Das "Schlössli" der Nachwelt erhalten!

Heute präsentiert sich das bald 100-jährige Gebäude äusserlich immer noch verlockend, die jüngste Geschichte hat aber gezeigt, dass es immer schwieriger wird, für den Restaurationsbetrieb mit seinen infrastrukturellen Eigenheiten (WC-Anlagen im Hof, Gaststube und Turmzimmer von Küche aus nur über steile Treppe erreichbar, offene, Wind und Wetter ausgesetzte Trinkhalle, mühsamer Aufstieg vom Dorf für Personen, die nicht so gut "z'Fuess" sind) geeignete Wirtsleute zu finden. Die heutige Lösung mit Sabine Kojetinski in Kombination mit dem "Ochsen" ist als absoluter Glücksfall zu werten.



Der Grundriss der Erweiterung (Bild: zvg.) Das Schlössli mit dem „Pavillon“ 1910 (oben) und fünf Jahre später mit Schlössliturm und Trinkhalle. (Bild: zvg.)
Der Grundriss der Erweiterung (Bild: zvg.) Das Schlössli mit dem „Pavillon“ 1910 (oben) und fünf Jahre später mit Schlössliturm und Trinkhalle. (Bild: zvg.)

1876 erwarb der Tagwen Niederurnen aus dem Nachlass des Ratsherrn und Richters Albrecht Schlittler-Elmer, zum Vogelhof, den oberen Teil des "Burghügels" samt etwas Wald. Vom ehemaligen mittelalterlichen Wohnturm waren nur noch wenig Überreste vorhanden – die behauenen Steine waren um 1640 für die Terrassierung des Weinberges verwendet worden. 1878 liess der Gemeinderat einen hölzernen "Pavillon" (gespendet von Conrad Jenny-Jenny, Vaduz) samt gedeckter "Trinkhalle" errichten, welche alsbald als Sommerwirtschaft, vorerst noch durch den Gemeinderat, ab 1893 vom frisch gegründeten Verkehrsverein Niederurnen betreut wurde – mit wechselndem Erfolg, was die Pächterschaft betraf. Bereits 1909 regte daher Gemeindepräsident (und Regierungsrat) Heinrich Jenny-Munz eine Renovation des alten Gebäudes auf dem schönen Aussichtspunkt an, 1912 wurde eigens dafür die "Schlössli-Genossenschaft" gegründet, welche ein Jahr später die Erstellung des Schlössliturms samt angebauter Trinkhalle beschloss. 1914 war die Anlage fertig erstellt – die Einweihungsfeier, welche auf den 1. August 1914 festgesetzt wurde, konnte zwar wegen des Kriegsausbruchs nicht stattfinden – aber das jetzige "Schlössli" war geboren.

1977 beschloss der Regierungsrat, die "Burg Oberwindegg mit Schlössli und Rebberg" als "Objekt von regionaler Bedeutung" ins Inventar der erhaltenswerten historischen Stätten, Ortsbilder, Kultur- und Baudenkmäler aufzunehmen. Die Tagwensgemeinde als Liegenschaftseigentümerin und der Gemeinderat als zuständige Behörde sind gesetzlich verpflichtet, "für die Erhaltung und Pflege von künstlerisch oder historisch wertvollen Bauwerken und deren Umgebung oder ihren Überresten" zu sorgen. Dies gilt natürlich insbesondere für dieses Schutzobjekt (auch wenn es sich nach neuesten Erkenntnissen bei der Burgruine kaum um die "Oberwindegg" gehandelt haben kann).

Gerade auch im Zusammenhang mit den bevorstehenden Gemeindefusionen ist es dem Gemeinderat besonders daran gelegen, dem Dorf Niederurnen sein charakteristisches und attraktives Wahrzeichen zu erhalten. Ein Gebäude aber leidet, wenn es nicht bewirtschaftet wird – wenn irgendwann keine Pächterschaft mehr zu finden ist, droht der Zerfall. Dem Gemeinderat ist es deshalb ein Anliegen, möglichst alles zu tun, dass der Betrieb zeitgemäss und rentabel geführt werden kann und er ist auch bereit, dazu grössere Investitionen zu tätigen. Er ist davon überzeugt, dass die Mitglieder der Tagwensgemeinde diese Bereitschaft teilen. Der Gemeinderat als Vertreter der Liegenschaftseigentümerin hat deshalb einen jungen Architekten mit Erfahrung in gastronomischen Projekten in alten Liegenschaften damit beauftragt, zusammen mit Ratsmitgliedern geeignete Ideen zu entwickeln. Die daraus entstandene Studie mit zwei Varianten (Sanierung oder Erweiterung) liegt jetzt vor.

