Wintersport geniessen und Wildtiere schützen

Im Eidgenössischen Jagdbanngebiet (EJBG) Kärpf haben sich Nutzende und Schützende im Rahmen eines schweizweiten Pionierprojekts auf ein gemeinsames Tourennetz geeinigt. Es soll Wildtiere vor Störungen schützen und trotzdem schöne Wintersport-Erlebnisse ermöglichen.



Fürs Jadgbanngebiet Kärpf einigten sich Schützende und Nutzende gemeinsam auf ein Tourennetz, das Wildtiere schützt (• Foto: Urs Nett)
Fürs Jadgbanngebiet Kärpf einigten sich Schützende und Nutzende gemeinsam auf ein Tourennetz, das Wildtiere schützt (• Foto: Urs Nett)

Im Winter sind Wildtiere gegenüber Störungen durch Menschen besonders empfindlich. Deshalb sind in dieser Jahreszeit Konflikte mit Wintersportlern und Wintersportlerinnen vorprogrammiert. In Eidgenössischen Jagdbanngebieten (EJBG) hat der Schutz wildlebender Säugetiere und Vögel Vorrang vor dem Wintersport. Auf bewilligten Routen, die nicht im Widerspruch zu den Schutzzielen des Gebietes stehen, können Touren trotzdem durchgeführt werden.

Alle ins Boot holen

«Breit angelegter Entwicklungsprozess erhöht die Akzeptanz des Tourennetzes.»
Das EJBG Kärpf im Kanton Glarus beherbergt eine Vielzahl von störungsempfindlichen Lebensräumen und Arten. In den letzten Jahren hatte die Abteilung Jagd und Fischerei des Kantons vermehrt Anfragen zur Anpassung des Ski- und Schneeschuhtourennetzes erhalten. Zudem war es ein offenes Geheimnis, dass wiederholt Touren abseits der offiziellen Routen unternommen wurden. Deshalb entschied Glarus Anfang 2018 als erster Kanton in der Schweiz, das Tourennetz in einem breit angelegten Projekt zu bereinigen. «Dazu wollten wir alle mit ins Boot holen: Schneesportlerinnen genauso wie Naturschützer», sagt Christoph Jäggi, Abteilungsleiter Jagd und Fischerei des Kantons Glarus. Mit am Tisch vertreten waren neben Vertreterinnen und Vertretern des Kantons (Wildhut) und der Gemeinde Glarus Süd, Birdlife Glarnerland, Pro Natura Glarus, der WWF Glarus und die Luftseilbahn Kies-Mettmen. Hinzu kamen Mitglieder des Schweizerischen Alpenclubs (SAC) Sektion Tödi und des Glarner Bergführerverbands. Ein solch breit angelegter Entwicklungsprozess erhöhe die Akzeptanz des Tourennetzes, so Christoph Jäggi. «Das trägt mehr zum Schutz der Natur bei als die Androhung von Bussen bei Verstössen.»

Hochschule moderierte, Bundesamt unterstützte

Moderiert und wissenschaftlich begleitet wurde der Entwicklungsprozess von der Zürcher Hochschule für angewandte Wissenschaften (ZHAW). Unterstützung bezüglich Methodik und Messungen leistete auch das Bundesamt für Umwelt (BAFU). In einem ersten Schritt ging es darum, möglichst genaue Daten zu den Lebensräumen der Wildtiere und der Nutzungsintensität durch Wintersportlerinnen und Wintersportler zu erarbeiten. Dazu wurden zum einen die Einschätzungen der Wildhüter und der beteiligten lokalen Expertinnen berücksichtigt. Zum andern kamen verschiedene Messmethoden zum Einsatz. Dazu gehören im Feld angebrachte automatische Kameras, Infrarotzähler und Luftbilder.

«Bei den Einschätzungen der Lebensräume und der Nutzungsintensitäten kamen die Beteiligten zu ähnlichen, statistisch vergleichbaren und somit zuverlässigen Resultaten, die auch von den Messungen bestätigt wurden», sagt Reto Rupf, Professor am Institut für Umwelt und Natürliche Ressourcen der ZHAW und wissenschaftlicher Leiter des Projekts im EJBG Kärpf.

Sensibilisierungskampagne gestartet

Bei der Auswertung der Daten zeigte sich, dass vorab Auerhühner als gefährdete und national prioritäre Tiere in ihren Lebensräumen durch Wintersportlerinnen und Wintersportler stark gestört werden. Dies insbesondere durch das Begehen von inoffiziellen Routen. An den entsprechenden Konfliktstellen wurden neue Lösungen erarbeitet: Einzelne Routen fielen weg, neue kamen hinzu. Das angepasste Tourennetz wird nun von allen Beteiligten positiv bewertet: www.gl.ch/kärpf.

«Wir von der ZHAW haben als Moderierende und wissenschaftliche Begleiter eine objektive Sicht in den Prozess eingebracht», hält Reto Rupf von der ZHAW fest. «Das hat dazu geführt, dass alle ihre anfängliche Skepsis schnell abgelegt haben und nun hinter dem Resultat stehen können.»

«Vorbildlicher Prozess»

Barbara Fierz von Pro Natura Glarus beurteilt den Entwicklungsprozess zum angepassten Tourennetz im EJBG Kärpf als «sehr positiv». Dies vor allem deshalb, weil alle Beteiligten einen Schritt aufeinander zugemacht hätten: «Natürlich gab es auch kontroverse Diskussionen, aber alle haben einander zugehört. Deshalb fanden wir schliesslich auch gute Lösungen.» Nun komme es auf einen konsequenten Vollzug an: «Wer sich abseits der Routen aufhält, muss dafür konsequent belangt werden. Ansonsten bleibt das bereinigte Routennetz ein Papiertiger.»

Auch Marc Autenrieth, Wintertourenchef der SAC Sektion Tödi, spricht von einem «vorbildlichen Prozess», der zu einer breiten Akzeptanz der Resultate geführt habe. Wichtig sei insbesondere gewesen, dass man sich zu Beginn auf gemeinsame Spielregeln geeinigt habe und den Prozess ergebnisoffen angegangen sei. Autenrieth: «Wir haben uns intensiv mit der Methodik und den Grundlagen befasst, ohne zu wissen, was dabei herauskommt. So konnten wir die einzelnen Routen auf einer wissenschaftlich belastbaren Grundlage diskutieren. Das hat wesentlich zur Akzeptanz der Ergebnisse beigetragen.» Dem SAC sei als Bergsportverband eine intakte Gebirgswelt ein Anliegen. «Wir werden daher unsere Mitglieder dazu ermuntern, sich an die neuen Routen zu halten.»