Ablehnung des Memorialsantrags zur Finanzierung des Hochwasserschutzes beantragt

Der Regierungsrat beantragt dem Landrat, der Landsgemeinde die Ablehnung des Memorialsantrags der Gemeinderäte Glarus und Glarus Nord «Ergänzung des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches; Finanzierung Hochwasserschutz» zu empfehlen.



Aus den Verhandlungen des Regierungsrates. (Bild: e.huber)
Aus den Verhandlungen des Regierungsrates. (Bild: e.huber)

Ausgangslage

Ein Memorialsantrag der Gemeinderäte von Glarus und von Glarus Nord vom August 2016 fordert die Ergänzung von Artikel 200 des Gesetzes über die Einführung des Schweizerischen Zivilgesetzbuches im Kanton Glarus (EG ZGB) mit zwei neuen Absätzen 4 und 5. Mit den beantragten Ergänzungen wollen die Antragsteller die Rechtsgrundlagen dafür schaffen, dass die Gemeinden unter bestimmten Voraussetzungen auf die Beteiligung der betroffenen Grundeigentümer an den Kosten des Hochwasserschutzes verzichten können (Abs. 4). Bach- und Wuhrkorporationen sollen zudem künftig durch die Gemeinden finanziell unterstützt werden können. Alternativ soll es auch möglich sein, dass die Gemeinden von den Korporationen einzelne Aufgaben übernehmen (Abs. 5). Am Konzept des geltenden Rechts, wonach grundsätzlich die betroffenen Grundeigentümer die Kosten von Hochwasserschutzmassnahmen tragen müssen, soll jedoch festgehalten werden. Die vorgeschlagenen Ausnahmen sollen es allerdings erlauben, dringend anstehende Hochwasserschutzprojekte zeitnah zu realisieren. Der Landrat erklärte den Antrag im November 2016 für rechtlich zulässig und erheblich.

Zuletzt änderte die Landsgemeinde Artikel 200 EG ZGB 2014. Mit einem Memorialsantrag wollte die Gemeinde Glarus Süd damals den Gemeinden ein zusätzliches Instrument zur Finanzierung von Hochwasserschutzmassnahmen zur Verfügung stellen. Zwar konnten diese bereits zuvor Wuhraufgaben übernehmen, doch sollten sie neu Beiträge von den dadurch entlasteten Eigentümern erheben können. Zuvor hatten sie diese Lasten vollumfänglich aus den allgemeinen Steuermitteln bestritten. In Absprache mit den Antragstellern wurde der Landsgemeinde ein Gegenvorschlag unterbreitet, welcher die Gemeinden verpflichtete, von den entlasteten Eigentümern Beiträge zu erheben. Die Gemeinden sollten solche Aufgaben also nicht allein über die allgemeinen Steuermittel finanzieren müssen. Dies hätte eine Zusatzbelastung der Gemeinden in unbekannter Höhe bedeutet. Der Ansatz, diese Aufgaben zu verstaatlichen, wurde verworfen. Für die Betroffenen sollte es jedoch keinen wesentlichen Unterschied bedeuten, ob sie einer funktionierenden Korporation angehören oder ob die Gemeinde die Aufgabe zu ihrer Entlastung übernimmt.

Stellungnahme des Regierungsrates

Der Memorialsantrag von 2016 wurde umfassend geprüft. Der Regierungsrat kommt zu folgenden Schlüssen:

Regelung im EG ZGB führt nicht zu Verzögerungen – Die bestehende Regelung von Artikel 200 Absatz 3 EG ZGB führt zu keinen Verzögerungen und langwierigen Rechtsschutzverfahren, welche dringend anstehende Projekte blockieren könnten. Die Antragsteller haben die an der Landsgemeinde 2014 beschlossene Gesetzesergänzung noch nicht mit der Schaffung einer generell-abstrakten Regelung umgesetzt. Im Unterschied zu ihnen hat die Gemeinde Glarus Süd dies bereits realisiert. Dabei sind weder Umsetzungsprobleme noch irgendwelche Rechtsschutzverfahren bekannt geworden. Auch werden dort keine Projekte blockiert.

Eine Umsetzung ist mit vertretbarem Aufwand möglich – Die Situation ist – entgegen der Meinung der Antragsteller – nicht verfahren. Die Rechtsordnung verlangt von den Gemeinden, welche sich im Hochwasserschutz betätigen wollen, zwar einen gewissen Aufwand. Dieser fällt unter Umständen bescheidener aus als bei Korporationen, weil die Gemeinden das Gefahrenmoment nicht zwingend beachten müssen. Es steht ihnen jedoch frei dies zu tun. Viele andere Aufgaben in den Gemeinden beispielsweise im Umweltschutz, bei der Kehrichtentsorgung oder bei der Energieversorgung werden mit Gebühren finanziert. Diese Rechnungen sind Verfügungen, welche ausnahmslos angefochten werden können. Die Vielzahl solch rechtsmittelfähiger Veranlagungen und Verfügungen hat nie ernsthaft dazu geführt, einen Verzicht in Erwägung zu ziehen. Die jetzigen Grundlagen im EG ZGB, umgesetzt mit einem Vollzugserlass der Gemeinden, lassen eine Umsetzung mit vertretbarem Aufwand zu, wie dies die Gemeinde Glarus Süd zeigt. Gerade das angerufene Projekt Hochwasserschutz Linth gab Anlass zu klären, wie sich mit vertretbarem Aufwand angemessene Grundeigentümerbeiträge erheben lassen. Ein interner Bericht bestätigt die Machbarkeit auch in Bezug auf dieses Grossprojekt und beschreibt die Vorgehensweise im Detail.

