Am 28. Februar stimmen wir über vier eidgenössische Vorlagen ab. Moises Mayordomo, Professor für Neues Testament an der Universität Basel, hat dazu untersucht, wie Jesus stimmen würde. Grund für sein Ja zum Experiment: Er ärgere sich selbst häufig, wie oft Jesus in politischen Auseinandersetzungen als Komplize missbraucht werde. Wie bitte?
Für den Basler Theologen steht fest, dass Jesus «ziemlich sicher» gegen die zweite Gotthardröhre, die Durchsetzungsinitiative sowie gegen die Spekulation mit Nahrungsmitteln wäre. Die vierte Vorlage, die Initiative gegen die Heiratsstrafe, ging von der Zeitung vergessen. Die Antwort soll nachgeliefert werden.
Bezüglich des Baus der zweiten Gotthardröhre verweist der Uni-Professor auf die klare Stellungnahme in der Bibel für die Natur, für die Bewahrung der Schöpfung. Sicherheitsaspekte klammert er allerdings völlig aus.
Bei der Durchsetzungsinitiative meint der Theologe: «Schon die Unterscheidung in Aus- und Inländer hätte Jesus nicht gutgeheissen.» Das Christentum habe als universelle Bewegung nationale Identitäten aufgehoben.
Klar sei das Nein von Jesus zur Nahrungsmittel-Spekulation: «Die Vorstellung, dass man mit Grundnahrungsmitteln Handel treiben kann, steht völlig quer zur Bibel mit ihrem eher naiven Bild der Ernährung als rein natürlichem Prozess.» Handel sei in der Perspektive von Jesus überhaupt sehr kritisch zu betrachten.
Der Uni-Professor räumt immerhin ein, dass es historisch betrachtet schwierig sei, wiederzugeben, was Jesus wirklich gesagt hätte. Doppelt schwierig sei es, die heutigen gesellschaftlichen Realitäten in die Zeit Jesu, ins Judäa des ersten Jahrhunderts zu übertragen. Doch gebe es ein paar Grundsätze, die man auch heute anwenden könne: «Die Bewahrung der Schöpfung als Prinzip oder dass Jesus auf der Seite der Armen stand und nicht der Reichen.»
Man darf sich mit Fug und Recht fragen, was das soll. Bezweckt der Autor des Artikels eine Abstimmungshilfe respektive eine Beeinflussung der christlichen Stimmberechtigten? Auch wenn der Theologe sagt, seine Reputation stehe auf dem Spiel, macht er beim Experiment doch mit. Gewagt, gewagt. Da bleibt nur zu hoffen, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger trotzdem Pro und Kontra gründlich abwägen und sich ihre Meinung selbstständig bilden. Ungeachtet davon, wie Jesus gestimmt hätte.
Wie würde Jesus stimmen?
Gewagte Aussagen macht ein Basler Theologe: Er hat für die Zeitung «Tageswoche» das wahrscheinliche Abstimmungsverhalten von Jesus Christus untersucht.