europaweit bekannte Cembali (oder Cembalos) herstellte, ein Preisträger geworden.



Das Titelbild des Neujahrsboten zeigt einen Ausschnitt aus dem Gemälde von Carl Marcus Tuscher; es ist etwa 1744 entstanden und hängt in der National Portrait Gallery in London: Cembalobauer Burkat Shudi und sein Sohn Joshua.
Das Titelbild des Neujahrsboten zeigt einen Ausschnitt aus dem Gemälde von Carl Marcus Tuscher; es ist etwa 1744 entstanden und hängt in der National Portrait Gallery in London: Cembalobauer Burkat Shudi und sein Sohn Joshua.

Martin Zimmermann, Mitlödi, widmet Shudi unter dem Titel „London einfach: Der Cembalobauer Burkat Shudi“ den ersten Beitrag im Allgemeinen Teil des eben in seinem 44. Jahrgang erschienenen „Neujahrsboten für das Glarner Hinterland“ auf das Jahr 2010. Und Tschudi schmückt auch die erste Umschlagseite des Boten.

Mit 16 ausgewandert, mit 24 eigener Betrieb

Tschudi wanderte 1718, also im Alter von 16 Jahren, nach London aus. Er erlernte daselbst den Cembalobau bei einem aus Antwerpen stammenden Meister. 1726 gründete er einen eigenen Betrieb. Zu seinen Kunden gehörte auch der gefeierte Komponist Georg Friedrich Händel (1685-1759), der seinen Namen wie Tschudi, offenbar im Sinne der „Integration“, in „Handel“ abgeändert hatte (ein weiteres Beispiel für solche Namensanpassungen ist „Henry Fuseli“ für den aus Zürich stammenden Maler Johann Heinrich Füssli [1741-1825]).

Tschudi baute bis zu seinem Rückzug aus dem Beruf 1771 zahlreiche ein- oder zweimanualige Cembali, von denen noch rund zwei Dutzend, heute so kostbare Exemplare, erhalten sind, so auch dasjenige im Freulerpalast, auf dem heute noch gespielt wird. Zimmermann listet die Bekanntesten auf.

Der Beitrag von Martin Zimmermann bietet - nach einem eindrucksvollen Blick auf die glarnerischen Verhältnisse während Tschudis Jugendjahren - sehr viele interessante Details zur Musik- und Instrumentengeschichte zur Zeit des Barocks, als das Cembalo hoch geschätzt war, dann aber mehr durch das Klavier abgelöst wurde, welches im Gegensatz zum Cembalo, dessen Saiten gezupft wurden und so praktisch keine Unterschiede in der Lautstärke zuliessen, dank der Hammermechanik „eine viel grössere Bandbreite des Klanges“ ermöglichte, wie Zimmermann schreibt.

Oswald Heer

Petsch Marti, Matt, der zum Herausgeber-Team des Neujahrsboten gehört, würdigt den Naturforscher Oswald Heer (1809-1885), der ja sogar auf einem Kirchenfester in Matt verewigt ist, ein ganz bemerkenswerter und in diesem Sinne einmaliger Gotteshaus-Schmuck, der zu seinem hundertsten Geburtstag angebracht wurde. Auch Marti entwirft gewissermassen eine Sittenbild, indem er ausführlich Heers Jugendjahre im Matter Pfarrhaus, wo ihn sein Vater Jakob Heer bis zur Maturität unterrichtete, schildert.

Heers Werdegang als Naturforscher zeichnete sich bereits in jenen Jahren ab, als er unermüdlich Pflanzen und Insekten sammelte und katalogisierte - auch mit wachem, geschultem Sinne neue Arten entdeckte. Zwar liess er sich auf Wunsch seines Vaters zum Pfarrer ausbilden, wechselte dann aber sehr schnell zu den Naturwissenschaften und begann eine glänzende akademische Laufbahn an den Züricher Hochschulen. Marti führt im Detail in die wissenschaftlichen Leistungen Heers ein.