Keine halben Sachen!


Wie erwähnt beinhaltet eine erste Variante lediglich eine "Sanierung" – die Trinkhalle würde durch eine Verglasung mit Schiebefenstern wind- und wetterfest, damit können die inneren Gasträumlichkeiten gewissermassen erweitert werden. In der ehemaligen Wohnung würde eine der Trennwände entfernt, um einen zusammenhängenden Raum zu schaffen, welcher etwa für Tagungen Verwendung finden könnte. Die Toiletten erhalten einen Vorraum, die Küche wird vergrössert und es bestünde die Option, den Technikraum ins Innere zu verlegen. Grosse heutige Mängel werden aber damit nicht beseitigt: die Lage und Anzahl der Toiletten, die Entfernung der Anlieferung von der Küche, die Situation beim Eintritt in den Hof (Buffet und Schrank versperren den Ausblick), die technischen Mängel der Seilbahn, usw. Trotz allem wäre mit Kosten von rund 600'000 Franken zu rechnen, was in Abwägung von Aufwand und Ertrag nach Ansicht des Gemeinderates doch sehr happig ist.

Die zweite Variante entspricht einer Erweiterung, welche – von aussen nicht sichtbar – vor allem die internen Abläufe optimiert. Der wie in Variante 1 durch Verglasung der Trinkhalle geschaffene grosse Gastraum wird über eine Treppe (über der "Kellertreppe" positioniert) mit dem Obergeschoss (ehemalige Wohnung) verknüpft. Dadurch werden beide Räume, vor allem derjenige im Obergeschoss, aufgewertet. Die Verlagerung der Küche (mit Speiselift ins Obergeschoss) von der jetzigen Süd- auf die Nordseite schafft eine Entflechtung der Dienstleistungsstrukturen. Die Anlieferung erfolgt nun direkt rückseitig der Küche. Die Erneuerung der Seilbahn wurde notwendigerweise bereits miteingeplant. Der Technikraum wird ins Innere des Turms verlegt, die heutige Küche wird durch moderne, zentral gelegene Toiletten-Anlagen ersetzt. Mit diesen baulichen Massnahmen werden neue, attraktive Gasträume geschaffen, ohne dass die "klassische" Gaststube und das elegante Turmzimmer verloren gehen. Die Räume werden optimal verknüpft, die sanitäre Versorgung entscheidend verbessert (Entflechtung der Wege zu den Toiletten und aus der Küche zu den Gästen) und die interne Organisation Anlieferung/Lagerung-Küche/Verarbeitung optimiert. Das Erscheinungsbild des Hofs wird durch den Wegfall des Technikraums ebenfalls verbessert. Allerdings hat die Variante seinen Preis – mit rund 900'000 Franken ist sie noch 50 % teurer als die Sanierungsvariante.

An seiner letzten Sitzung hat der Gemeinderat die beiden Varianten geprüft und ist einstimmig zu folgendem Schluss gelangt: Wenn schon derart viel Geld investiert werden soll, kommt nur die Variante 2 in Frage, welche die Situation mit der vorgeschlagenen Erweiterung und internen Umstrukturierung wirklich entscheidend und nachhaltig verbessert. In der Diskussion ergibt sich dann zusätzlich deutlich, dass die Stimmbürgerinnen und Stimmbürger, welche dannzumal dem Kredit zustimmen müssten, wohl kaum Verständnis dafür aufbrächten, nahezu eine Million Franken ins Schlössli zu investieren, ohne auch gleichzeitig die Situation für diejenigen Gäste zu verbessern, welche sich den Aufstieg aus eigenen Kräften nicht mehr zutrauen. Der Gemeinderat ist daher der Auffassung, das Projekt müsse unbedingt noch mit einem Personenlift (anstelle der renovationsbedürftigen Materialseilbahn) ergänzt werden. Er ist sich dabei bewusst, dass dadurch Mehrkosten in der Grössenordnung von 300'000 Franken dazukommen, möchte aber eben – wenn schon – Nägel mit Köpfen machen.

Warum gerade jetzt?

