Zu Besuch in Fridolin Walchers Bilderlager

Gletscher, Klima, Ställe, Schwefel – Fotos die bewegen. Die Anreise zum Bilderlager von Fridolin Walcher erfolgt problemlos, hat gewiss Vorfreude und Interesse ausgelöst. Bald ist man bei der unweit des Bahnhofs Linthal gelegenen stillgelegten und in kreativer Art umgenutzten Textilfabrik angelangt. Der Weg zu Fridolin Walchers Schaffen und Präsentieren ist schnell gefunden.



Bali Lempuyang Bergregenwald in der Regenzeit Platinum Palladium
Bali Lempuyang Bergregenwald in der Regenzeit Platinum Palladium

Dann sind Verweilen, Hinschauen, Staunen und Stirnerunzeln angesagt. Was sich an Vertrautem, Exotischem, zuweilen Unbegreiflichem offenbart, wird nicht zuletzt dank Fridolin Walchers Ausführen zu Bildinhalten, die je nach Thema verschiedenste Gefühle auslösen. Aus der riesigen Fülle seien vier Regionen mit verschiedensten Bezügen ausgewählt.

Grönland – Glarus ist mit Dokumentieren, Kunst, Klima und Wissenschaft verbunden, ist eine Zeitreise, zu der Fridolin Walcher und Martin Stützle im Jahre 2018 mit bedeutenden Wissenschaftern, unter ihnen die Klimaforscher Thomas Stocker, Konrad Steffen sowie der Botschafter Benedikt Wechsler eingeladen waren. Für den bekannten Fotografen Walcher setzte sich ein Erkennen fort, das mit Aufenthalten und Beobachtungen am Bifertengletscher seinen Anfang genommen hatte. Er hat das – über Jahrzehnte hinweg – deutlich dokumentiert. Einst erkletterte er die ihm liebgewordene, alpinistisch einiges abverlangende Bergriesen mit jugendlicher Leichtigkeit, stets beeindruckt von Macht, Wucht, erhabener Stille. Klimaänderungen brachten es mit sich, dass vieles anders wurde, dass sich Gletscher zurückbildeten, Firne Steinwüsten Platz machten, dass man von Toteis, drohenden Überschwemmungen von tiefliegenden Siedlungsgebieten in Bangladesch, Indien und im Südpazifik und anderswo zu reden begann, dass man mit Schrecken feststellte, wie dramatisch das alles war und wohl auch bleiben wird, wenn nicht endlich geeignete Massnahmen getroffen werden. Fridolin Walcher (Jg. 1951) hat den Zerfall des glarnerischen Gletschers mit einer 26 Bilder umfassenden Arbeit dokumentiert, deutlich und verstörend dramatisch. Und in Grönland geht das viermal schneller weiter, viel rasanter als bei uns; derart, dass einer der mitgereisten Wissenschafter von 50 Millionen «Klimaflüchtlingen» in den nächsten 30 Jahren sprach, von Menschen, die sich anderswo ansiedeln müssen, weil ihr Lebensraum überflutet wird. Im Bildband «Grönland – Glarus, The Glacier`s Essence» wird irgendwo die provokative, inhaltlich durchaus verständliche Aussage gemacht: «Der Eisschild auf Grönland schmilzt dahin – wird Grönland nun wieder grün wie vor Millionen Jahren, mit Almen an der Küste?» Das Eis hat zu sprechen begonnen. Seit der Industrialisierung hat sich Ungewöhnliches, nie Dagewesenes, möglicherweise Gefährliches ergeben.

Für Walcher war es eine beeindruckende, wuchtige Welt. Er war mit Inuits alleine unterwegs, auf Jagd, beim Fischfang, beim kurzzeitigen Verweilen auf einem der im offenen Meer schwimmenden Eisberge.  

Die Schwefelträger in Indonesien

Fridolin Walcher weilte im Jahre 2015 während vier Monaten in Indonesien, er hat Verstörendes nach Hause gebracht. Aus Vulkankratern holen Arbeiter, die als Folge ihrer gefährlichen, die Gesundheit total ruinierenden Arbeit kaum einmal älter als 40 Jahre werden – den von der Industrie begehrten Schwefel. Sie schleppen 75 bis 95 Kilos in Körben über weite Distanzen, liefern ihn ab, steigen wieder hoch. Zweimal pro Tag sei es diesen Leuten aus körperlichen und Umweltgründen möglich, die jeweilige Strecke zurückzulegen, ungeschützt und den zerstörerischen Dämpfen ausgesetzt. Eine taugliche Schutzausrüstung fehle. Der Weg führe auf 2700 Meter, dann folge der Einstieg in den Krater. Der Tagesverdienst richtet sich nach den abgelieferten Kilos. Von Arbeitsverträgen spricht niemand. Die Arbeitenden sind in keiner Weise geschützt.