Kein Systemwechsel zum jetzigen Zeitpunkt – Es steht ausser Frage, dass sich eine Gemeinde massgebend an den Kosten von Hochwasserschutzmassnahmen beteiligen darf. Ebenso klar ist, dass solche Lasten einen sehr kleinen Kreis von Pflichtigen treffen könnten, was deren Möglichkeiten übersteigen würde. Solche und ähnliche Szenarien rechtfertigen es, dass die Entlasteten nach Massgabe von Artikel 200 Absatz 3 EG ZGB (nur) «angemessene» Beiträge zu leisten haben. Sie rechtfertigen es hingegen nicht, auf ein Veranlagungsverfahren grundsätzlich zu verzichten. Dies würde mit dem Grundsatz brechen, wonach solche Lasten durch die Gefährdeten und die Standortgemeinde zu tragen sind (Art. 189 u. 198 EG ZGB), und wäre ein Eingriff in ein austariertes Wertesystem. Denn heute besteht der Grundsatz, dass der durch Hochwasserschutzmassnahmen entstehende individuelle Nutzen des Grundeigentümers dessen Beitrag an die Massnahmen beeinflusst. Ein Systemwechsel solcher Tragweite ist nicht im Rahmen einer als übergangsrechtlich bezeichneten Gesetzesergänzung zu vollziehen. Nachdem bereits mit Artikel 200 Absatz 3 EG ZGB an der Landsgemeinde 2014 eine Übergangsregelung geschaffen wurde, um stossende Ungleichbehandlungen zu beseitigen, und das erwähnte Gesetzgebungsprojekt Bestandteil der Legislaturplanung ist, bedarf es offensichtlich keiner weiteren Übergangslösung. Dies umso weniger, als sich die vorgeschlagene Ergänzung nicht wie behauptet am geltenden Recht orientiert, sondern dieses verwässern und aushebeln will.

Fazit


Die eingehende Prüfung zeigt nicht nur keine Notwendigkeit einer erneuten Gesetzesänderung, sondern in mehrfacher Weise eine Unvereinbarkeit mit dem geltenden Korporationsmodell. Der mit dem vorliegenden Memorialsantrag beantragte, ausgearbeitete Entwurf würde die heutige Regelung zur Finanzierung des Hochwasserschutzes nicht nur (mit mehreren Varianten) ergänzen, sondern das ganze Korporationswesen im Bereich Hochwasserschutz auf den Kopf stellen. Die beantragte Regelung würde über kurz oder lang dazu führen, dass die Gemeinden wohl die Aufgaben der meisten Bach- und Runsenkorporationen übernehmen müssten und sich mit einer Fülle von Übernahmegesuchen konfrontiert sähen. Anders als durch ausnahmslose Übernahme sämtlicher Wuhraufgaben, unter Verzicht auf die Erhebung von Grundeigentümerbeiträgen, lassen sich die beantragten Regelungen nur schwer rechtsgleich anwenden. Die vollständige Übernahme des Hoch­wasserschutzes inkl. des ganzen Wuhrwesens beabsichtigen aber auch die Antragsteller nicht. Zudem würden sich die Mitglieder einer bestehenden Wuhrkorporation daran stossen, wenn die Aufgaben einer anderen Korporation durch die Gemeinde übernommen und finanziert werden, man selbst aber nach wie vor in der Pflicht ist – zumal sie nebst den Korporationsbeiträgen auch noch die von der Gemeinde übernommenen Aufgaben über die Steuern finanzieren müssen.

Sollte mit dem Memorialsantrag ein fundamentaler Systemwechsel beabsichtigt sein, so ist die beantragte, überdies nur als übergangsrechtlich bezeichnete Gesetzesergänzung der falsche Weg. Stattdessen wäre zu prüfen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen man den Hochwasserschutz zur Gemeindeaufgabe erklären wollte. Die Gemeinden haben denn auch einen Systemwechsel abgelehnt, eine mit einem Vorbehalt. Ist kein gesetzgeberischer Handlungsbedarf im beantragten Sinne auszumachen und sind überdies die mit dem Memorialsantrag verfolgten Absichten unklar, ist auf einen Gegenvorschlag zum ausgearbeiteten Entwurf zu verzichten.