Wörter, die es nicht auf Hochdeutsch gibt

Als Teil der Corona-Risikogruppe – und dazu gehört der Schreibende, ohne Mitglied dieser losen Vereinigung zu sein – bleibt man zuhause; fast ohne Wenn und Aber. Man orientiert sich um, da die Zahl der frei verfügbaren Stunden markant gewachsen ist und wohl noch ansteigen dürfte. So ist die Zeit gekommen, im Bücherregal vertiefend rumzustöbern, sich den einen oder anderen Titel rauszuholen und mit Lesen zu beginnen.



(zvg)
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Das erste der in loser Folge präsentierten Werke ist Volkskundlichem gewidmet, ist ein klein wenig wissenschaftlich, gibt viel bisher Unbekanntes preis und hat eine gute Portion Unterhaltungswert. Der Titel macht neugierig. Sofia Blind und Nikolaus Heidelbach (Illustrationen) haben sich mithilfe zahlreicher Sachkundiger mit einer ganz besonderen Zusammenstellung von Begriffen befasst. Der Titel lautet «Wörter, die es nicht auf Hochdeutsch gibt». Angefügt ist der Zusatz «Von Anschneuseln bis Zurückdummen». Erschienen ist das Buch im Dumont-Verlag.

Das macht irgendwie neugierig. Was ist damit gemeint? Hat man sich zum Kauf entschlossen und wenig später mit Rumstöbern begonnen, wird rasch ersichtlich, dass bei jedem der präsentierten Begriffe, gründlich nachgeforscht worden ist. Stets sind Herkunft, knappe erste Erklärung und Ausführlicheres angefügt, immer mit passender ganzseitiger Illustration. Aus Thüringen, Baden, Schleswig-Holstein, Westfalen, Wien, Bayern, Hessen, dem Saarland, Bern, der Pfalz, Sachsen und anderen Gegenden stammt die ungewohnte Sammlung. Ausgeklammert ist – so die Autorin im Vorwort – alles, was sich ins Hochdeutsche übertragen lässt. Erwähnt seien buchbezogen Breschtlingsgsälz, Plüschmors, und Chuchichäschtli. Es kommt vieles dazu, was laut Sofia Blind den deutschsprachigen Schimpfwortschatz betrifft. In diese Rubrik gehören Olwernoppel, Klödderbüttl, Nieselpriem, Gifthaferl, Aufpudler und anderes. Es sei erwähnt, dass die Zahl der roten, im PC-Rechtschreibeprogramm eingebundenen roten Wellenlinien in einen Rausch der Verzückung geraten ist.

Und nun beginnt die sprichwörtliche Qual der Auswahl. Was soll erwähnt, was weggelassen werden? Begonnen sei mit der einfacheren Verständnisstufe, also mit «Adabei», dem Menschen, der bei gesellschaftlichen Anlässen stets dabei ist. Weiter geht es mit eher Schwierigerem, dem «Aminaschlupferle», dem kleinen Kind, das gerne kuschelt. Unter «Blomenkieker» ist der Langsamfahrer zu verstehen. Mit «Dramhappert» befindet man sich halbwegs im Traum. Und einer der enorm geschäftig tut, wird mit «Gschaftlhuber» tituliert. «Hundsverlochete» und «Schnäderfrässig» bedürfen keiner weiteren Ausführungen. Unter «Slackermaschü» sind Schlagsahne und andere schwabbelige Dinge zu verstehen. «Tachinieren» heisst, dass man sich von der Arbeit fernhält. Und das «Tröstelbeer» wird anlässlich einer Beerdigung ausgeschenkt.

Mehr sei nicht verraten. Wer den einen oder anderen Ausdruck schon mal vergessen hat, übt sich vielleicht schon ein klein wenig im «Zurückdummen». Schliesslich habe der Hirnforscher Siegfried Lehrl das bestätigt, was Lehrerinnen und Lehrer schon lange vermuten. Drei Wochen Sommerferien reichen aus, um den IQ um zwanzig Prozent zu senken.