Die Hungerkrise von 1816

Das Museum des Kantons Glarus blickt in einer Vortragsreihe 200 Jahre zurück – auf Ereignisse, die Gesellschaft und Politik des Kantons Glarus und der Schweiz geprägt haben. Im ersten Vortrag am letzten Mittwoch referierte der Berner Historiker Dr. Daniel Krämer im Rittersaal des Freulerpalastes über eine fast vergessene Krise und ihre Bewältigung.



Das Museum des Kantons Glarus blickt in einer Vortragsreihe 200 Jahre zurück. (Bild: e.huber)
Das Museum des Kantons Glarus blickt in einer Vortragsreihe 200 Jahre zurück. (Bild: e.huber)

Krämer beleuchtete die Hungersnot von 1816 und 1817. Er leitete sein Referat mit einer Schilderung des Geistlichen Peter Scheitlin ein, der 1816 eine Armenfahrt machte und in Ennenda unbeschreibliches Elend antraf. Die Gründe dafür kannte der Kirchenmann noch nicht, so der Referent. Das Jahr 1816 erlebten die Menschen als «Jahr ohne Sommer» – Ernten fielen aus, der Mangel trieb die Getreidepreise in die Höhe und Nahrungsmittel wurden für eine breite Bevölkerungsschicht unerschwinglich. Eine Hungersnot brach aus. Erst hundert Jahre später fanden Naturwissenschaftler heraus, dass die kalten Jahre durch den Ausbruch des Vulkans Tambora in Indonesien verursacht worden waren. Der Auswurf des Vulkans im April 1815 breitete sich in der Atmosphäre aus, beeinträchtigte die Sonneneinstrahlung und liess die Temperaturen in Europa spürbar sinken.

Anhand zahlreicher Karten und Grafiken veranschaulichte Krämer, dass der durch den Vulkanausbruch bewirkte Klimawandel nicht überall dieselben wirtschaftlichen und gesellschaftlichen Konsequenzen zeitigte. In der Westschweiz griffen die Regierungen in den Markt ein, indem sie Preisobergrenzen für Getreide definierten und selber Getreide kauften. Ganz anders in der Ostschweiz, wo die Teuerungswelle hochging, weil die Behörden untätig blieben und Getreide Mangelware wurde.

Der Historiker schloss mit einem Blick in die Zukunft: Warnungen vor globalen Auswirkungen des heutigen Klimawandels seien kritisch zu lesen, zeige doch das Beispiel der Hungerkrise, dass Klimaveränderungen sich je nach wirtschaftlicher oder politischer Situation, in der sich eine Gesellschaft gerade befindet, ganz unterschiedlich auf diese auswirke. Darum hätten auch nicht alle Regionen der Schweiz gleichermassen unter der Krise gelitten.

Nach dem Referat entspann sich eine lebhafte Diskussion, in der auch kritische Fragen gestellt wurden. Ein Zuhörer erkundigte sich nach der Versorgungssicherheit, wäre der Vulkan 2014 ausgebrochen. Die Behörden hätten für die Bewältigung solcher Krisen inzwischen Szenarien entwickelt, versicherte Krämer, der sich zu diesem Thema bei den zuständigen Ämtern selbst ins Bild gesetzt hatte.