Zukunft der Alpwirtschaft auch bei Präsenz von Grossraubtieren sichern

Regierungskonferenz der Gebirgskantone • Im Hinblick auf die Umsetzung des neuen Jagdgesetzes, das am 1. Dezember 2023 in Kraft tritt, präsentiert die Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK) ein neues Konzept für die Bewirtschaftung von Schaf- und Ziegenalpen. Dieses zielt darauf ab, dass sämtliche Alpen weiterhin bewirtschaftet, finanziell unterstützt und umfassend beraten werden. Alpen sollen auch angesichts der Präsenz von Grossraubtiere eine gesicherte Zukunft haben.



Aufgrund der vermuteten oder tatsächlichen Präsenz von Grossraubtieren sollen Alpbewirtschafter selber die Risiken abschätzen und entscheiden, welche Massnahmen sie umsetzen oder nicht • (Foto: iStock)
Aufgrund der vermuteten oder tatsächlichen Präsenz von Grossraubtieren sollen Alpbewirtschafter selber die Risiken abschätzen und entscheiden, welche Massnahmen sie umsetzen oder nicht • (Foto: iStock)

Gemäss neuem Jagdgesetz legt der Bund mit den Kantonen die Grundsätze der Herdenschutzmassnahmen fest. Zentral ist dabei die Frage, welche Anforderungen an den Herdenschutz gestellt werden (Frage der Zumutbarkeit). Je nach Höhe und Anzahl der Anforderungen besteht die Gefahr, dass Alpen aufgegeben werden müssen, weil die Schaf- und Ziegenhalter/-innen sowie die Alpbewirtschafter/-innen nicht mehr in der Lage sind, diese Anforderungen zu erfüllen. Um dies zu verhindern, hat die RKGK ein neues Konzept für die Bewirtschaftung von Schaf- und Ziegenalpen erarbeitet. Dieses versteht sich als proaktiver Beitrag zur Umsetzung des am 1. Dezember 2023 in Kraft tretenden Jagdgesetzes.

Hohe Eigenverantwortung der Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter

Auch künftig sollen alle Schaf- und Ziegenalpen bewirtschaftet werden und Direktzahlungen erhalten können. Dies unter Wahrung des Tierschutzes. Für diesen sind die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter verantwortlich. Entsprechend sollen sie aufgrund der vermuteten oder tatsächlichen Präsenz von Grossraubtieren selber die Risiken abschätzen und entscheiden, welche Massnahmen sie umsetzen oder nicht. Daher ist es auch verständlich und nachvollziehbar, dass Alpen Herdenschutzmassnahmen erst umsetzen, wenn es nötig wird. Bei den von den Bewirtschafterinnen und Bewirtschaftern nach ihren Präferenzen gewählten Herdenschutzmassnahmen können Konflikte mit bestehenden rechtlichen Grundlagen der Direktzahlungen entstehen. Deshalb sollen die entsprechenden Regelungen angepasst werden.

Umfassende Beratung steht im Zentrum

Zentral ist, dass die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter bei dieser Risikoabschätzung unterstützt werden. Im Vordergrund steht eine umfassende landwirtschaftliche Beratung. Diese dient dazu, individuelle Lösungen für die jeweilige Alp zu definieren. Damit wird gewährleistet, dass alpspezifisch zwischen zumutbaren und nicht zumutbaren Schutzmassnahmen unterschieden wird. Eine umfassende Beratung geht aber noch weiter. Sie bezieht auch Fragen zur Strategie der zukünftigen Alpbewirtschaftung inkl. möglicher Formen der Zusammenarbeit, zu den gesömmerten Tierkategorien und zur Wahl der angemessenen Herdenschutzmassnahmen mit ein. Eine umfassende Beratung bildet somit die Voraussetzung für nachhaltige Veränderungen auf den Alpen. Eine im Jahr 2023 veröffentlichte Studie im Kanton Graubünden zeigt, dass die Tiereigentümer und Alpbewirtschafter sich den zukünftigen Herausforderungen stellen wollen. Sie wollen ihre Alpen weiter bewirtschaften und sind auch bereit, Anpassungen für betriebliche Massnahmen vorzunehmen und Herdenschutzmassnahmen umzusetzen. Falls ein gestützt auf die umfassende Beratung erstelltes Herdenschutzkonzept nach bestem Wissen und Gewissen umgesetzt wird, haben die Bewirtschafterinnen und Bewirtschafter ihre Sorgfaltspflicht erfüllt.

Notfallkonzept als Mindestanforderung und neue Herdenschutzmassnahmen zulassen

Als Mindestanforderung zum Schutz ihrer Tiere vor Wolfsrissen haben sie ein Notfallkonzept zu erstellen respektive Notfallmassnahmen zu planen und bei Bedarf umzusetzen. Dies gilt für alle Alpen. Laut dem präsentierten Konzept sollen auch neue Herdenschutzmassnahmen zugelassen werden. Als Alternative zu den Herdenschutzhunden und den Herdenschutzzäunen soll auch die «Ständige Behirtung mit geschützten Übernachtungsplätzen / geschützten Schlechtwetterweiden» als Herdenschutzmassnahme eingeführt werden. Herdenschutzhunde können wegen ihres Konfliktpotenzials nämlich nicht überall eingesetzt werden und Herdenschutzzäune können wegen der Topografie oftmals nicht zum Einsatz kommen. Zudem kann es bei einem ausschliesslichen Einsatz von Herdenschutzzäunen (insbesondere Kunststoffweidenetze) vermehrt zu Konflikten mit wildlebenden Tieren kommen. Mit der ständigen Behirtung mit geschützter Übernachtungsweide / Schlechtwetterweide können mehr Alpen und damit auch mehr Nutztiere zumutbar geschützt werden.

Das vom Büro Alpe GmbH im Auftrag der Regierungskonferenz der Gebirgskantone erstellte neue Konzept ist abrufbar unter: Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK)

Kurz-Porträt der Regierungskonferenz der Gebirgskantone

Die Regierungskonferenz der Gebirgskantone (RKGK) ist im Jahre 1981 gegründet worden. Heute gehören ihr die Regierungen der Kantone Uri, Obwalden, Nidwalden, Glarus, Appenzell Innerrhoden, Graubünden, Tessin und Wallis an. Anfänglich beschränkte sich der Zweck der RKGK auf die Koordination von Fragen im Zusammenhang mit der Wasserkraftnutzung. Inzwischen ist der Zweck der RKGK ausgeweitet worden. Heute strebt sie die gemeinsame Vertretung aller gebirgsspezifischer Anliegen und Interessen im In- und Ausland an. Hierzu gehören insbesondere die Themen Raumordnung/Tourismus, Energie, Finanzen, Verkehr und Aussenpolitik (Zusammenarbeit mit den grenznahen Alpenregionen). Die Fläche der acht in der RKGK zusammengeschlossenen Kantone entspricht einem Anteil von 43,3% an der Gesamtfläche der Schweiz. In den RKGK-Kantonen leben rund 1,1 Million Personen oder 13% der Schweizer Bevölkerung. Die durchschnittliche Bevölkerungsdichte im Perimeter der RKGK beträgt rund 84 Personen pro Quadratkilometer (Schweiz: 215 Personen/km2).

Mehr unter: www.gebirgskantone.ch