Appenzeller Musik – die ganz andere Hinwendung

Die neun Sängerinnen und Sänger, zugleich Schauspieler mit gesegneten komödiantischen Talenten, wandlungsfähig, stilsicher ab Folklore und Volksliedgut bis hin zu Jazzigem, Pop, Saloon und Präriestimmung, haben eins gemeinsam; sie agieren ab Bühne mit enormem Charme, gestalterischem Reichtum, unerwarteter Abkehr von so Vertrautem, Harmonischem.



Impressionen vom Konzert des Hiziger Chors in der Aula der Kantonsschule in Glarus. (Bilder: p.meier)
Impressionen vom Konzert des Hiziger Chors in der Aula der Kantonsschule in Glarus. (Bilder: p.meier)

Sie bewegen sich in einer Vielfalt musikalischer Welten, spielen sich in bewunderungswürdiger Rasanz durch wahre Bilderfüllen – lächelnd, leichtfüssig, alles sorgsam und variantenreich choreografiert. Sie sind hochkonzentriert, singen sich in die Seelen der begeisterten Zuhörerschaft, wecken Spannung auf Kommendes, das im Verlaufe des abendfüllenden Programms noch Platz haben wird. Und alles ist dem Hitziger Chor mit «Joli – Zwo» zu verdanken. Der Auftritt war kürzlich in der stark besetzten Aula der Kanti Glarus auf Einladung der Kulturgesellschaft Glarus möglich geworden, war Beginn des attraktiv zusammengestellten Saisonprogramms.

In festlichen Trachten – noch mit dem Rücken zum Publikum – stehen sie da, sich mit Traditionellem einstimmend. Es klingt gar Harmonisches und recht Vertrautes auf. Aber lange dauert das nicht an. Es werden Liedtexte – anders als einst im zarten Primarschulalter einstudiert – umformuliert. Da ereignen sich «Dobe uf dr Ebenalp» Sachen, die man so noch kaum einmal vernommen hat. Der poetische und inhaltliche Reichtum vieler Botschaften hatte es nicht nur in dieser Phase in sich. Vieles kommt leicht frech, vorwitzig, schwärmerisch, voll liebenswürdiger Logik einher, so leichtfüssig, sorgsam einstudiert und mit riesiger Spontaneität serviert. Es ist eine riesige Fülle originell zusammenkomponierter Details. Der Mix aus Harmonischem, Urwüchsigem, rasanten Abstechern in die Moderne, bühnenwirksamem Posieren, solistischen Kurzauftritten, vergnüglichem Umgruppieren, Schellenklang, Flaschen als verschieden gestimmte Klangkörper, Waschbrett, züchtigem Entblössen, Liebeleien, Taschenlampen-Lichtspiele – das ist die appenzellische Westside, wie sie so nur selten leibt und lebt.

Die Mitglieder dieses Ensembles tragen beneidenswert viele Talente in sich. Es sind exzellente Sänger mit grossem Repertoire, alle sind mit schauspielerischem Können gar gut ausgerüstet, sie verströmen grossen Charme, haben spürbare Lust am Ausgestalten und bewegen sich mit einer Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit, die ansteckend ist. Es wächst eine bestechende Vielfalt, Es kommt eine Perfektion auf, die dem Individualismus willkommenen und notwendigen Raum gewährt. Das Mitverfolgen beschert Spass, Freude, Anteilnahme. Es kommen viele Momente des Geniessens zusammen. Da wird mit Teilen der Tracht gespielt, einiges mal weggelegt, hinter einem Paravent entstehen neue Standbilder, es wird gruppiert, umgarnt, hingehockt, marschiert, getanzt, rumgealbert, mit Hingabe und grossem Können gejodelt, vom Einen und Andern mit munteren Übertreibungen erzählt, drauflosgeflunkert. So erfährt man einiges übers Wetter, beispielsweise, dass ein Gewitter ohne Regen gar kein Segen sei oder dass der Wonnemonat dann tückisch sei, wenn er nicht regelkonform ablaufe. Hat der Bauer noch Hunger, kann er sich so behelfen, dass er noch ein Hühnchen plattwalzt, Der Tennismatch in Zeitlupe samt passendem Liedgut und zuschauenden, anspornenden, mitfiebernden Fans war einer von vielen genussreichen Momenten.

Man verabschiedete sich ungern und nahm mit Bedauern zur Kenntnis, dass sich das muntere Ensemble im Januar des kommenden Jahres von den Bühnen verabschieden wird.