Wo es am schönsten regnet

Was die Kraft der Musik vermag, erlebten die Gäste der „Musikwoche Braunwald“ auf ihrer Exkursion ins Klöntal. Die regenreiche Fahrt von Linthal auf die Schwammhöhe unter einem mit grauen Wolken verhangenen Himmel war nicht gerade aufmunternd für den Genuss von musikalischen Vielfältigkeiten. Doch erstens kommt es anders und zweitens als man denkt!



Mit bekannten Instrumenten und kuriosen Kreationen verführte das Quantett Johannes Kobelt das Publikum zu einem virtuosen Höhenflug von Russland über Europa und bis nach New Orleans. (Bild: rzweifel)
Mit bekannten Instrumenten und kuriosen Kreationen verführte das Quantett Johannes Kobelt das Publikum zu einem virtuosen Höhenflug von Russland über Europa und bis nach New Orleans. (Bild: rzweifel)

Tanzende Löffel

Lüpfige Handorgelmusik lockte die Gästeschar hurtig aus dem Bus hinein in die warme Gaststube „Schwammhöhe“. Kurt Albert aus Linthal und seine Urner-Freunde Markus Imholz und Urs Zehnder liessen die Finger auf ihren Knopf-Handorgeln beschwingt tanzen, begleitet am Kontrabass vom Toggenburger Charli Wäspi, so dass die Stimmung sich im Nu aufhellte. Als ob es noch einer Steigerung bedurfte, griff Lydia Vogel, umtriebige Chefin des Märchenhotels, zusammen mit ihrem langjährigen Freund Craig Fine aus Los Angeles kurzerhand in die Besteckschublade hinter dem Buffet und beide legten mit einer fulminanten „Löffletä“ los. Nun strahlten nicht nur die Gesichter der Gäste auch die der Musiker, jegliche Zurückhaltung war durchbrochen und die Damen forderten die Herren und Herren die Damen zum Tanz auf. Die beschwingt und auf hohem Niveau dargebotene Innerschweizer Volksmusik durch Kurt Albert und seiner Freunde bewog sogar ein paar ältere Damen und Herren, ihre Hüften ganz sanft im Takt zu schwingen.

Wie wenn die Kraft der musikalischen und menschlichen Schwingungen sich hinauf zur Wolkendecke erhöben, verzog sich der Regen ins Irgendwo, durchbrachen die Wolken und Sonnenstrahlen liessen das kräftige Grün der Bäume erglänzen. Eine mystische Stimmung verzauberte Mensch und Natur.

Die Ballade vom jugendstiltelefonglockigen Alpaufzug

Die „schwammhohen“ Schwingungen reichten nicht bis ins Richisau im Hinteren Klöntal, so dass der brasilianische Blaugranit-Koloss von Karl Prantl inmitten des kreisrunden mehrhundertjährigen Bergahorn-Hains nur wenige Gäste anlockte. Doch diejenigen, die sich auf dem sumpfigen Pfad bis zur Skulptur vorwagten, erlebten, dass sintflutartiger Regen auch verborgene Schönheit aufwecken kann: Die Blau- und Grüntöne leuchteten kräftig und die moosbewachsenen Ahornäste spiegelten sich auf der polierten Oberfläche.

Beim Betreten des Gasthauses Richisau erklangen leise Töne wie aus den Felswänden herabsteigende Wellen. Das Quantett Johannes Kobelt brachte ihr „klingendes Instrumenten-Museum“ in die richtige Tonlage. Was nun die Gäste nach einem zigerigen-netzbratigen Essen erwartete, waren komödiantisch unterlegte musikalische „Quantettigkeiten“ auf höchstem Niveau. Ganz dem diesjährigen Thema der Musikwoche „Volksmusik als Quelle der Kunstmusik“ folgend, erlebte das Publikum, wie hochbegabte Musiker dank dem genialen Komponisten Johannes Kobelt jahrhundertealte Volksweisen aus dem russischen, ungarumänischen und dem schweizerischen Kulturkreis in Kunstmusik transformieren. Braucht es Mut oder schlicht einfach nur Genialität, um sich auch an Werke von J.S. Bach zu wagen? Johannes Kobelt machte diesen Schritt mit Respekt und auch der gebührenden Ehrfurcht vor der Grösse der bachschen Musik, wie er auch die Grundthemen des New Orleans-Jazz nicht überzeichnete oder stark verfremdete in seinen Kompositionen.

Ganz unbedarft haben sich in den über vierhundertjährigen Bestand des „klingenden Instrumenten Museums“ zwei jugendliche Telefonglocken hineingeschlichen. Die von Adrian Bodmer zum Erklingen gebrachten Glocken verführten die Zuhörer in die Klangwelt des Kuhglockengeläuts, doch draussen im Ahornhain gab es noch eine ganz überraschende so nicht eingeplante Zuhörerin: ein Kälbchen spitzte die Ohren und untermalte mit leisem Muhen die Ballade vom….(s.o.!) und dies bei strahlendem Sonnenschein. Dass sich die Wolkendecke durch die Schwingungen auch hier an diesem Kraftort verzog, konnte nun ganz „klar“ niemanden mehr überraschen, oder doch?