Wille und Vertrauen, gestern wie morgen

Diese Worte zierten die Einladung zur Gedenkfeier des Rütlirapports vor 75 Jahren. Die GOG durfte zwei Delegierte senden, Hauptmann Markus Weber und Oberleutnant Markus Schnyder. Ein Erlebnisbericht.



Hauptmann Markus Weber und Oberleutnant Markus Schnyder. (Bild: zvg)
Hauptmann Markus Weber und Oberleutnant Markus Schnyder. (Bild: zvg)

Tief hängt die Wolkendecke in den Bergen rund um den Vierwaldstättersee. Erdrückend, ja fast beängstigend. Wir schreiben den 25. Juli 2015, auf den Tag genau 75 Jahre nach dem sagenumwobenen Rütlirapport. Genau an diesem Tag, und angeblich genau bei diesem Wetter, versammelten sich sämtliche höheren Offiziere der Schweizer Armee auf der Rütliwiese um ihren General, Henri Guisan. Im Herzen der neutralen Schweiz, rundherum ein Europa, dass zerbröckelt und droht im Krieg ganz zu zerfallen. Die Schweiz, eine einsame Insel der Sicherheit. Doch der Schein trügt, die Stimmung gleicht dem Wetter, erdrückend und angsteinflössend.

Doch zurück zu heute. Eine stattliche Zahl Offiziere aller Grade, Truppengattungen und Sprachregionen sowie viele andere prominenten Gäste versammeln sich um 09.00 Uhr hinter dem KKL in Luzern bei der Brücke 6. Die Stimmung ist gut und die zwei grossen Schiffe bereit zur Abfahrt. Eines davon soll genau jenes Schiff sein, mit welchem vor 75 Jahren auch General Guisan und seine Offiziere den Wasserweg zum Rütli bestritten. Heute ist es die SOG (Schweizerische Offiziersgesellschaft), welche Gastgeber und Organisator dieser Gedenkfeier ist, welche nicht nur dazu dienen soll, in Erinnerungen zu schwelgen, sondern auch um einen Blick in die Zukunft zu wagen. Und wo kann man das besser, als an genau jenem Ort, welcher in unseren Mythen als der Geburtsort der Schweiz gilt.

Pünktlich um 09.30 Uhr setzen sich die beiden Schiffe in Bewegung. Bei Kaffee und Gipfeli lässt sich die Fahrt quer durch den Vierwaldstättersee ordentlich geniessen und es ist genügend Zeit, bei regen Diskussionen über die weltpolitische Lage die Wichtigkeit einer gesunden und funktionierenden Armee zu unterstreichen. Nach eineinhalb Stunden Fahrt erreichen wir das Rütli und machen uns zu Fuss auf den Weg zur Rütliwiese, welche festlich geschmückt und mit Festzelten übersät ist. Nichts desto trotz, bei manch einem von uns inklusive mir löst der Anblick dieser Wiese eine gewisse Ehrfurcht und vor allem aber Stolz aus. Nach der Begrüssung durch den Präsidenten folgen mehrere Referate, die Liste der Referenten kann sich durchaus sehen lassen. Angeführt wird diese durch Frau Landammann Dr. Heidi Z`graggen, als Gastgeberkanton überbringt sie die besten Grüsse der Urner Kantonsregierung. Den Abschluss der Referate machen Claude Heche, Ständeratspräsident und Ueli Maurer, Bundesrat und Vorsteher des VBS. Alle würdigen sie den verstorbenen Sympathieträger und letzten Oberbefehlshaber der Schweizer Armee, General Henri Guisan. Nur durch sein Schaffen konnte ein Zerbrechen der Schweiz im Zweiten Weltkrieg verhindert werden. Er forderte als Bürger der Schweiz seine Landsleute dazu auf, die Freiheit der Schweiz zu verteidigen und dies, bis zum letzten Tropfen Blut. Ueli Mauer fragte in seiner Rede wohl etwas zynisch, wer heute noch dazu bereit wäre. Ich frage mich, wie hoch der Wert der Freiheit noch ist. Unsere Vorfahren hätten für diese ihr Leben gelassen und wir, wir machen eine finanzpolitische Diskussion daraus. Es scheint, als wäre Freiheit ein Gut, welches bei Bedarf einfach um die Ecke bei Freunden eingekauft werden kann. Ein hochentwickeltes, vom «ewigen» Frieden gezeichnetes Land glaubt, Freiheit sei eine Selbstverständlichkeit zum Nulltarif. Welch ein Irrtum.

Nach dem fast zweistündigen Festakt folgt der genussvolle Teil. Eine Gruppe freiwilliger Helfer des VSMK (Verband Schweizerische Militärküchenchefs) stellt einmal mehr unter Beweis, was viele Soldaten bereits wussten. Selbst unter freiem Himmel in einer Feldküche schaffen sie es, die gut 500 Gäste mit köstlichen Militärklassikern wie Käseschnitten, Gehacktes und Hörnli oder gar Apfelmus zu verwöhnen. Ihnen gebührt ein grosses Dankeschön.

Gut gesättigt und im Glauben, das Programm sei durch, geniessen wir noch einen Kaffee. um 15.25 Uhr wird unser Kaffeekränzchen jedoch durch heulende Triebwerke jäh unterbrochen. Der Stolz unserer Luftwaffe, die Patrouille Suisse, stellt einmal mehr mit ihren Tiger F-5E ihr Können eindrucksvoll unter Beweis. Mit diesem Highlight geht der Rapport zu Ende und wir begeben uns gegen 16.00 Uhr wieder auf die Schiffe, welche uns nach Luzern zurückbringen.

Dort angekommen, mit vielen schönen Erinnerungen im Gepäck, verlasse ich das Schiff und doch lässt es mich nicht ganz los. Ob wir heute wirklich in einer ganz anderen Situation sind als vor 75 Jahren, soll jeder für sich beantworten. Ob es richtig ist, unsere Sicherheit und Unabhängigkeit als Verhandlungsposition zu betrachten und den Sparhebel da anzusetzen, dies wage ich jedoch zu bezweifeln. Die Erkenntnis, dass wir gestern wie morgen für unsere Freiheit einstehen mussten und müssen motiviert mich, auch in Zukunft, sei es in der Armee oder Politik, zu kämpfen. So, wie es Guisan vormachte, mit Wille und Vertrauen.