Entschleunigung

«Sag mal, hast du auch WhatsApp? Bist du auch auf Twitter? Hast du überhaupt ein iPhon? Brauchst du unbedingt!» Solche und ähnliche Fragen und Kommentare höre ich in letzter Zeit sehr oft. Und ich habe immer die gleiche Antwort: Nein! Habe ich nicht und bin ich nicht und brauche ich auch nicht.



Werksfoto Siemens & Halske 1956.
Werksfoto Siemens & Halske 1956.

Schade, kriege ich dann zu hören. Wenn ich dies und das auch hätte, könnte ich immer und überall mit allen verbunden sein und kommunizieren. Nun, brauche ich das überhaupt? Und die andere Frage, die ich mir immer stelle: Will ich das überhaupt? Zugegeben, so ein Handy ist sehr praktisch und kann auch in manchen Situationen hilfreich sein. Aber ist es notwendig, es immer dabei zu haben? Muss ich immer anderen mitteilen, wo ich gerade bin und was ich tue?

Geht man mit erhobenem Haupt durch die Stadt, sieht man zwar viele Menschen, aber keine Gesichter. Die meisten haben ihren Kopf gesenkt und starren gespannt auf ihr Handy oder iPhon. Und passt man nicht auf, gibt es so manche Zusammenstösse. Ganz einfach, weil die meisten nicht mehr auf die Strasse oder in die Welt hinausschauen, sondern nur noch auf ihr unerlässliches Kommunikationsmittel, das bei sehr vielen Menschen schon zum Lebensmittelpunkt geworden ist.

Sitze ich in einem Café und will gemütlich etwas trinken, piepst und tutes es unerlässlich von allen Seiten. Da habe ich schon so manche skurrile Situation erlebt. Da klingelt oder piepst es und sofort greifen alle in ihre Tasche, Jacke oder Hose und schauen, ob nun wieder eine Meldung für sie gekommen ist. Wenn nicht, steckt man es wieder enttäuscht ein. Nur einer jubelt. Das war für mich

In manchen Lokalen in Berlin gibt es schon Handy-Verbote. Das finde ich gut. Denn ich will nicht immer wissen, weshalb, warum und wieso die Herrschaften am Nachbartisch gerade in diesem Café sitzen und wohin sie später noch gehen. Situationen, die man auch sehr oft erlebt, da sitzen einige junge oder auch ältere Leute zusammen an einem Tisch und alle drücken an ihrem Handy oder iPhon herum. Keiner unterhält sich mit dem anderen. Da frage ich mich, ob man sich für diese Aktivität überhaupt in ein Café setzen muss. Das würde doch bequem auch von zu Hause aus funktionieren.

Kürzlich sagte jemand zu mir: «Mein Gott, hast du ein antikes Handy. Was kann den dieses Ding überhaupt?» «Damit kann man telefonieren und SMS schreiben», antwortete ich.
Diese Person schaute mich bemitleidend an und zeigte mir ihr iPhon. «Schau mal, wenn du so ein Gerät hast, kannst du viel schneller Mitteilungen schreiben.»
«Na und?» denke ich. Kommt es wirklich auf ein paar Sekunden an? Früher, als man noch Briefe schrieb, hat man zwei Wochen auf eine Antwort gewartet. Und man hat überlebt. Man hatte auch noch viel mehr Zeit.

Ist es durch all die elektronischen Hilfsmittel, die wir mittlerweile benutzen, und uns Zeit einsparen soll, ruhiger geworden? Haben wir dadurch wirklich mehr Zeit? Nein, haben wir nicht. Und dies sollte uns doch etwas zu denken geben.

Ich für meinen Teil bin sehr zufrieden, wenn ich nicht immer und überall erreichbar bin. So hat man auch mal Zeit für sich und die eigenen Gedanken. Würde bestimmt so manch anderen auch mal gut tun.

Entschleunigung. Oder es gibt einen passenden Ausdruck im englischen «Slow Life». Eine Lebenseinstellung, die einem plötzlich ganz andere Perspektiven und Möglichkeiten aufzeigen kann. Probieren Sie es mal aus. Legen Sie Ihr Handy oder iPhon mal für einen Tag weg. Sie werden sehen, was für ein toller Tag das werden wird.