«Zwischensaft» – Joachim Rittmeyers bezaubernder Auftritt

Mit der Einladung von Joachim Rittmeyer ist der Gemeindestube etwas gelungen, das bezüglich Kompaktheit wahren Seltenheitswert geniesst und gerade deshalb ungemein willkommen ist. Rittmeyer, seit 1974 auf Theaterbühnen anzutreffen, ist ein Vertreter der leisen Töne, auch der Zwischentöne.



wie viel die neue? Zugaben und Handörgelchen – problemlos zum Nachahmen des hechelnden Hundes einsetzbar.
wie viel die neue? Zugaben und Handörgelchen – problemlos zum Nachahmen des hechelnden Hundes einsetzbar.

Er ist ein Wortakrobat der Spitzenklasse, wechselt mit unglaublicher Rasanz von einem Event zum andern, lässt sich zuweilen auch Zeit, im unnachahmlichen Genuss des Moments verharrend. Er tritt als kauziger, verschmitzter Senior im Altersheim auf, doziert über Hochphysikalisches wie ganz leere und neue Batterien, erforscht mit schlagfertiger Argumentation die Speichelhaftfähigkeit an heraushängenden Zungen, hat irre Probleme in der Autowaschanlage zu bewältigen, zeigt auf, was unter «Fremdfüllen» zu verstehen ist und wie man es praktiziert, kommt aus der Szene mit slawischem Touch, fordert von seinen Kumpels Unterstützung an – ganz dringend benötigt er einen Notfallhammer aus einem Bus – geht querbeet durch alle Events, die in der Szene passieren können, kauderwelscht im Mix aus Halbenglisch, Deutsch und anderem in unglaublichem Tempo, muss die eigene Mutter irgendwie von seinem nahenden Eintrittstest abhalten, agiert als schüchterner Hanspeter Brauchle ohne grosse Bühnenerfahrung. Die Dichtheit der hurtig aufeinander folgenden Sequenzen führt zu einem ungemein hochstehenden Unterhaltungswert, fern jeglicher Plattitüden, Blossstellungen, billigen Blödeleien oder Schenkelklopf-Brüllern. Zuweilen überfordert er die Hinschauenden, in der überbordenden Fülle geht man beinahe unter. Mit trockenen Statements, wortakrobatischen Fügungen, Situationskomik der gehobenen Klasse zieht Rittmeyer alle in seinen Bann. Er stellt das eine und andere genüsslich fest, spinnt Wortgebilde weiter, dreht und wendet sie, fügt sie in neue Momente, spinnt irgend etwas vor sich hin, mimt den Zerstreuten, den absoluten Biofreak, freut sich auf den Moment, wo er beim Fremdfüllen seinen geliebten Pruntruter Weichkäse platzieren kann. Er sucht ungeschwefelte Aprikosen, die sich ebenfalls gut «umparkieren» lassen, warnt nachhaltig, das mit Crispies zu versuchen – das knistere grausam. Werde zu viel fremdgefüllt, entstünden dann Probleme, wenn man die Einkaufswagen verwechsle, sie einen Moment stehen lasse. Rittmeyer ist so liebenswürdig karikierend, erst Schlüsse ziehend, nachdem gut beobachtet und nachgedacht worden ist. Irgendwann endet jeder Einkauf. Da ein kleiner Transistor mit einer neuen Batterie ausgerüstet werden muss, kann ohne Weiteres über die eigene Lieblingsmusik, den schlechten Empfang im Raum, Senderwahl, Inhalte der aktuellsten News, störende, die Empfangsqualität beeinträchtigende Gerätschaften, Verständnisproblematik drauflosfabuliert werden. Könnte es beispielsweise sein, dass der Ausdruck «mehrheitsfähig» mit heizen zu tun hat, könnten installierte Drohnenflug-, Duft-, Steisslagen- und andere Melder die Hörqualität negativ beeinflussen, kann mit einem Klappmeter ein hoch an der Decke befestigter Melder ausgeschaltet werden? Den Klappmeter setzt Rittmeyer flugs als Königskrone, Sarkophag, Schiff und Spinnenglas ein, verspielt, witzig, liebenswürdig. Nachdem das Batterieexperiment abgeschlossen ist, widmet er sich dem zweiten Vorhaben – dem Feststellen der Speichelhaftkraft an heraushängenden Zungen. Zu diesem Zweck werden Haken an den Zungen angebracht, daran kämen gleich schwere Gewichte zu hängen, nur sind die nicht auffindbar. Die nun einsetzende Odyssee zum Auftreiben der Gewichte ist ungemein vergnüglich. Irgendwann einmal hängen die eigenen Schuhe, an deren Sohlen Aufkleber sichtbar werden – was wiederum zur Episode mit dem kaum entfernbaren Kleber an der Porzellantasse und der angeforderten Hilfe durchs Verkaufspersonal führt, zum bevorstehenden Riesen-Eintrittsevent mit eben jener Speichelhaftqualität zurückkehren lässt, mit Einbezug des Handörgelchens aufzeigt, dass das Hecheln eines Hundes nachgeahmt werden kann – es geht einfach zu wie in einem riesigen Ideen-Warenladen. Weshalb Rittmeyer irgendwann auch noch in einem Altersheim landet, Besuch von Ramon – aus der Familie der ehemaligen Mitbewohner – erhält, übers Jassen, die fehlende Batterie im Hörgerät und deren Verwendung im Game des Ramon, die weibliche Seniorenschönheit nach dem Entfernen der Perücke Überlegungen anstellt, ist wohl dem «Zwischensaft» zuzuschreiben. Und langsam gelangen die Gedanken wieder an den Beginn des Auftritts, dorthin, wo das Auto ohne Benzin nur noch ruckelt, wo man noch in der vermaledeiten Waschanlage landete, die Bedienungsknöpfe verrückt spielten, sich die Motorhaube öffnete, jemand im Wageninnern, aus welchen Gründen auch immer, schaurig nass wurde. Man gelangt zum letzten Event, die Lichter auf der Bühne erlöschen, der Beifall kommt auf, die Zugaben sind heiss geforderte, nochmalige Begegnungen. Rittmeyer erfüllt alles bereitwillig.