Die Souveränität des Glarnerlandes

Unter dem Titel «Glarus – souverän!? Unabhängigkeit und Freiheit in der Glarner- und Schweizergeschichte» veranstaltete der Historische Verein des Kantons Glarus am 31. Oktober eine historische Tagung. Die eindrückliche Auswahl von Referenten lockte über hundert Leute in den Landratssaal, einen Drittel davon Gäste aus der Schweiz.



Angeregte Diskussion: Thomas Maissen diskutiert mit anderen Referenten über die Souveränität des Kantons Glarus. (Bild: zvg)
Angeregte Diskussion: Thomas Maissen diskutiert mit anderen Referenten über die Souveränität des Kantons Glarus. (Bild: zvg)

Bildungsdirektor Benjamin Mühlemann wies in seiner Begrüssung darauf hin, dass der Kanton Glarus im Bereich der Bildung tatsächlich weitgehend souverän sei, damit aber auch Verantwortung einhergehe. Rolf Kamm zeigte in seinem Referat, dass Glarus bereits vor 1415 eine reichsrechtliche Tradition besass. Der Winterthurer Historiker Peter Niederhäuser schilderte die Hintergründe und den Ablauf des Konstanzer Konzils, an dem die Glarner ihre Reichsfreiheit erhielten. Offenbar waren die Eidgenossen nur mit Mühe für einen Krieg gegen die Habsburger zu gewinnen. Christian Sieber referierte anschliessend über die Bedeutung des Reiches im 16. Jahrhundert. Der Zürcher Historiker gilt als einer der besten Kenner des Glarner Gelehrten und Politikers Aegidius Tschudi, der als eidgenössischer Gesandter 1559 selbst bei Kaiser Ferdinand I. weilte. Dass das alte Land Glarus einigermassen selbstständig bleiben würde, war nicht bereits 1415 klar. Ob sich ein Gebiet eigenständig entwickeln konnte, lag nicht nur an der Reichsfreiheit, sondern auch an seiner Lage und seiner Bedeutung für das eidgenössische Bündnis, wie der Heidelberger Professor Thomas Maissen zeigte. Er ist der erste Schweizer, der das Deutsche Historische Institut in Paris leitet. Nach Maissen wurde das alte Reichsrecht ab dem 17. Jahrhundert mehr und mehr durch das neue Völkerrecht verdrängt, spielte aber in Glarus bis ins 18. Jahrhundert noch eine gewisse Rolle.

Nach einem ausgezeichneten Apéro riche und vielen anregenden Gesprächen präsentierte der Berner Professor André Holenstein die Glarner Geschichte als Verflechtungsgeschichte: Durch die Vernetzung mit dem Reich und der Integration in das eidgenössische Bündnis gelang es den Glarnern eine Bedeutung zu erlangen, die sie alleine nie gehabt hätten. Die gemeinen Herrschaften brachten Geld nach Glarus, während man die kostspielige Sicherheitspolitik weitgehend an die grösseren Orte delegierte. Den Abschluss der Veranstaltung machte der emeritierte Zürcher Rechtsprofessor mit Glarner Wurzeln. Daniel Thürer hält nicht viel vom Souveränitätsbegriff, der aus dem Absolutismus stammt und heute fast nur noch in der Schweiz hochgehalten wird. Wie die Geschichte der Glarner Landsgemeinde zeige, funktioniere die Volks-Souveränität nur mit und in Schranken. Die Staats-Souveränität wiederum sei seit 1945 infrage gestellt, da sich «das Völkerrecht auch für das Innere eines Landes interessiert».

Ein grosses Verdienst der Tagung ist, dass sich namhafte Historiker intensiv mit der Glarner Geschichte befasst haben und ihre Erkenntnisse einem breiten Publikum präsentierten. Es konnten wichtige Parallelen zwischen der Glarner- und der Schweizergeschichte hergestellt werden, Lehren für die Gegenwart drängten sich oft geradezu auf. Die Tagung «Glarus – souverän!?» war ein Gewinn für alle Teilnehmerinnen und Teilnehmer, für die Gäste aus der ganzen Schweiz und für die Geschichte des Kantons.