Wir Schweizer sind halt ein Volk, das ausgesprochen empfindlich ist, wenn es um Sauberkeit geht, die Iren sind da nicht ganz so streng.
Sobald ich mein Gepäck hatte, machte ich mich auf den Weg durch alle Gänge, um meiner Familie nach langer Zeit wieder in die Arme zu fallen. Man könnte meinen, dass ich in diesem Moment sehr aufgeregt gewesen sein sollte. Das dachte ich auch, doch leider überrannte mich wieder Traurigkeit und ich konnte nicht glauben, dass ich sie alle schon wiedersehe und meine Zeit in Irland vorbei ist. Ich riss mich aber zusammen und sobald ich meine Mutter, Schwester und Grossmutter sah, war ich dann doch froh. Meine Mutter fing an zu weinen und so tat ich. Ich freute mich, sie endlich wieder bei mir zu haben, gleichzeitig war ich aber froh, dass ich jemanden hatte, der mich einfach nur umarmte. Sie tat dies aus einem anderen Grund als mich zu trösten, aber trotzdem half es mir unglaublich, denn der Schmerz des Abschieds steckte mir immer noch in den Knochen.
Die Nachhausefahrt war seltsam. Ich sah all diese Berge, Orte und Häuser, die ich doch so gut kannte, und trotzdem fühlte ich mich irgendwie fremd. Zudem fing ich immer wieder an, Englisch zu reden oder konnte Sachen nicht richtig sagen, wie ich es wollte, was zum Glück oft zu Lachern führte.
Das ist bis heute noch so, auch wenn ich schon mehr als 3 Wochen zu Hause bin. Ich sage zum Beispiel immer «Ich bin gut», wenn mir jemand etwas anbietet, was ich ablehne oder ich gefragt werde, wie es mir geht, weil es ja im Englischen «I am good» ist. Auch sonst übersetze ich englische Sätze ins Deutsche, merke, dass es falsch ist, kann mich selber aber nicht korrigieren, weil mir das richtige Deutsch nicht in den Sinn kommt.
Das wieder Einleben war und ist immer noch hart. Zunächst musste ich mich an meine Familie gewöhnen. In Irland war das Haus meistens still und wenn ich am Wochenende aufstand, konnte ich in aller Ruhe frühstücken. Hier werde ich wieder geweckt und der Betrieb in diesem Hause ist immens. Nach zwei, drei Tagen hatte ich mich aber wieder an den Hochbetrieb gewöhnt und fühle mich wieder wohl hier. Irland war und ist jedoch ständig in meinem Kopf und ich glaube, es tat meiner Mutter und Schwester oft weh, wenn sie mich so traurig und deprimiert sahen. Teilweise habe ich mich echt verloren gefühlt in meinem eigenen Leben. Nur schon, dass mir die ganze Zeit Sachen gezeigt und erklärt werden mussten in meiner eigenen Familie, weil ich sie nicht mehr oder noch nicht kannte.
Nach einer Woche traute ich mich dann erstmals in die Schule. Ich war total aufgeregt und habe mich gefreut. Es war echt schön, alle wiederzusehen, aber der Fakt, dass sich hier eigentlich nichts verändert hat, machte mir schon einige Probleme. Oft werde ich immer noch wie die Saskia behandelt, die damals nach Irland ging. Das ist verwirrend. Es fällt mir schwer, einfach mich selbst zu sein, weil es nicht unbedingt erwartet wird und ich nicht weiss, wie darauf reagiert wird. Ich glaube aber, dass sobald die Schule wieder angefangen hat und ich wieder jeden Tag von allen umringt verbringe, werden wir uns wieder aneinander herantasten und gewöhnen, ich habe mich ja nicht um 180 Grad gedreht!
