Eine Stadt erwacht

Lange hat er gedauert - dieser Winter. Seit Ende September letzten Jahres bis Ende März zeigten die Thermometer hier in Moskau Minusgrade. Ungewöhnlich viel Schnee bescherte uns so manchen Tag Chaos.



Impressionen von der Putzaktion in Moskau (Bilder: mcmächler)
Impressionen von der Putzaktion in Moskau (Bilder: mcmächler)

Den höchsten von mir gemessenen Schneehaufen war über 2 Meter 50 hoch. Wohlbemerkt: in der Stadt. Obwohl viele hundert Menschen tagtäglich damit beschäftigt waren, den Schneemassen Herr zu werden. Doch endlich hat sich der Frühling angekündigt. Für Moskauer Verhältnisse eher früh. In den letzten beiden Jahren mussten wir bis Ende April auf wärmere Zeiten hoffen. Es ist immer wieder interessant, zu beobachten, wie diese Stadt aus dem Winterschlaf erwacht. Die Tage werden länger, dafür die Röcke kürzer. Doch nicht nur das. Sobald das Thermometer über die Nullgrenze steigt, strömen viele Millionen Menschen am Wochenende auf die Strassen und in die Parks. Man geniesst das Licht und die wärmeren Temperaturen. Man hält sich oft draussen auf. In der Winterzeit wird es morgens so gegen halb 10 erst so richtig Tag und um 4 Uhr nachmittags ist es schon wieder dunkel. Sechs ein halb bis sieben Stunden Tageslicht. Und das über Monate. Dazu kommt das meist schlechte Wetter, das die Tage noch kürzer macht. Da zieht es einen im Frühling automatisch aus den Häusern. Es ist erstaunlich, wie schnell sich die Vegetation vom meist harten Winter erholt. Innerhalb sehr kurzer Zeit blühen die Bäume und Blumen. Geht man einige Tage nach den ersten, wärmenden Sonnenstrahlen durch die Parks, sieht man schon die ersten Bäume blühen. Der Frühling muss sich ja auch beeilen, viel Zeit hat er nicht. Schon bald wird es richtig warm und in den Monate Juli und August kann das Thermometer schon mal die 35 Grad Marke erreichen. Doch schon anfangs, bis Mitte September ist es damit vorbei. Im 2009 hatte es schon am 20. September das erste Mal geschneit. Auch wird die Stadt jeden Frühling wieder auf Vordermann gebracht. Die Strassen werden vom winterlichen Schmutz befreit. Die vielen Zäune farbig angemalt, hunderte von kleinen Märkten spriessen aus dem Boden. Man bemüht sich, der riesigen Stadt ein freundliches Aussehen zu geben. Was mir in all den Jahren und vielen grossen Städten in denen ich gelebt habe, aufgefallen ist, Moskau ist die sauberste Metropole, die ich bisher gesehen habe. Da wundern sich bestimmt einige und meinen, dass die Schweizer Städte da doch sauberer sind. Ja, vielleicht was die Luft betrifft. Aber, das habe ich auf meinen vielen Spaziergängen festgestellt, hier findet man kaum Müll auf der Strasse, kaum Papierfetzen die herumfliegen, keine überfüllten Papierkörbe. Und das nicht nur im Zentrum, auch in den Aussenbezirken sorgen viele Arbeiter dafür, dass Sauberkeit herrscht. Wobei man dabei bemerken muss, viel Staub und Schmutz liegen in der Luft. Es mag wohl sauber aussehen, doch darf dies nicht darüber hinwegtäuschen, viele Fabriken und Kohlekraftwerke befinden sich mitten in der Stadt und deren Kamine verfügen kaum über Partikel-Filter. Am Samstag dem 17. April, kurz vor Mittag, war ich mit dem Auto auf dem Nachhauseweg. Beim Teich, der sich in unserem Quartier befindet, fiel mir eine Gruppe Damen auf, die -ausgerüstet mit Kehrichtsäcken - den Schmutz und Unrat rund um den Teich einsammelten. Ich stoppte und gesellte mich zu ihnen, weil es mich interessierte, was sie da tun. Mein Russisch ist eher bescheiden, doch glücklicherweise war eine junge Dame dabei, die Englisch sprach. Olga erklärte mir: "Es ist Tradition, dass die Bevölkerung an einem bestimmten Frühlingstag die Stadt säubert. Das war in der kommunistischen Zeit befohlen. Da mussten alle mit anpacken. Doch jetzt tun wir das freiwillig. Und es macht uns auch Spass." Spontan luden sie mich zu einem Picknick ein. Weiter erfuhr ich, sie arbeiten für das Finanzministerium der Stadt Moskau. So verbrachte ich das Mittagessen in dieser illustren Damengruppe. Ich finde, diese Putzaktion ist eine sehr gute Sache mit Vorbildcharakter.