Die Sache mit den Tempeln und Affen

Ein ganz anderes Begegnen ergab sich für den Weitgereisten, der auch als Folge verschiedenster Projekte und als Folge der jeweiligen Einladung unterwegs ist, auf Bali.
Der meistbesuchte Tempel liegt im tropischen Regenwald. Die Gläubigen unternehmen an diesen für sie sehr bedeutsamen Ort Wallfahrten. Bis zum Haupttempel seien es, so Fridolin Walcher, exakt 1200 Treppenstufen, die es zu bewältigen gilt. Die Opfergaben werden an verschiedenen Orten hingelegt, mitgeführt werden sie in Körben auf den Köpfen der Pilger. Nun haben es sich findige, leicht aufdringliche und mehr oder weniger hungrige Affen zum Ziel gesetzt, das für sie willkommene Essen aus den Körben rauszuholen und zu verspeisen. Konflikte ergeben sich nicht, die Affen sind Teile des Glaubens, der die Pilger umgibt. Sie sind in die Gesamtheit des hinduistischen Glaubens eingebettet. Am Ende des Pilgerwegs, dessen Begehen gut und gerne vier Stunden in Anspruch nimmt, tropft aus Bambuspflanzen heiliges Wasser, das mitgenommen wird.

Komme nun aber ein Weisser ohne Opfergaben, nur mit Rucksäcklein und Kamera, so Fridolin Walcher, sei das für die Affen nicht eben verständlich. In einem solchen Falle seien sie recht gereizt und aggressiv. Da sei man gut beraten sich einem einheimischen Führer anzuvertrauen und einen Stock mitzunehmen. Und von diesem Weg durch den urtümlichen, optisch reizvollen Wald sind während der Regenzeit fotografische Dokumente entstanden, die eine bezaubernde Fülle an Pflanzen und Lichtspielereien zum Inhalt haben.

Stall oder Ferienhaus?

Fridolin Walcher will mit seinem Schaffen aufmerksam machen, aufrütteln, mahnen, Erinnerungen wecken, Vergangenes hervorholen. Die Fotos mit heute verlassenen, nicht mehr genutzten Ställen gehören dazu. Sie sollen nicht in jedem Falle als Ferienhaus umgenutzt werden. In solchen Fällen setzt er sich mit Zonenplanung, Landschaftsschutz und Erhalt von Ursprünglichem dezidiert auseinander, steuert mit seinem Dokumentieren Diskussions- und Entscheidungsgrundlagen bei. Der freistehende Stall als Ort für Ferienhausbesitzer? Er gehört zu den deutlichen Skeptikern. Und in seinem tiefsten Innern – es sei gerne angemerkt – kommen wieder jene Zeiten auf, während denen er als Bauerngehilfe im Stall tätig war und so viele Arbeiten gewissenhaft und mit innerer Ruhe auszuführen wusste. Ställe sind Plätze zum Innehalten. Sie gehören unabdingbar zu unserer gebirgigen Landschaft, prägen ein seit Jahrhunderten bestehendes Bild – auch wenn viele nicht mehr gebraucht, genutzt werden. In einem mehrseitigen, kraftvoll und doch behutsam aufgebauten Dokument mit dem Titel «stalled in glarus süd; 5/2014 – 4/2017» kommt Fridolin Walcher ins Sinnieren: «Doch wohin wird sich die Stalllandschaft entwickeln? Zu denken ist in vier Szenarien:

  • Der Metro – Alpinraum
  • Der alpine Park
  • Die alpine Existenz
  • Der alpine Sterberaum

Mit Wortspielereien wie «Stalldrang», «Stallwärme», «Stallgeruch» setzt er sich mit seinen «Kapellen des Alltags» bildlich und sprachbezogen auseinander. Er mahnt in sanfter, willkommener Art.
Und will man sich vertiefender informieren, ist unter www.fridolinwalcher.ch einiges in Erfahrung zu bringen. Im Bilderlager sind nach vorheriger Anmeldung alle gleichermassen herzlich willkommen.