Wir sind Landsgemeinde: Gepfefferte Rechnung fürs Salz

Aus der Geschichte kann man lernen. Der Public Newsroom gl.ch blickt in loser Reihenfolge zurück auf bemerkenswerte Entscheide der Glarner Landsgemeinde. Heute: Wie ein Bauer versuchte, den staatlich festgelegten Salzpreis zu senken.



Wir sind Landsgemeinde: Gepfefferte Rechnung fürs Salz

Ein Landwirt stellte zuhanden der Landsgemeinde 1926 den Antrag, den Preis pro Kilogramm Salz auf 22 Rappen festzusetzen. Der Antragsteller führte zur Begründung an, der Salzpreis sei im Verhältnis zum Einstandspreis zu hoch. Salz bilde ein unentbehrliches Lebensmittel; im Privathandel würde ein Reingewinn von 40 und mehr Prozent nicht als anständig bezeichnet. Diese indirekte Steuer treffe vor allem die Landwirtschaft, die sich im rauen Bergkanton Glarus sowieso nicht in einer rosigen Lage befände. Man habe die direkten Steuern herabgesetzt, so rechtfertige sich auch die Verminderung der indirekten Steuer auf dem Salz. Das Salz sei für das Vieh notwendig, ein zu hoher Salzpreis könne daher unmittelbar für die Gesundheit des Viehes nachteilige Folgen haben.

«Nicht mit dem roten Rappen rechnen»

Der Landrat sah die Sache im Memorial etwas anders: Die Frage des Salzpreises habe die Landsgemeinde früher bedeutend mehr beschäftigt. Vor dem Brand von Glarus (1861) betrug er 20 Rappen, danach schwankte der Preis. Nach Kriegsende 1919 hatte der Landrat einen Preis von 28 Rappen pro Kilo Salz beantragt, die Landsgemeinde erhöhte aber den Preis sogar noch um 2 auf 30 Rappen, «um nicht mit dem roten Rappen rechnen zu müssen.»

Die Einstandskosten, die sich aus dem Ankauf des Salzes und den Verwaltungskosten zusammensetzen, betrugen bis 1916 rund 40 000 Franken, erhöhten sich bis zum Jahre 1921 auf rund 119 000 und fielen zwischen 1922 und 1926 wieder auf rund 80 000 Franken jährlich. Der Preis setzte sich aus dem Ankaufspreis (61%), der Verkaufsprovision für die Salzwägereien (26%) und Fracht und Verwaltungsspesen (13%) zusammen. Der jährliche Salzbedarf lag stets bei etwa 400 Tonnen, da sich die Einwohnerzahl des Kantons Glarus damals kaum veränderte.

Bei zusätzlicher Einrechnung des An- und Verkaufs von Industrie- und Tafelsalz kostete das Kilo Salz 1926 den Kanton Glarus 17 Rappen, was bei einem Endpreis von 30 Rappen einen Gewinn von 13 Rappen pro Kilo bedeutete. Kaufkraftbereinigt hatten sich gemäss Landrat und Regierung weder Preis noch Gewinn seit 1895 gross verändert.

Im Schweizer Mittelfeld

Mit 30 Rappen pro Kilo Salz befand sich Glarus 1926 im Schweizer Mittelfeld. Bemerkenswert waren die Kantone Waadt und Aargau. Obwohl die Waadt über eigene Salinen verfügte, betrug der Salzpreis dort 40 Rappen pro Kilo. Der Aargau hingegen erhielt sein Salz kostenlos geliefert aufgrund von Salzkonzessionen; der Preis von nur 15 Rappen war fast ein Nettoerlös.