An der Gemeindeversammlung vom 25. November 2004 hat der Tagwen Niederurnen zum Ersatz der Heizung, zur Sanierung von Küche (Decke, Wände), Gaststube (Boden), Treppenhaus, Fenster und Fensterläden und vor allem für die neue Erschliessung mit Gas, Wasser und Strom samt Technikraum einen Kredit von 200'000 Franken gesprochen. Bereits damals stellte sich der Gemeinderat vor, nicht alle Arbeiten im gleichen Jahr auszuführen. Heute ist man nicht ganz unglücklich darüber, dass noch nicht alles investiert worden ist, bevor nicht ein von einem Profi verfasstes Konzept vorlag. Alle erstellten Strukturen passen hervorragend ins neue Projekt. Aus der traurigen "Ära Durscher" ist immerhin die Lehre zu ziehen, dass es offenbar trotz neuer Erschliessung und Heizung nicht ganz einfach ist, in der heutigen Zeit im Schlössli gewinnbringend zu wirtschaften, vorher, also zur Zeit des Kreditbeschlusses, war das noch nicht absehbar – die "Ära Azevedo" (7 ½ Jahre) eben noch in bester Erinnerung.

Auch der Landsgemeindebeschluss 2006 mit seinen Folgen für die einzelnen Dörfer war keineswegs voraussehbar – heute ist allen klar, dass, wenn die Gemeinden in ihrer heutigen Form verschwunden sein werden, für die Erhaltung der Kultur in den einzelnen Dörfern gekämpft werden muss. Es liegt nahe, dass die Behörde der künftigen Gemeinde "Linth" kaum mehr willens sein wird, für das Wahrzeichen eines einzelnen Dorfes Millionenbeträge aufzuwerfen – wenn einem Dorf daran gelegen ist, muss es sich also heute dafür einsetzen, bereits in zwei Jahren ist es zu spät, die heutigen Räte entlassen. Das sind die Überlegungen, die den Gemeinderat bewogen, den Stimmbürgerinnen und Stimmbürgern möglichst noch in diesem Jahr zu beantragen, zur Sanierung und Erweiterung des Niederurner Dorf-Symbols einen Kredit zu sprechen. Dabei geht es keineswegs darum, Tagwengelder vor dem Zugriff der künftigen Grossgemeinde zu schützen, im Gegenteil. Rechtsnachfolgerin der Tagwensgemeinde Niederurnen – und damit auch Eigentümerin der Liegenschaft Schlössli (samt allen Investitionen) – ist ab 1. Januar 2011 die Gemeinde Linth, bestehend aus den heutigen "alten" Gemeinden Bilten, Niederurnen, Oberurnen, Näfels, Mollis, Filzbach, Obstalden und Mühlehorn.

Aus diesem Grund hat der Gemeinderat auch keinerlei Bedenken, mit seinem Anliegen vor den Steuerungsausschuss Glarus Nord zu treten – dieser wird dafür gewiss Verständnis aufbringen. Die unter Denkmalschutz stehende Liegenschaft (welche dereinst allen heutigen Glarus-Nord-Gemeinden gehören wird) muss der Nachwelt erhalten bleiben, was längerfristig nur gewährleistet werden kann, wenn ein nachhaltiger Restaurationsbetrieb garantiert ist. Dafür lohnen sich die Investitionen. Ein Grossteil der Pachteinnahmen wird schliesslich auch wieder der Liegenschaftseigentümerin zu Gute kommen. Im Weiteren ist der Gemeinderat auch nicht der Auffassung, er handle den regierungsrätlichen Richtlinien zuwider, welche den Gemeinden abraten, Gastwirtschaftsbetriebe zu führen. Nicht die Gemeinde betreibt hier ein Restaurant, sondern die private Schlössli-Genossenschaft Niederurnen (siehe Kästchen), die Gemeinde ist lediglich Eigentümerin der Liegenschaft. Eine andere Möglichkeit, um den Unterhalt der Gebäulichkeiten sicherzustellen, als mit einem Restaurationsbetrieb, ist nicht auszumachen, wenn dabei auch noch Erträge einfliessen, um so besser (oder wäre etwa die Einrichtung von Alterswohnungen denkbar?). Auch ein Verkauf an Private ist nicht denkbar, erstens handelt es sich um ein unter Denkmalschutz stehendes Objekt (inklusive archäologische Überreste und Rebberg), welches von der Gemeinde unterhalten werden muss und zweitens muss der Öffentlichkeit der Zugang zur Aussichtsterrasse dauernd gewährleistet sein.