Eine Deutsche im Ring

Was für eine Aufregung – Landsgemeinde 2013, schon fünf Tage davor sprachen Martin Meier (Chefreporter Südostschweiz) und ich in der Mittagspause mit Felix Blumer über das Wetter. Felix «versprach» Sonnenschein und erzählte über den Draht zur Regierung, die nach schlechten Wetterprognosen durchaus ermächtigt wären, die Landsgemeinde um eine Woche zu verschieben, letztmals 1978 vorgekommen. Zumindest laut dem SFR – Richi Bertini sagt dazu ganz klar: «Nein, das war 1979. Und es war auch nicht die 626. Landsgemeinde, wie der werte Herr Landammann sagt. In einem Jahr hatten wir sogar mal 8 Landsgemeinden.»



Eine Deutsche im Ring

Auch dieses Jahr wurde gezittert, bis Samstagabend zeigte sich die Wetterlage unbeständig. Doch dann das Erwachen am Sonntagmorgen – bei herrlichem blauen Himmel und wunderschönen «Puffwölkchen» fuhren wir von Linthal nach Glarus und erlebten wieder einmal das, was uns immer wieder aufs Neue begeistert: das Glarnerland als einzigartiger Karton mit seinen Traditionen und besonderen Werten. Kanton Glarus – der einzige Kanton, in dem noch jeder einzelne wahlberechtigte Glarner das Wort ergreifen kann und mit seiner Idee und der Zustimmung seiner Landsleute etwas bewegen kann. Martin und ich freuten uns, auch wenngleich sich unsere Wege ziemlich schnell wieder trennen würden. Er im «Glarnerhof» mit Martin Vogel, der Regierung und Co. und ich vor dem Rathaus, wartend auf ihre Ankunft.

Nicht mehr ganz fremd

Eine Kolumne solle ich doch schreiben – aus Sicht einer Deutschen über die Landsgemeinde, so der Auftrag von meinem glarus24-Team. Doch ganz deutsch ist man nach etwas mehr als einem Jahr im Glarnerland nun auch nicht mehr. Längst weiss ich es zu schätzen, wenn man die Regierung, die Mitmenschen und die anderen Fotografen kennt. Landsgemeinde – ein Wiedersehen von allen, die einem auch bei anderen Glarner Anlässen über den Weg laufen und perfekt, um wieder die besonderen Glarner Motive in die Kamera zu bringen. Ums Politische musste ich mich diesmal glücklicherweise nicht kümmern – um zum ersten Unterschied zwischen mir als Deutsche und den Glarnern im Ring zu kommen.

Demokratie im Osten?

Direkt an der Zonengrenze von Berlin wuchs ich auf, bis zu meinem neunten Lebensjahr grüssten mich als Schulkind morgens die Männer mit Gewehr auf dem Rücken. Meine Eltern durften mich nicht aus Schulhaus 1 abholen, da das Gebäude auf dem Grenzstreifen stand. «Mit Politik wollen wir nichts am Hut haben» – so die Einstellung meiner Eltern, die sich auch im Osten aus jensten politischen Aktivitäten unter anderen aus eigenem Schutze heraushielten und doch gebe ich zu, später ganze zwei Mal in Deutschland bei den geheimen Wahlen dabei gewesen zu sein. Geheim – die Partei, die ich damals wählte, hatte ein solides Konzept, doch persönlich kannte ich keinen der Verantwortlichen.

Und überall die Bettigas

Anders im Glarnerland, so erinnere ich mich doch zu gern an das Abendessen mit unserem Landammann im «Schweizerbund» Linthal zurück, an all die Anlässe, bei denen uns die Bettigas über den Weg laufen – von den Zugpferdetagen in Haslen über die 31-Jahr-Feier der «Rämlers», dem Sommerbühnenkonzert und dem Inferno-Wochenende in Braunwald bis hin zur grossen Holztribüne auf dem Landsgemeindeplatz. Oder nehmen wir den Weibel Armando Cornelli – zu schön war doch die letzte Bandprobe der «Rämlers» vor der 31-Jahr-Feier, seitdem lächelt der Weibel immer ganz lieb in die Kamera und ist schon auf etlichen Bildern in meinem PC. Man kennt sich, auch wenngleich ich gestehen muss, dass ich nicht einmal Johann Schneider-Ammann ohne Hilfe des Sportbahnen-Braunwald-Direktor Christoph Meier erkannt hätte.

Der Randalenunterschied zu deutschen Grossstädten

Man kennt sich und jeder weiss vom anderen, wie er abgestimmt hat, ob live gesehen, im Fernsehen, oder auf etlichen umhergrasierenden Bildern, die Stimmkarte in Grün wurde erhoben – etwas, was in Deutschland niemals möglich wäre. Ich brauch wohl kaum zu sagen, welche Art von Demokratie ich die Bessere finde, auch die Deutschen fänden es toll, direkt an der Gesetzgebung und der Politik beteiligt zu werden. Vielleicht gäbe es dann irgendwann in etwa 100 Jahren keine 1.-Mai-Randale mehr, aber eben, Randale machen diejenigen, die sich unerkannt fühlen und in Deutschland gibt es ja definitiv mehr Anonymität als im Glarnerland.

Glarner Kalberwurst vs. Pizza

Um zum letzten Unterschied zwischen mir als Deutsche und den meisten Glarnern im Ring zu kommen: Ich gönnte mir nach der Landsgemeinde nicht die traditionelle Glarner Kalberwurst, zu lang war mir die Schlange am «Hösli»-Stand, schnell eine Pizza und ab an die ersten Fotoauswertungen, denn schon um 16.50 Uhr marschierte ich selbst ins Rathaus. BSINTI-Vereinstreffen im Glarner Rathaus und so viel zum Besprechen ... Nur ums kurz zu sagen: Der Herr Diplomat Benedikt Wechsler, zuvor bei den Abstimmungen auf dem Landsgemeindeplatz gesehen, verspätete sich ganze 15 Minuten zum Treffen und das Erste, was er machte: Er klappte unauffällig seinen Laptop auf und sah sich auf der glarus24-Seite schnell die ersten Bilder der Landsgemeinde an.