Zuhanden der Landsgemeinde von 1928 stellten der Verband glarnerischer Gewerbevereine und der kantonale Verkehrsverein den Antrag auf Aufhebung von Paragraf 12 des Gesetzes über den Verkehr mit Motorfahrzeugen und Fahrrädern, welcher im Kanton Glarus vom 1. Mai bis 30. September das Fahren mit Motorfahrzeugen «am Sonntag von 1 bis 6½ Uhr» verbot. Die Landsgemeinde stimmte zu, allerdings wurden neue Höchstgeschwindigkeiten festgesetzt.
Das Sonntagsfahrverbot bestand seit 1912. Eine mit 350 Unterschriften versehene Kollektiveingabe Niederurnen-Schwanden hatte damals beantragt, «der Kanton Glarus sei für den Automobilverkehr zu schliessen.» Ausgenommen von diesem Verbot seien lediglich Militärfahrzeuge, Lastwagen, Feuerwehr, Ärzte und Pendlerbusse, kurz ein «Ausschluss jeglicher sportlicher Verwendung». Den erlaubten Fahrzeugkategorien sollte zudem «die Beseitigung der schädlichen Auspuffgase zur Pflicht gemacht» werden.
Rüpel, Raser, Staub
Zur Begründung des Verbotes wurde 1912 geltend gemacht, dass die ständige Zunahme des Automobilverkehrs die Gefahren für den übrigen Verkehr auf den Landstrassen sowie die Staubbildung erheblich vermehrt habe. Dazu komme die Rücksichtslosigkeit der Fahrer und «deren häufige Widersetzlichkeit und Beschimpfung der amtlichen Organe». Das führe zur Verteuerung des Unterhaltes der gar nicht für diese Verkehrsart konzipierten Strassen und beeinträchtige den soliden, stabilen und gewinnbringenden Fremdenverkehr.
Ein gänzliches Fahrverbot im Kanton hatte beim Souverän allerdings keine Chance. Im 1912 verabschiedeten Gesetz über den Verkehr mit Motorfahrzeugen und Fahrrädern wurde aber immerhin ein Sonntagsfahrverbot von Mai bis September verankert.
Die Glarner waren die letzten
Dieses Sonntagsfahrverbot blieb 16 Jahre lang bestehen und überlebte 1925 einen ersten Aufhebungsantrag. Der Verband glarnerischer Gewerbevereine und der kantonale Verkehrsverein beantragten 1928 erneut seine Aufhebung. Begründet wurde dies im Memorial mit mehreren voneinander unabhängigen Argumenten:
- 1928 gab es nur noch im Kanton Glarus ein solches Verbot, alle anderen Kantone hatten vergleichbare Einschränkungen aufgehoben
- der Automobilverkehr habe drastisch zugenommen (in der Schweiz zwischen 1914 und 1926 von 6331 auf 47 113 Autos, im Kanton Glarus im selben Zeitraum von 24 auf 251)
- Bundesverfassung und Bundesgesetz würden solche Verkehrseinschränkungen sowieso bald aufheben
- Automobilverkehr bedeute Wirtschaftswachstum
- Tagestourismus und Gastgewerbe, z. B. entlang der Klausenroute, profitierten vom Automobilverkehr
Die Umsetzung des Sonntagsfahrverbots bescherte den Behörden ohnehin schon Schwierigkeiten, weil in Linthal und insbesondere am Kerenzerberg der Durchgangsverkehr z. B. von Schwyz nach Graubünden eigentlich hätte aufgehalten werden müssen.
Mit grossem Mehr wurde 1928 das Sonntagsfahrverbot aufgehoben, als einzige Einschränkung blieben an Sonntagen Höchstgeschwindigkeitsvorschriften: Die Fahrgeschwindigkeit von Motorfahrzeugen durfte «an Sonntagen auf offenem Felde 30 Kilometer und in Ortschaften 18 Kilometer nicht überschreiten».
Nach 16 Jahren war Schluss: 1928 wurde das Sonntagsfahrverbot im Glarnerland aufgehoben. Bild: Ausriss aus dem Protokoll von 1928.
Und heute?
Die 1912 monierten Probleme und die 1928 ins Feld geführten Argumente zum Automobilverkehr sind 100 Jahre später im Wesentlichen die gleichen. Während das Automobil als Wirtschaftsfaktor im Kanton Glarus kaum bestritten ist, wird etwa die Bedeutung der Klausenstrasse für Tourismus und Gastbetriebe zunehmend kontrovers diskutiert. Und schon eine nur zweistellige Zahl an Automobilen im Kanton machte einen generellen Makel offensichtlich: «die schädlichen Auspuffgase». Dieses Thema ist vor dem Hintergrund des Dieselskandals oder des Klimawandels genau so aktuell wie vor 100 Jahren.