Den Künstler in sich finden

Die Veranstaltungen der Volkshochschule Glarus darf man gewiss mit «klein, aber fein» betiteln. Mit spürbarer Sorgfalt und dem Blick auf eine faszinierende Vielseitigkeit ist das 34. Programm zusammengestellt worden. Unlängst äusserte sich der Ennendaner Peter Jenny, emeritierter Architekturprofessor an der ETH Zürich, zum Künstler, der in jedem Menschen schlummere.



quasi eine Skulptur aus dem Küchenatelier. (Bilder: p.meier) An Beispielen mangelte es nicht: Kommt Kunst zuweilen aus dem Kübel?
quasi eine Skulptur aus dem Küchenatelier. (Bilder: p.meier) An Beispielen mangelte es nicht: Kommt Kunst zuweilen aus dem Kübel?

Er hatte es mit Joseph Beuys. Auch er geht davon aus, dass die Freude am Experimentieren, Suchen, Vergleichen, Verfeinern einer Entdeckung so quasi in jede Wiege gelegt ist. Und diese kreativen Geister, davon ist der quirlige Referent grundsätzlich überzeugt, sind nur noch aus ihrem Schlummer zu erwecken. Beinahe mit der Leichtigkeit des Seins agierend, zauberte Jenny Tatsachen herauf, die er fein säuberlich dokumentiert hatte und via Leinwand in kunstreicher Vielfalt, in der Art eines professionell agierenden Magiers präsentierte. Man spürte den Spass und die Freude am Umgang mit so einfachen Gegenständen wie Zündhölzer, Luftballons, Gemüse, Teigwaren, Salatsieben, Kochkellen, Stielen von Kirschen, angeknabberten Äpfeln und WC-Röllchen derart, dass das Staunen bei den aufmerksam Hinhörenden zusehends wuchs und dass die wahrscheinlich noch schlummernden Kreativgeister hurtig erwachten. Mit verblüffender Eleganz und kunstsinniger Leichtigkeit zeigte Jenny auf, was aus Kritzelzeichnungen, runden Formen, Buchstaben und anderem herausgelesen werden kann, wie nach dem ersten Betrachten eine sinnvolle Zeichnung oder Strichfiguren wachsen. Sachte, aber doch deutlich tippte Peter Jenny Dinge an, die mit der ureigenen Freude an Kreativem zum Leben erweckt werden sollen. Zum Gestalten und Ausprobieren gehört – unabdingbar – die Lust am Fabulieren, sodass ein angeschnitztes Zündhölzchen zur Balletttänzerin wird, sich gerollte Nudeln in ein Matissebild wandeln, verknüpfte Ballons zur sitzenden, sich besinnenden Schönheit werden. Beide Begabungen versteht Jenny meisterhaft, in leicht fasslicher Art zu verknüpfen. Nun war es beileibe kein Referat, das sich bloss auf kindlich angehauchte Spielereien irgendwelcher Art beschränkte.

Berufsbezogenes gab Gabriele Copetti, Präsidentin des Volkshochschule, mit ihrer würdigenden Begrüssung preis. Peter Jenny wirkte über drei Jahrzehnte hinweg an der ETH, führte selber ein Büro für Gestaltung, war Gestalter bei der Kunstzeitschrift «du», nahm an einer Biennale in Venedig und an Ausstellungen im Bauhaus Dessau teil und verfasste zahlreiche Bücher, auf die im Verlaufe des Referats zum Teil hingewiesen wurde. Als Beispiel sei die «Wahrnehmungswerkstatt Küche» erwähnt.

Bekannt ist Peter Jenny auch durch die Gestaltung am Kreisel am nördlichen Beginn des Hauptortes oder den Leuchter in der Stadtkirche Glarus. Seine Vielseitigkeit und die Leichtigkeit seiner Sprache liessen die Veranstaltung zu einem optischen Vergnügen werden, zu der sich eine zum Teil kindliche, urtümliche Freude gesellte.

Peter Jenny begann sein Referat mit der Anrede «Sehr verehrte Künstlerinnen und Künstler», um bald einmal in die verwirrliche Vielseitigkeit des Kunstschaffens einzutauchen. So wählte er wohl bewusst einen Abfallkübel, dem er ein Blatt entnahm, damit dokumentierend, dass Kunst zuweilen auch aus einem Behältnis entstammen kann. Derartige Produkte mit Sorgfalt zu beachten weckt Kreativität, wie sie beispielsweise der Astrophysiker Fritz Zwicky gelebt hat. Peter Jenny gab Tipps, die man so nur selten hört, die aber für jene einen Sinn ergeben, die sorgsam betrachten, ausprobieren, werten und imitierend vergleichen. Jenny setzt sich dafür ein, dass bei diesem Werden Widerstand unabdingbar ist. Nur so ist ein sensibles Schaffen möglich. Jenny zeigte auf, wie wichtig gesamtheitliches Betrachten ist, sind doch Mimik, Arm- und Handbewegungen, Augenkontakte oder Handschrift Aussagen zur Kunst. Jenny munterte auf, das Zeichnen mal mit einer in Farbe getränkten Serviette, mit dem Zerreiben von Farbenstaub und anderem zu versuchen, Linien und Proportionen Gewicht zu geben, in Buchstaben Gestalten und Bewegungen zu suchen. Über eine längere Zeitspanne verharrte er beim Familienalbum, das für ihn ein wahres Museum ist, aus dem Figuren und Gegenstände abgeholt werden können. Und beinahe ebenso lang blieb er in der Küche, die eine Kreativwerkstatt sondergleichen ist, sein Beweis war die Kochkelle.

Er zeigte auf, wie gross die Vielfalt in Wolkenbildern, Stoffmustern, Steinoberflächen und anderem ist. Und im gut gefüllten Denk-Korb, den man nach Hause nahm, waren Aufmunterungen, Erkenntnisse, Experimentierlust, Spielereien. Damit war jedem klar, dass man ein klein wenig eben doch Künstler ist.