Ziegen, Alpen, Musik – Martin Lehmann «in concert»

Martin Lehmann ist landauf, landab bekannt, durch seine Liebenswürdigkeit, dem ehrlichen, gradlinigen Handeln und Begründen, seiner grossen Liebe zur Musik, der leidenschaftlichen und gerne gehörten Kunst, sich volksnah auszudrücken. Da gehören Mundharmonika und Gitarre unabdingbar dazu.



Porträt Martin Lehmann (Bilder: zvg)
Porträt Martin Lehmann (Bilder: zvg)

Die Fülle dieses Lebens lässt aufhorchen, bezieht jene mit ein, die gemütlich hinzuhören wissen, sich mittragen lassen und zwischendurch an das denken, was Martin Lehmann mit viel Einsatz lebt. Im Moment ist das eine Vielzahl von Schafen, die zwischen Gleiter und der Alp «Vorderschlatt» hoch oben am Grasen sind und von Martin Lehmann aufmerksam bewacht werden.

Als wir an einem gar regnerischen Tag miteinander telefonisch in Verbindung standen, war er beispielsweise grad auf der Suche nach einem dieser Vierbeiner, der sich irgendwie in gar unwegsamer Gegend aufhielt. Martin Lehmanns Suchaktion gipfelt im kurzen Hinweis, dass er schon mal die Wolle seines Schützlings gefunden habe. Er hütet und begleitet diese Vierbeiner im Auftrage einiger Schafzüchter. Den eigenen landwirtschaftlichen Betrieb im «Grüt» ob Schwanden haben Trix und Martin Lehmann infolge Pensionierung aufgegeben und ihren Wohnsitz nach Sool verlegt. Damit hat er sich mit seiner Gattin Trix von vielem verabschiedet, was ihn hauptberuflich ausgefüllt hat. Da sind Ziegen, der Verkauf eigener Produkte, Alpbetrieb und fordernder Alltag zu erwähnen. Dazu gehört auch der grosse Stall, der eben nicht nur Heim für die Tiere war, sondern auch ein ganz besonderes «Kulturzentrum». Hier sind Theatergruppen aufgetreten, man vernahm Musik, verweilte und genoss. Man staunte auch, wie das alles «Hand in Hand» ging.
Und man fragte sich, wie dieses Miteinander überhaupt begonnen hat und wie es zu Heutigem gekommen ist. 

Wer sich mit ihm auseinandersetzen will, kann das zum Teil im Bildband «Föhnsturm» nachlesen. Martin Lehmann bezeichnet das Buch als «Glarner Mannäbuech». Da ist beispielsweise zu erfahren, wie ausdauernd und neugierig er unterwegs ist, dies zu Fuss, mit dem Töff und anderen Verkehrsmitteln. Da haben seine Hinweise zum Thema «Töffrocker», damit verbunden zu Pop, Rock, Fun, Jazz, Geselligkeit, Ausprobieren unabdingbar Platz. Die Hinwendung zu Musikalischem begann für ihn als er in ganz jungen Jahren Mutters Wiener Zither entdeckte und mit dem Spielen begann, als er sich Kenntnisse in echt «Lehmann`scher» Art aneignete. Er hörte aufmerksam hin, wenn es ums Spiel auf der Zither und dem damit verbundenen Brauchtum ging oder wenn Volkstümliches aufklang. Bereitwillig zeigte ihm seine Mutter ihr Instrument mit den zahlreichen Saiten, mit Walzer- und Polkaklängen. Martin Lehmanns Vater war Lastwagenchauffeur. In der Fahrkabine war ein Autoradio installiert. Oft begleiteten ihn die Kinder auf den verschiedenen Fahrten. Und genau in dieser Zeit hörte man Chet Atkins mit seiner Gitarre in Europa. In Martin Lehmann reifte der feste Entschluss, dieses Instrument zu erlernen. Es wurde ein langer Weg zum Erfolg.

Zuerst befasste er sich mit dem Spiel auf der Blockflöte und den Noten, die es zu entziffern und richtig zu spielen galt. Gitarrenunterricht war angesichts der damaligen finanziellen Verhältnisse nicht möglich. So stand am Anfang von Martin Lehmanns musikalischer Karriere die Mundharmonika. Und er denkt mit einiger Freude an jene Zeitspannen zurück, als er mit dem Pianisten Fix Stüssi – heute in Kanada wirkend und zuweilen in Glarus auftretend – Workshops bei Roland van Straaten besuchte. Dabei blieb es nicht. Er war enorm lernbegierig, war von Musik umgeben, die so anregend war. Und als er dann mit Stilrichtungen aus vielen Teilen der Welt in Kontakt kam, war er nicht mehr zu bremsen. Er lernte, hörte hin, fand sich wieder bei Chet Atkins, Oskar Klein, Stefan Grossmann, Leo Kottke, John Fahey, Hannes Wader, Werner Lämmerhirt Kolbe Illenberger und allen, die er mit dem Begriff «Country-Blueser» zusammenfasst.

Üben, Erfahren, Auftritt

Martin Lehmann lernte, probierte aus, war aufmerksamer Zuhörer. Er wollte diesen Weg allein, mit Selbststudium, angehen. Rasch machte er Fortschritte, investierte Stunde um Stunde. Er fühlte sich so sicher, dass er sogar mit dem Erteilen von Gitarrenstunden begann, kostengünstig, ohne grosse pädagogische Erfahrung und voller Leidenschaft.