Steuereinnahmen werden benötigt

Weil die Erlöse aus dem Salzregal keine Gewinne wie in der Privatwirtschaft, sondern Einnahmen aus einer indirekten Steuer seien, empfahl der Landrat eine Ablehung des Memorialsantrags. Es sei richtig, dass eine Herabsetzung des Preises hauptsächlich dem landwirtschaftlichen Gewerbe und vor allem auch den Zigerfabriken zugutekäme. Doch könnten diese Erwerbszweige diese kleine indirekte Steuer verkraften. Und sie betrage nicht so viel, als dass daraus etwa Gefahren für den Gesundheitszustand des Viehs befürchtet werden müssten, wie der Antragsteller behaupte. Schon im Jahre 1898 hielt der Regierungsrat in einem Bericht an den Landrat fest, dass die Herabsetzung des Salzpreises nie eine Verbilligung der Milch und der Milchprodukte bewirkt hatte. Und die Höhe des Salzpreises hatte keinerlei Einfluss auf die Menge des konsumierten Salzes. 

Zwar wurde der Antragsteller im Landsgemeindering von einem Bürger unterstützt: Die Herabsetzung des Salzpreises komme kinderreichen Familien und dem ganzen Bauernstande zugute. Doch die Landsgemeinde lehnte den Antrag gemäss Protokoll «mit an Einstimmigkeit grenzender Mehrheit» ab.

Und heute?

  • Schweizer Speisesalz ist heute ab 85 Rappen pro Kilo erhältlich. Aber selbst Grossverteiler bieten auch exotische Produkte zu exorbitant höheren Preisen an, wie zum Beispiel spezielle Meersalze (Fleur du sel, 110 Fr./kg) oder auch blaues persisches Salz (139.50 Fr./kg). Den kulinarischen Vogel schiesst ein «Salatmix» ab, von dem 43 Gramm zu 7.90 Franken erhältlich sind; das wären dann gepflegte 183.70 Franken pro Kilo.
  • 1974 wurde das Gesetz betreffend die Festsetzung des Salzpreises, aus dem Jahre 1966 aufgehoben, weil der Kanton Glarus der Interkantonalen Vereinbarung über den Salzverkauf beitrat. Die Kantone übertragen darin die auf die kantonalen Salzregale abgestützten Rechte auf Einfuhr und Verkauf von Salz an die Schweizerischen Rheinsalinen (seit 2014: Schweizer Salinen AG). Eigentümer der Gesellschaft sind die 26 Kantone und das Fürstentum Liechtenstein. Auf das Salz wird eine sog. Regalgebühr erhoben, die regelmässig nach einem Verteilschlüssel den Kantonen ausgerichtet werden. Die Höhe der Regalgebühren und die Festlegung des Verteilschlüssels wird durch den Verwaltungsrat in seiner Funktion als Konkordatsrat festgelegt. Der aktuelle Glarner Vertreter ist der Vorsteher des Departementes Finanzen und Gesundheit.
  • Finanziell profitiert der Kanton Glarus von einem jährlichen Anteil an eidgenössischen Erträgen des Salzregals in der Höhe von rund 6000 Franken.
  • War der Salzpreis früher stark politisch geprägt, so legt der Verwaltungsrat der Salinen AG heute den Salzpreis nach ökonomischen Grundsätzen fest. Dabei spielen die Produktionskosten für die unterschiedlichen Qualitäten die zentrale Rolle. Politisch gewollt bleibt die Tatsache, dass der Salzpreis unbeeinflusst von der Nachfrage konstant bleibt und solidarisch sowie unabhängig von den Transportdistanzen für die ganze Schweiz geliefert ins Silo einheitlich ist. 

    Das Salzregal: Ein Relikt aus dem Mittelalter
  • Das Salzregal an sich wurde 2017 von grünliberaler Seite als «Relikt aus dem Mittelalter» infrage gestellt (St. Galler Tagblatt), von den Salzproduzenten aber vehement verteidigt.
  • Im Kanton Glarus führte dies zu einer  Interpellation, deren Beantwortung aber Salz in politisch-kommunikative Wunden war und zu einer weiteren Interpellation führte, welche «Plagiate bei der Beantwortung von Interpellationen» ortete. Im Regierungsratsbulletin vom 7. Februar 2017 wurde sie wie folgt beantwortet