«Wir wollen nur gute Schulen in Glarus Süd»

Im Herbst wird es in Glarus Süd eine Orientierung zur Schule ab 2011 geben. Projektleiter Martin Staub nimmt im Interview zu bis dann zu lösenden Knackpunkten Stellung.



Mit Martin Staub sprach Claudia Kock Marti (bild: zvg.)
Mit Martin Staub sprach Claudia Kock Marti (bild: zvg.)

«Die Schulen sind in Glarus Süd kein Grund zum Zuziehen», meinte jemand am Zuzüger-Apéro in Schwanden. Sie seien zu klein. Was sagen Sie dazu?

Martin Staub: Im Moment haben wir teils sehr kleine Dorfschulen, die von der Schülerzahl an der Existenzgrenze sind. Es braucht tatsächlich eine minimale Anzahl Lernende, damit man Schule gestalten, Wahl- und Freifächer anbieten und zusätzliche Angebote machen kann. Unsere Schulen sind aber sicher kein Grund zum Nicht-Zuziehen.

Rüti, Betschwanden, Diesbach und Leuggelbach müssen bereits mit leeren Schulhäusern leben.Im Sernftal, in Sool, Schwändi oder Braunwald befürchtet man das gleiche Schicksal.

Martin Staub: Die Angst ist teilweise berechtigt. Wir müssen gut überlegen, ob wir ab 2011 für unser Schulangebot in Glarus Süd die Standorte Schwändi oder Sool noch benötigen. Sool hat ein ganz eigenes Angebot, die Nachfrage wird den Ausschlag geben. Die Kinder von Schwändi könnten problemlos mit dem Kursbus nach Schwanden zur Schule fahren. Dies kann aufgrund eines spezifischen Angebotes aber auch umgekehrt der Fall sein, was wir jetzt prüfen. Unbestritten ist für mich, dass der Tourismus- und Kulturstandort Braunwald ein guter Schulstandort bleiben muss.

Wie lange gibt es die Oberstufe Matt noch?

Martin Staub: Die Oberstufe Matt hat aktuell 50 bis 55 Lernende, damit kann man eine kooperative Oberstufe führen. Ab 2013/2014 werden die Zahlen in den Grenzbereich um 30 sinken. Damit kann man keine Oberstufe führen.

Wie wird entschieden, wo im Sernftal noch eine Primarschule geführt wird?

Martin Staub: Da sind im Moment sehr gute Diskussionen im Gang. Man weiss, dass es Sinn macht, den Kindergarten und die Primarschule für die rund 70 Sernftaler Kinder in Zukunft an einem Standort zu führen. Die Frage, welcher für ein Topangebot optimal ist, wird jetzt geprüft. Das Schöne ist, dass dies nicht von einer künftigen Schulkommission, sondern von der zusammengeschlossenen Schule Sernftal entschieden wird.

Was sagen Sie einer Einwohnerin, die sagt, ohne Schule ist ein Dorf kein richtiges Dorf mehr.

Martin Staub: Die Frage ist, was den Kindern mehr dient. Sollen sie im Dorf in eine Schrumpfschule gehen oder im Nachbardorf der gleichen Gemeinde eine tolle Schule besuchen können?

Stichwort Konkurrenzkampf um Schulen mit Profil. Bringen sich einzelne Schulen bereits in Position, indem sie ein bestimmtes Profil anbieten, siehe Tagesschule Sool mit dem so genannten Enrichment-Konzept oder die neue Tagesschule Linthal?

Martin Staub: Es ist legitim, dass einzelne Schulen versuchen, ihr Angebot zu stärken. Wir gehen davon aus, dass wir ab 2011 unsere Schule in Glarus Süd gemeinsam gestalten. Dabei wollen wir zugleich ein Topangebot für allgemeine wie für spezifische Bedürfnisse zur Verfügung stellen, so wie es sonst nur Privatschulen können.

Geraten weniger aktive Schulen ins Hintertreffen?

Martin Staub: Profil heisst für mich nicht einfach spezielle Dessert-Angebote zu kreieren, sondern im Rahmen des Schulauftrages speziell gut zu sein.

Womit können sich einzelne Schulen innerhalb der gleichen Gemeinde profilieren? Es gibt ja auch eine Arbeitsgruppe mit einem solchen Auftrag.

Martin Staub: Die Arbeitsgruppe definiert den Profilcharakter der Schule von Glarus Süd insgesamt und gibt Hilfestellung für jedes einzelne Schulhaus, welches sich ein spezifisches Qualitätsprofil geben soll. Dabei geht es unter anderem um die Unterrichtsqualität, das Sozialklima in der Schule, den Umgang mit besonderen Bedürfnissen etc. Wenn zuletzt alle Schulstandorte ein hohes, vergleichbares Niveau haben, spielt es für Zuzüger sicher keine Rolle mehr, wohin sie zügeln.

Es sind aber die kleinen Schulen, die sich speziell als musisch oder fördernd abheben wollen.

Martin Staub: Wir können an sechs bis acht Schulstandorten nicht alles und jedes anbieten. Zum Standardangebot können einzelne Schulstandorte im Sinne einer Aufgabenteilung Spezielles anbieten. Es müssen nicht alle spezifische Musik- und Theatergruppen oder Time-out-Angebote führen.

Wie viel freie Schulwahl gibt es, um solche Schulen mit Profil sinnvoll zu nutzen?

