Curling on ice

Ich muss vorausschicken, dass ich von Curling überhaupt keine Ahnung hatte. Erst als ich in der Onlinezeitung glarus24.ch das Interview mit Valeria – ein Name der auf der Zunge vergeht – gelesen habe wurde mein Interesse geweckt. Sicher im Hinterkopf war da noch etwas. Hatten wir früher nicht despektierlich von Bettflaschenschieben auf dem Eis gesprochen. Das war aber sicher kurz nachdem das Eis erfunden wurde, also schon sehr lange her.


Die ersten beiden Spiele der Schweizer Curlerinnen konnte ich leider nicht live am Fernsehen verfolgen. Die Resultate erfuhr ich wieder aus obiger Zeitung. Dann aber packte mich das Interesse und das dritte Spiel wollte ich mir unbedingt direkt ansehen. Ausgerüstet mit einem dicken Wollschal, Daunenjacke und festen Schuhen setzte ich mich vor den Fernseher. Es sollte ja sicher sehr kalt werden, mehr als zwei Stunden auf dem Eis. Da ich als Laie wie gesagt vom Curling nichts verstand war ich auf die Hilfe des Reporters und seiner Fachcurlingfrau - oder heisst es Curlingfachfrau? - angewiesen. Die Schweizerinnen begannen mit einer Guard, einem sogenannten Schutzschild. Ein Schutzschild aus „Bettflaschen“, wenn das nur gut geht. Ging es nicht, denn die Kanadierinnen entfernten die Steine jeweils mit einem Takeout. Takeout nicht etwa take away. Der Unterschied war mir relativ schnell klar. Beim dritten Stein der Schweizerinnen mussten diese bereits die Eisbahn reinigen. Mit grossem Eifer liefen sie vor dem Stein und „beselten“ wie wild. Ich habe mich gefragt wie es möglich ist, dass für die olympischen Spiele eine so teure Halle gebaut werden kann und der Eismeister es nicht schafft, sauberes Eis herzustellen. Diesen Mann hätte ich auf der Stelle entlassen. Aber wieder wurde ich von der Curlingfachfrau eines besseren belehrt. Mit diesem „beseln“ kann die Richtung oder auch die Länge des Steins verändert werden. Super. Der Eismeister kann seinen Job behalten, denke ich mir.

Dann ein nächstes Wunder. Die Fachcurlingfrau sah voraus, dass die Schweizerinnen nun einen Stein hinter der Guard verstecken wollen. Einen Stein in dieser grosen Halle und bei soviel Zuschauern verstecken? Wie das möglich sein sollte war mir unerklärlich. Auch das wurde mir erklärt, und immer mehr verstand ich dieses interessante Spiel. Aber hoppla, schon wurde ich wieder schockiert. Haben doch die Kanadierinnen unseren Schweizerinnen den letzten Stein gestohlen. Ja, haben den die nicht genügend Steine fragte ich mich oder wollen die im nächsten Spiel mit neun Steinen spielen? Aber dann hätten die Schweizerinnen anderseits nur noch sieben Steine. Irrtum die Schweizerinnen konnten das nächste End wieder mit acht Steinen spielen. Ich denke, die kannten die Kanadierinnen und haben in kluger Voraussicht noch einen Reservestein mitgenommen. Dem Securitas hätte ich am liebsten zugerufen er solle beim Verlassen der Halle die Kanadierinnen doch bitte kontrollieren. Natürlich lag ich auch hier wieder einmal falsch, wie mich die Curlingfachfrau aufklärte.

Einmal nahmen dann die Schweizerinnen ein Timeout, vermutlich hatten sie kalte Füsse oder fragten sich wie ich, warum es „End“ heisst und nicht Spiel. „End“ bedeutet doch das Ende, aber die Spielerinnen haben ja immer wieder begonnen. Natürlich heisst es „End“ weil das Spiel aus Schottland stammt, wie mir freundlicherweise erklärt wurde. Und die Schotten sind bekanntlich sehr sparsam, und „End“ ist halt kürzer als „Game“. Ich habe dann sämtliche Spiele der Schweizerinnen bis ins Finale verfolgt. Dank der Fachcurlingfrau kannte ich mittlerweilen alle Ausdrücke und kam auch langsam hinter die Finessen des Spiels. So konnte ich jeweils mitsprechen ohne von einem Fettnäpfchen ins andere zu treten.

Der Final war dann der absolute Hammer. An Spannung nicht zu überbieten. Hier die filigran spielenden Schweizerinnen und da die eher etwas robusteren Schwedinnen unter der Führung von „Krimhilde aus dem hohen Norden“. Bis zum letzten Stein wurde gekämpft und taktiert. Dann im 11. End, die Schweizerinnen hatten 2 Steine im sauber gereinigten Haus „Shot“ stehen (noch einmal so ein Begriff). Dies hätte zum Sieg und damit zur Goldmedaille gereicht. Aber eben diese Krimhilde hatte nun den letzten Stein. Den hat ihr leider niemand im Spiel zuvor gestohlen. Ein Gedanke schoss mir durch den Kopf; die will doch nicht etwa die beiden Steine der Schweizerinnen aus „unserm“ Haus entfernen! Sie wollte und konnte. Was soll’s, das Ganze ist ja doch nur ein Spiel. Diesen Sommer beabsichtigte ich mit meiner Frau nach Schweden reisen. Gestrichen!! Die Schweizerinnen haben an diesem Turnier nicht Gold verloren, nein viel besser, sie haben einen neuen Fan gewonnen.

Ich möchte mit dieser Kolumne auf keinen Fall die hervorragende Leistung der Curlerinnen mindern. Ich bin tief beeindruckt vom enormen Können, der hohen Konzentration und auch dem taktischen Tiefblick. Aber wie sagt doch „Harry Belafonte Verschnitt“ Roberto Blanco so treffend: Ein bisschen Spass muss sein! In diesem Sinne: Hellau!!!.