Afrika in Wirklichkeit und Literatur

Am Dienstag sprachen die Berner Theologiestudentin Anja Michel und die Glarner Buchhändlerin Annelis Figi auf der Piazza der Landesbibliothek über Afrika. Zwei ganz unterschiedliche Erfahrungen mit erstaunlichen Parallelen.



Moçambique in Glarus: Anja Michel spricht auf der Piazza. Anja Michel zeigt Zusammenhänge auf – auch mit unserer Bundespräsidentin
Moçambique in Glarus: Anja Michel spricht auf der Piazza. Anja Michel zeigt Zusammenhänge auf – auch mit unserer Bundespräsidentin

Es war ein Abend der genauen Beobachtungen und des Berichtens – und er barg erstaunliche Informationen. Über die Rolle von dressierten Ratten bei der Minensuche und über Erinnerungsbücher, die Eltern für ihre Kinder schreiben, weil sie selber vorzeitig an AIDS sterben. Dass daneben auch Doris Leuthard und der Heilige Stuhl auftauchten, tönt zwar wie ein Märchen, ist aber trotzdem Tatsache.

Wie Anja Michel in ihrem Vortrag berichtete, hat die Schweiz seit dem 19. Jahrhundert in Moçambique einen ausgezeichneten Ruf. Vor allem wegen der Missão Suiça, welche von Henri-Alexandre Junod aus Neuenburg gegründet wurde. Selbst in den schwierigen Zeiten der Befreiungskriege und des Bürgerkriegs, der bis 1992 im Land wütete, blieb die Schweiz – sowohl in Mission wie Politik – ein wichtiger Partner des Landes, welches auf 2500 Kilometern Küste einige der schönsten Strände hat und wo noch immer geschätzte 10 Millionen Waffen – aus Südafrika und der ehemaligen Sowjetunion – in teilweise vergessenen Verstecken vor sich hin rosten.

Die Verhältnisse in Moçambique sind komplex. Das erfuhr Anja Michel, die als «lebender Brief» im Rahmen der Dekade zur Überwindung von Gewalt von kirchlicher Seite her das Land besuchte, gleich zu Beginn. Sie wurde nicht etwa bloss bei den kirchlichen Institutionen des Landes herumgereicht. Vielmehr stellte man sie den Politikern des Landes – u.a. dem ehemaligen Staatspräsidenten – vor. Denn kirchliche Helfer haben in Moçambique einen guten Ruf, weil ohne sie der Friedensprozess zwischen FRELIMO und RENAMO wohl kaum hätte abgeschlossen werden können. Heute können Waffen eingetauscht werden, gegen Saatgut oder Fahrräder, gegen Nähmaschinen und Traktoren. Die Waffen werden dann gesprengt oder zu Kreiselkunst und Möbeln verarbeitet.

Im Anschluss an die Berichte von der Realität fasste Annelis Figi die Biografie und die Afrika-Bücher von Henning Mankell zusammen. Der politisch schon früh engagierte Theaterregisseur und inzwischen weltbekannte Krimi-Autor lebt «mit einem Fuss im Schnee und mit einem Fuss im Sand», wie er selber sagt. In seinen Romanen über Afrika wie «Der Chronist der Winde», «Die rote Antilope», «Die flüsternden Seelen» oder «Tea-Bag» stellt er in der Fiktion jene Geschichten dar, die zwischen Afrika und Europa geschehen. Oft sind sie tragisch und traurig, aber sie zeigen auch unbeugsamen Lebenswillen und Humor. Das spannende Referat von Annelis Figi zeigte den grossen Reichtum Mankells und die Nähe zwischen seinen Fiktionen und der Realität in Moçambique und den umliegenden Ländern auf. Ein gelungener Abend, der für einmal nicht auf die soziale Ader drückte, sondern sich schlicht an die Tatsachen hielt. Tatsachen genügen.