«Die Brasilianer leben einfach Fussball»

Die Fussball-Weltmeisterschaft ist nun schon seit ein paar Tagen vorbei. Ganz nah dran auch bei der Schweizer Nationalmannschaft war Reto Steinacher. Mit ihm sprach glarus24.



Ganz nah an der Schweizer Nati: Reto Steinacher (Mitte) an einem der Gruppenspiele. (Bilder: zvg)
Ganz nah an der Schweizer Nati: Reto Steinacher (Mitte) an einem der Gruppenspiele. (Bilder: zvg)

glarus24: Wie lange waren Sie in Brasilien?

Reto Steinacher: Insgesamt war ich zweieinhalb Wochen in Brasilien. Eigentlich während der ganzen Gruppenphase der Schweiz und habe hier alle drei Spiele im Stadion erlebt. Neben Porto Seguro – wo die Nati ihr Camp hatte, gab es für die Spiele auch Abstecher nach Brasilia, Manaus oder Salvador de Plaia.

glarus24: Wie war die Stimmung in den Stadien?

Reto Steinacher: Das war einfach sensationell! Ich war schon bei vielen Bundesligaspielen oder auch in England oder Spanien in den Stadien; aber die Stimmung in Brasilien ist mit nichts zu vergleichen. Es war einfach ein extremes Fussballfest.

glarus24: Bei den Spielen waren ja immer mehr Brasilianer als zum Beispiel Schweizer in den Stadien, hat man da irgendetwas gemerkt?

Reto Steinacher: Grundsätzlich waren die Brasilianer immer für die Schweiz. Das hat auf der einen Seite damit zu tun, dass wir ihnen sympathsich sind. Auf der anderen Seite auch aufgrund der Gegener. So waren sie genauso auf unserer Seite gegen Ecuador und Honduras, wegen der Rivalität der Lateinamerikanischen Länder wie auch gegen Frankreich, als Titelkandidat.

glarus24: Was war für Sie dabei das grösste Highlight?

Reto Steinacher: Das ist schwierig. Es waren so viele einmalige Eindrücke, dass ich da nicht einfach etwas herauspicken kann. Es war so ein eindrückliches Fussball-Fest. Was aufgefallen ist, sind natürlich die neuen Stadien, so etwas Modernes habe ich noch nie gesehen. Aber vor allem die Atmosphäre war unvergleichbar. Und dies alles ohne Gewalt und Aggression. Obwohl die Fans ja nicht voneinander getrennt sind. Das habe ich so noch bei keiner Sportveranstaltung erlebt.

glarus24: Können Sie sich das erklären? Gerade auch in der Schweiz gibt es hier in der Liga immer wieder Ausschreitungen.

Reto Steinacher: Das ist einfach eine ganz andere Fankultur. Man unterstützt nicht seinen Club, sondern die Nationalmannschaft. Setzten sich auch die Fans anders zusammen. Obwohl es ja um den grössten Titel im Fussball geht, gab es unter den Fans ein riesiges Fairplay. In Brasilien wurde Fussball so gefeiert, wie es eigentlich immer sein soll. Dies zeigte sich auch beim Public Viewing, wo man mit Fans aus der ganzen Welt, die Spiele geschaut hat. Nach dem Schlusspfiff waren man kurz traurig, dann ging die Party aber wieder weiter.

glarus24: Im Vorfeld wurde viel über Proteste der Brasilianer gegen die WM berichtet, wie haben Sie die Bevölkerung erlebt?

Reto Steinacher: Nach dem Anpfiff beim Eröffnungsspiel gab es für die Brasilianer nur noch Fussball. Die leben einfach Fussball. Von Protesten oder WM-Gegner habe ich nicht einen Einzigen gesehen. Sowieso habe ich die Brasilianer als sehr sympathisch und sehr lebensfroh kennengelernt. Klar, ich habe auch die Schattenseiten des Landes – wie die Favelaz, Slums in den Grossstädten – gesehen –aber während der WM ging es in diesem Land nur um den Fussball.

glarus24: Sie waren ja nicht alleine in Brasilien. Mit wem waren Sie unterwegs und wie wurde das Ganze organisiert?