Das Hochwasser von 1910

Heinrich Hämmerli schildert Wort und Bild das schwere Hochwasser, das Mitte Juni 1910 das Klein- und Grosstal, aber auch die nördlich gelegenen Teil des Glarnerlandes heimsuchte (und von dem unsere Grosseltern noch lebendig zu berichten wussten).

Die politisch aktive Jugend von Engi

Martin Baumgartner-Marti beschreibt die Bürgervereinigung Engi, die 1942 die jungen Tagwensbürger sammelte, um neues Leben in die offensichtlich verknöcherte und zum Teil „faschistischen“ Ideen zuneigende Bürgerschaft, welche die Jungen nicht ernst nehmen wollte, zu tragen. Die Vereinigung setzte sich aber eigentlich rasch mit ihren fortschrittlichen Ideen durch, und bei der Lektüre von Martin Baumgartners Bericht fühlt man sich unwillkürlich an die Aufbruchstimmung erinnert, die unsern Kanton heute kennzeichnet. Mit der Wiedergeburt der politischen Parteien hatte die Bürgervereinigung ein wichtiges Ziel erreicht. 1972 löste sie sich deshalb auf.

Leni Takihara-Aebli kollte sich mit der bisher geltenden Annahme, der Name „Tödi“ komme von „Öde“, nicht befreunden. Recherchen im Internet erzeigten, dass das altenglische Wort „tôtian“ („hervorgucken“) dem Namen „Tödi“ zugrunde liegen könnte. „Hervorgucken“ aber tut der Tödi vor allem aus einer gewissen Distanz, ungefähr ab Ennenda. Leni Takihara belegt ihre durchaus einleuchtende Version mit ähnlichen Bergnamen in Deutschland. Und sie schliesst, dass der „Hervorgucker“ Tödi als Werbeträger absolut brauchbar bleibe.

Rolf von Arx sel., Mitautor der Buches über unsere Industriekultur, widmet einen Beitrag den evangelischen Linthaler Pfarrherren Hans Conrad und Hans Caspar Brunner, die aus Zürich stammten. Vater und Sohn Brunner wirkten von 1640 bis 1704 als Seelsorger im Linthal. Ihre Sorgen galten aber auch ihrer eigenen ökonomischen Situation; sie lebten schlicht in Armut, sodass von Arx als Titel „Pfarrer sein hiess arm sein“ wählte. Die Pfarrherren schrieben laufend Bittbriefe an die für sie zuständigen Zürcher. Auch das ein Sittenbild.

Aus dem Nachlass von Dr. h.c. Heinrich Stüssi stammt der Beitrag über „Die ehrwürdigen Batzensänger von Linthal“, eine Geschichte des evangelischen Kirchgesangs in Linthal, ergänzt um Betrachtungen zum Lobwasserpsalter mit seinen geradezu saloppen und daher beliebten Melodien. „Batzensänger“ nannte man die Chormitglieder deshalb, weil sie pro Kirchenbesuch aus dem mit der Zeit ansehnlich gewordenen Sängergut eine kleine Entschädigung erhielten

Der Chronikteil

Die regionalen und kommunalen Chroniken beanspruchen den grössten Teil des Neujahrsboten. August Rohr beschreibt die weitern, wichtigen Schritte für die Bildung der Gemeinde Glarus Süd und stellt ihre Organisation im Detail vor. Vorstellt werden u.a. auch Spitex Glarus-Süd und die katholische Kirchgemeinde GHS. Die Chroniken beschlagen das Gemeindeleben, wobei die Verfasser ja nach gusto das eine oder andere mehr oder weniger gewichten. Auffallend ist das sehr aktive Vereinsleben, dass hoffentlich auch weiterhin das Dorfleben befruchtet.

Neujahrsbote für das Glarner Hinterland 2010 (Grosstal und Sernftal), 44. Jahrgang, herausgegeben vom Stiftungsrat, 404 Seiten, Fr. 24.50; im Buchhandel.