Einer der ersten Schüler war Dani Steiner, der innerhalb kürzester Zeit so weit wie der unterrichtende Lehrer war. Da wurde entschieden, gemeinsam zu musizieren, Konzerte anzubieten, Musik zu «erfinden». Und ob man`s glaubt oder nicht, bald wurde das Einstudierte auf Band aufgenommen, mit ganz eigenen Stücken. Das war ein erfrischendes Zusammenfinden von Unbekümmertheit, Talent und gestalterischem Reichtum. Es folgte «Bärägass 13», aufgenommen bei Kurt Müller Klusmann in Näfels mit einem hochprofessionellen Gerät der Marke Studer Revox. Das alles fiel in eine Zeit, in der viele junge Leute musikalisch unterwegs waren. Wenn Martin Lehmann an diese Jahre zurückdenkt, ist das mit dem Bassisten Päddy Schwitter, mit Albert Brida, das Mettlenfest in Engi verbunden. Lehmann trat mit Brida als Duo auf, anerkannt, schwungvoll, gern gehört.

In diese Zeitspanne fällt auch der Aufbau der Land- und Alpwirtschaft mit seiner Lebensgefährtin Trix. Alles hatte nebeneinander Platz. Auch wenn Musikalisches an zweiter Stelle stand, vergessen ging nichts. Irgendwann lernte er den begnadeten Gitarristen Dervis Alagic kennen, schon begann das Zusammenspiel; Martin Lehmann diesmal mit der Mundharmonika. Willi Spichtig war ein guter Freund und Förderer. Gegründet wurde die Gruppe Marwish. In wechselnden Besetzungen (mit Gabriel Schiltknecht am Schlagzeug, mit Sängerinnen und Sängern) wurde aufgetreten.

Er lernte vor rund 16 Jahren Beppe Semeraro an der bluesharp kennen, der suchte Auftrittsmöglichkeiten in der Schweiz. Dann kam Massa Koné aus Mali nach Glarus und es schlossen gemeinsame Auftritte im Heustockkino oberhalb Schwanden an. Dass man sich entschied, gemeinsam Musik zu machen, war naheliegend. Gross ist der Fan-Kreis seither geworden. Und vor beinahe zwei Jahren kam es zum ersten Auftritt mit Annick Langlotz, dies zuweilen mit dem Schlagzeuger Markus Thoma. Und weil das sattsam bekannte Coronavirus grössere Anlässe verunmöglichte, kam es zu Kleinem und Feinem; gemeint sind Strassenmusiken.

Und Martin Lehmann gerät in echte Schwierigkeiten, wenn aufzuzählen ist, wo bedeutsame Auftritte erfolgt sind. Da ist Peking, das Glopenair, das Zusammensein mit Klassemusikern und lieben Freunden. Werner Fischer, Fredy Bühler, David Beglinger, Jean- Louis Heinzer reihen sich da ein. Martin Lehmann hat in Ordnern alles fein säuberlich eingereiht. Es ist viel, ganz viel zusammengekommen.

Grüt, Kultur, Heute

Martin und Trix haben sich gemeinsam viel aufgebaut, als Quereinsteiger einen Ziegenbetrieb. Infolge Pensionierung wurde das per Januar des vergangenen Jahres einer jungen Familie verkauft. Martin Lehmann denkt gerne ans Planen, Säen, Pflegen und Ernten zurück, das war und bleibt für ihn zentral, erfüllend.

Und wenn das Nachdenken über «Kultur im Grüt» beginnt, stellt Martin Lehmann die Kultur der Milch an erste Stelle. Verschiedene Käseprodukte wurden angeboten, an einem Ort, der so voller Leben war. Im 1996/97 erbauten Ziegenstall wurden dank Spotnix – und den Lehmanns – recht regelmässig Filme gezeigt. Das Ensemble des Vereins Hof-Theater war mehrmals zu Gast. Es kamen Stallführungen, sogar eine Buchvernissage mit «Geissbock Charly» von Roger Rhyner und Patrick Mettler und Musikalisches dazu. Es war, darauf ist Martin Lehmann zu Recht stolz, eine erfüllende Gesamtheit, die da gewachsen ist.
Und in diese sind Ragtime, Blues, Countryblues, Fingerstyle-Technik, Bluegrass, Singer/Songwriter, Slide-Gitarren, Swing und Jazz auf verschiedensten akustischen Gitarren eingebettet.
Daniel Steiner und Fix Stüssi haben für Martin Lehmann im musikalischen und zwischenmenschlichen Bereich einen enorm hohen, über viele Jahre gewachsenen Stellenwert. Viel Forderndes galt es anzupacken.

Und er ist – auch nach erfolgter Pensionierung – unterwegs, suchend, hinterfragend, erprobend, immer bereit, sich mit Neuem, noch Unbekanntem zu befassen. Die vorhandene Vielfalt an Medien ist gross genug, gewährt raschen Zugang, macht das Aufsuchen des Plattengeschäfts nicht erforderlich. Und Martin Lehmanns damit verbundene Aufzählen ist einer sprudelnden Quelle nicht unähnlich. Er erwähnt den Zugang zu russischen Gitarristen, brasilianischen Mundharmonikaspielern, Obertongesang aus der Mongolei, Wassermusik aus Vanuatu, die afrikanische Kultur, Das wirkt sich aufs erarbeitete Repertoire, auf die Verfeinerung der Spieltechniken und anderes gewiss aus. Dieses Unterwegs-Sein ist für ihn bedeutsam, notwendig.  

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