Reto Steinacher: Wir von Glärnisch Reisen haben mit unserem Label Perfect Tours eine Rundreise mit Tickets für die Schweizer Spiele organisiert. Insgesamt waren wir rund 50 Personen, welche in dieser Zeit zusammen unterwegs waren. Natürlich stand auch hier der Fussball im Mittelpunkt. Wir haben aber immer auch etwas Kulturelles unternommen. So waren wir einmal natürlich im Dschungel und am Amazonas. Dazu gehörten aber auch Stadtbesichtigungen. So ein vielseitiges Land – auch bei den Menschen – habe ich dabei noch nie erlebt.

glarus24: Sie sind auch in Kontakt mit den Schweizer Spielern gekommen. Wie ging das?

Reto Steinacher: Dank unser langjährigen guten Geschäftskontakten war es uns möglich, immer in der Nähe der Schweizer Nati zu logieren. Teilweise sogar im gleichen Hotel. So war es dann auch möglich, die Trainings zu besuchen oder auch am Pool die Spieler und die Familien kennenzulernen. So nahm sich Ottmar Hitzfeld und einige Spieler einmal Zeit, sich mit uns über eine Stunde zu unterhalten. Im Vorfeld wussten wir noch nicht so genau, wie weit das Ganze möglich war. Deshalb haben wir das bei unserem Angebot auch nicht angeben können. Für unsere Kunden war dies dann natürlich eine wahnsinnige Überraschung.

glarus24: Wie waren denn die Spieler so?

Reto Steinacher: Unglaublich freundlich und offen. Sie waren immer bereit für ein Gespräch oder Autogrammwünsche. Auch sonst gab es keine Berührungsängste. So kam es immer wieder vor, dass einige von unserer Gruppe mit Spieler zum Beispiel Tischtennis gespielt haben oder andere Sachen gemacht haben. Über den Zeitraum von den zweieinhalb Wochen wurden wir so richtig zu einem Teil des Teams.

Ganz speziell war es zum Beispiel an einem Spieltag, wo wir im gleichen Hotel logierten. Am Morgen sah man sich beim Frühstück, einige Stunden später verfolgte man das Spiel und am Abend traf man sich wieder.

glarus24: Sie bieten auch unter dem Jahr Reisen an Fussballspiele an. Wie sieht das genau aus?

Reto Steinacher: Aus diesem Grund haben wir vor ein paar Jahren Perfect Tours gegründet. Hier bieten wir für den Fussball-Fan Pauschalangebote an. Neben den Tickets für das Spiel gehören auch der Transport, das Hotel oder weitere Wünsche dazu.

Und dies für einige der besten Vereine Europas: Bayern München, Borussia Dortmund, Manchester United, Chelsea, Real Madrid oder Barcelona.

Wenn sich die Schweiz für die EM in zwei Jahren qualifizieren, werden wir hier sicher auch etwas organisieren. Dann aber wohl eher mit einer Car-Reise.

glarus24: Deutschland hat das Turnier gewonnen. Für Sie der würdige Weltmeister?

Reto Steinacher: Über das gesamte Turnier und die letzten zehn Jahr betrachtet Ja. Und ich mag es dem Team gönnen, obwohl ich mich – wie wohl sehr viele Schweizer – nicht durchringen konnte, für sie zu fanen. Dominiert haben sie das Turnier aber nicht. Was die WM gezeigt hat, dass die Teams viel näher zusammengerückt sind. Aussenseiter gibt es nicht mehr. Und doch können sich die Arrivierten doch durchsetzen. In den Halbfinals standen mit Argentinien, Brasilien, Deutschland und Holland gestandene Fussballnationen gegenüber.