Die «Schrägen Vögel» in Schwanden, einem Altersheim und anderswo

Der Kulturverein Glarus Süd lud auf den vergangenen Samstagabend zu einem Theaterbesuch ein, dessen Inhalt vorgängig kaum bekannt war und gerade deshalb neugierig machte. Angekündigt waren «Schräge Vögel» – Mitmenschen mit schwierigen Lebenssituationen, die den Humor nicht verloren haben und die im Theaterspiel Ruhe, Erfüllendes, Befreiendes finden, sich Anerkennung und verdiente Beachtung zu verschaffen vermögen.



Inspirationen von der Aufführung der "Schrägen Vögel" im Gemeindezentrum in Schwanden (Biler: peter meier)
Inspirationen von der Aufführung der "Schrägen Vögel" im Gemeindezentrum in Schwanden (Biler: peter meier)

Wenn man landläufig gesehen von einem «schrägen Vogel» zu sprechen beginnt, kommt unweigerlich Besonderes, Auffälliges aufs Tapet. Die «Schrägen Vögel» aus Zürich bestehen seit 2009 und wurden von Nicole Stehli im Rahmen der Basisarbeit von Pfarrer Ernst Sieber gegründet. Es treffen sich seither Personen aus verschiedensten sozialen Schichten, die gewillt sind, bereichernde Begegnungen aktiv zu leben, die gewillt sind, Vorurteile dezidiert abzubauen und mit ihrem Schaffen die interessierte, theateraffine Öffentlichkeit einzuladen, um einer besonderen Form von Kreativität zu begegnen und mit ihr einen kurzen Weg durch Vergnügliches zu gehen, sich von Alltäglichem ein klein wenig zu lösen. Ab Bühne wurde willkommen geheissen, gedankt und auch darauf hingewiesen, dass die Inhalte der verschiedenen Stücke im Kollektiv entwickelt wurden, dies unter Leitung von Brigitte Schmidlin. Im Flyer war eine Erkenntnis enthalten, die untrennbar gut zu diesem Theaterkollektiv passt: «Mit dem Leben ist es wie mit einem Theaterstück. Es kommt nicht darauf an, wie lange es ist, sondern wie bunt».

Das Stück weckt Verständnis und Anteilnahme gleichermassen. Humor, Fachwissen und Lebensgeschichten fliessen ineinander. Begrüsst wurde man im Gemeindezentrum mit «Ohrwurm-Musik», bunt, farbig, einschmeichelnd. Man fand sich dann beim Altersheim mit dem sinnigen Titel «Zur Untergehenden Sonne» ein. Da wurde über Medikamenteneinnahme, zu kleine Essensportionen, mangelnde gegenseitige Wertschätzung, Unterstellungen und anderes drauflosfabuliert. Es kam die wirblige, kleine mit südländischem Akzent redende Putzfrau, die so herrlich drauf war. Es kamen zwei sich liebende Senioren, zwei Badegäste, die wenig später die Sauna aufsuchten. Man spürte theatergegebene Vergesslichkeiten, sah beispielsweise Frau Schwaller und den im so bequemen Sessel dösenden Mario Carroni, der allen – ob sie das nun wollten oder eben nicht – zum x-ten Mal übers Verlassen seiner Heimat in Süditalien und den Wechsel in die, seiner Meinung nach so ruhigen, durchorganisieren, landschaftlich reizvollen Schweiz bereitwilligst zu erzählen begann. Er tat dies mithilfe eines Albums, war so beseelt, genussvoll eine Episode nach der anderen hervorholend. Und deren Inhalte wurden vom Ensemble ebenso munter, kunstvoll, volksnah und riesig beseelt ausgespielt.

Da war Marios Vater, ein dominierender, umherbrüllender und rechthaberischer Mafioso, der seinen Sohn als Nachfolger im Abwickeln der einschlägigen Angelegenheiten sah – was aber Mario ganz anders einstufte. Da war die Mutter, die immer wieder von der Geburt ihres Marios erzählte. Mario fuhr mit dem Zug weg und landete in Weinfelden, nicht gerade dort, wo die erträumte Szenerie wartete. Es kam zum mehrfachen Gang aufs Einwohneramt, es schloss die Suche nach Beschäftigung dank Hilfe des Arbeitsamtes an – und das war knochenharte Arbeit auf dem Bau – wie es sich für Italiener damals gehörte. Von der Beliebtheit der Fremden war da nicht viel zu spüren. Mario hatte ab Beginn seines Aufenthalts in den «fremden Landen» von der leitenden Tätigkeit in einer Bank oder bei einer Versicherung geträumt. Er berichtete seinen Eltern nicht alles so, wie es wirklich war. Er berichtete über seine Familie und das Eigenheim, erwähnte nicht unbescheiden den Wohlstand. Seine Eltern tauchten urplötzlich auf – nachdem sie den Besuch per Brief angekündigt hatten. Da brauchte er schon die Hilfe des theaterbegeisterten Pöstlers, der sich als Marios Frau wundersam in Szene setzte.

Marios Vater wollte einen Banküberfall im Stile des Mafiosi, der Sohn tat sehr widerwillig mit, inszenierte die Sache – nur scheinbar – zu seinen Gunsten. Die Sache flog auf, da sich ja alles aufklären liess. Mario machte sich selbstständig, es wurde noch ein Hackerangriff inszeniert, das Licht erlosch und nach viel Vergnüglichem, theatergerecht auch Überzeichnetem war alles zu Ende. Einige verweilten im Foyer – in regem Gespräch mit Schauspielern und Bekannten und freuten sich bereits auf den 29. Oktober mit Kindern und Jugendlichen der Glarner Musikschule.