Martin Staub: Das diskutieren wir gerade. Es geht nicht wie in der schweizweiten Diskussion darum, zwischen privaten und öffentlichen Angeboten zu wählen, sondern darum in Glarus Süd mit den Erziehungsberechtigten auszuhandeln, wo den Bedürfnissen entsprechend der geeignete Schulstandort für ein Kind ist. Grundsätzlich ist davon auszugehen, dass Kinder das Schulhaus in der Nähe besuchen. Wir wollen keine pauschale, freie Schulwahl, sondern eine beschränkte, reglementierte Schulstandortwahl.

Wie bleibt eine gute Durchmischung, Chancengleichheit und Gleichwertigkeit gewahrt? Wie verhindert man lokale Steckenpferde, die von einzelnen Lehrkräften abhängen?

Martin Staub: Wir wollen keine guten und schlechten, sondern nur gute Schulen.

Wie wird diese gewünschte Qualität erreicht und gesichert?

Martin Staub: Das Empfinden, was gute oder schlechte Schulen sind, ist sehr subjektiv. Es hängt von vielen Faktoren ab. Wir brauchen eine interne Qualitätssicherung durch alle Beteiligten, das heisst durch Lehrpersonen, Eltern und Behörden, aber auch eine externe, eine «Sicht von aussen». Die Schulleitungen werden sich der Qualitätsentwicklung professionell annehmen. Sie müssen auch die eigentliche Kerntätigkeit der Lehrpersonen stützen, indem sie diesen organisatorische und andere Fragen abnehmen.

Kann man sich von Glarus Nord oder Mitte abheben, indem man zum Beispiel eine Basisstufe in Glarus Süd einführt?

Martin Staub: Grundsätzlich müssen alle drei Gemeinden sehr gute Schulen führen.

Glarus Süd ist aber mehr gefordert, sich zu bewegen.

Martin Staub: Ausschlaggebend sind sicher unsere Schülerzahlen. Die Gemeindestrukturreform gibt uns die Chance, gemeinsam qualitativ gute Lösungen für alle Kinder zu finden. Schön ist, wenn es nach 2011 nahtlos weitergeht und keine Lösungen von der künftigen Schulkommission befohlen werden müssen.

Es sind jetzt verschiedene Arbeitsgruppen an der Arbeit (siehe Kasten). Wann und wie werden die Ergebnisse zusammengebracht?

Martin Staub: Die AG zur freien Schulortswahl hat ihren Bericht bereits abgegeben. Die Gruppen Personalfragen (Lehrpersonen, Schulleitungen, Schulsekretariate), Schulstandorte und «zu kleine Schulen» werden bis zur Orientierung im Oktober Konkretes aussagen können. Wir werden in Zukunft etwas weniger Lehrpersonen benötigen. Es wird der Soll-Bestand geprüft. Zugleich ist zu prüfen, wie viel Personal es für die neuen sonderpädagogischen Angebote braucht und welche Schulleitungsstruktur wir wollen. Bei der AG Tagesstrukturen ist Wünschbares von Nötigem zu unterscheiden. Es können nicht alle Schulstandorte solche anbieten, deshalb müssen die Erziehungsberechtigten wählen können. Eine noch zu bildende Gruppe wird sich mit der Frage der Mitwirkung der Erziehungsberechtigten befassen.

Was hat die Bevölkerung zum Ganzen zu sagen?

Martin Staub: Im Grundsatz machen die Arbeitsgruppen Vorschläge zuhanden der Projektleitung, welche dann in die künftige Schulverordnung einfliessen. Ende 2009 oder Anfang 2010 wird über die neue Schulverordnung abgestimmt. Die Zuständigkeiten regeln das Bildungsgesetz, über das an der Landsgemeinde 2009 abgestimmt wird, und die Gemeindeverordnung, über die Mitte 2009 abgestimmt wird. Die wesentlichen Entscheide wird die neue Schulkommission treffen. Je besser und brauchbarer unsere Vorschläge sind, desto eher wird die Schulkommission dann unsere Ideen umsetzen.


*Martin Staub ist Leiter des Teilprojektes «Schulen in Glarus Süd» und Schulleiter an der Oberstufe Schwanden; Claudia Kock Marti ist Kommunikationsbeauftragte der Projektleitung Glarus Süd.

Arbeitsgruppen zu Schulen in Glarus Süd

Glarus Süd. – Um das Thema Schule zu bewältigen, hat Projektleiter Martin Staub Arbeitsgruppen zu folgenden Themen gebildet:

• Chancen und Risiken von «zu kleinen» Schulen: Hier geht es um Konzepte für Schulen, die wegen sinkenden Lernendenzahlen in ihrer Existenz gefährdet sind.

• Freie Schulortswahl innerhalb Glarus Süd/drei Gemeinden: Die Arbeitsgruppe soll ein Konzept für eine beschränkte, klar festgelegte und reglementierte freie Schulortswahl erarbeiten.

• Lehrpersonen/Schulbehörden/Schulleitung: Hier geht es um die Personalfragen und Anstellungsbedingungen sowie um Zuständigkeiten und Aufgaben der verschiedenen Ebenen.

• Schulstandorte. Es geht um die Kriterien für die Wahl der Standorte, Standortvarianten.

• Tagesstrukturen – Blockzeiten, Auffanglektionen, Mittagstisch, Ganztagesstrukturen, Internatsbetrieb. Bedürfnisabklärung. Die Auslastung der bestehenden Angebote ist einzubeziehen.

• Profile unserer Schulen/Schulen mit Profil: Hier geht es unter anderem um die Grundlagen für die Profilangebote einzelner Schulen in Glarus Süd und deren Qualitätsentwicklung.

• Mitwirkung der Erziehungsberechtigten; neue Gruppe, InteressentInnen werden gesucht.

• alternative Nutzung leer stehender Schulhäuser; Gruppe noch offen.