«Woyzeck» – Dramenfragment von Georg Büchner in der Aula Glarus

Temporeich, riesig leidenschaftlich, mit hohem Einfühlungsvermögen und enorm kraftvoll gestalteten die Mitglieder des Landestheaters Tübingen die Schicksale des Soldaten Woyzeck, seiner Freundin Marie und weiterer Personen (Hauptmann, Doktor, Tambourmajor, Andres) aus. Das Ensemble gastierte auf Einladung der Kulturgesellschaft Glarus in der Aula unserer Kantonsschule.



«Woyzeck» – Dramenfragment von Georg Büchner in der Aula Glarus

Woyzeck ist arm, befindet sich in einer finanziellen und sozialen Notlage. Das Einkommen ist derart tief, dass es ihm unmöglich ist, sich, seine Freundin Marie und das gemeinsame, uneheliche Kind durchzubringen. Dies führt dazu, dass er weitere Betätigungen annimmt, die ihn an den Rand des psychischen, auch wirtschaftlichen Abgrunds führen, damit heftigste Gefühle wachrufen. Er übernimmt niedrigste Arbeiten, die eigentlich weit unter seinen Fähigkeiten liegen. Er dient seinem Hauptmann, putzt Schuhe, reinigt, was eben so zu reinigen ist, räumt auf, fragt, kommentiert, dies leidenschaftlich, beklemmend weitschweifig.
Er stellt seinen Körper der Wissenschaft für Ernährungsexperiment zur Verfügung, nicht bereitwillig, sondern aus seiner riesigen wirtschaftlichen Notlage heraus. Er befindet sich in einer Umgebung, die nur Verachtung und Geringschätzung für ihn übrig hat, die ihn als willkommenes Objekt braucht und auch missbraucht. Zudem erfährt er irgendwann, dass seine Freundin einen anderen Soldaten getroffen hat, mit ihm unter Umständen sogar eine sexuelle Beziehung unterhält. Das weckt Aggressionen, schürt Hass, nährt die ohnehin grosse Verzweiflung. Es machen sich eine zerstörerische Eifersucht und Rache breit.

Büchner zeigt mit «Woyzeck» eine Fülle von Fakten aus allen Lebensbereichen auf, ist mit seinem Schildern derart aktuell geblieben, dass vieles ins Heute transferiert werden kann.
Macht, Hierarchien, Gewalt, Abhängigkeiten, Unterordnen, Ungerechtigkeiten, Werben um die Gunst der Stunde, Wortgewalt leben in einer Dichtheit auf, die stark betroffen macht.
Woyzeck ist bemitleidenswerter Spielball der Mächtigen, ist einer, der sich wohl zur Wehr setzt, aber nicht das erreicht, was ihm eigentlich zustünde. Es mangelt an Verständnis, Hilfsbereitschaft, Mitmenschlichkeit. Ein Bedauernswerter erleidet Schiffbruch, ist das kleine Nichts im Sog der Mächtigen, Dominierenden.

Die Schauspielerinnen und Schauspieler leben ihren Part, agieren in knappster Kulisse wechselvoll, in behutsam auskomponierter Abgestimmtheit, die kaum einmal ruhige Momente zulässt. Sie wachsen in verschiedenste, von starken Gefühlen geprägte Ereignisse hinein. Das fasziniert, nimmt die Betrachtenden, Hinhörenden mit, weckt rasche Anteilnahmen.

Und es bleiben klare, text- und bewegungsgebundene Aussagen, die wahrer nicht sein könnten, die lange Zeitspannen überdauert und zum Teil leidvolle, bedrohliche Aktualität bewahrt haben.