Erfrischender, showferner Auftritt in Schwanden

Es braucht nicht immer überlaute Musik, Verstärkung bis ins höchste Phonsegment, irgendwelche Tanzeinlagen und spektakuläre Scheinwerferorgien, um den Grad einer Darbietung adäquat zu werten. «Träfe» Worte, feinsinnige Betrachtungsweisen, aufeinander hervorragend abgestimmte Bandmitglieder, gesangliche Eleganz und einfühlsames Ankündigen vermögen auch zu genügen; sind enorm überzeugend – beispielsweise wenn Linard Bardill dafür verantwortlich zeichnet.



Linard Bardill und seine Tubeschlagbänd aus Scharans. (Bilder: p.meier) Linard Bardill. Paul Aebli (links) würdigt und verdankt den Auftritt.
Linard Bardill und seine Tubeschlagbänd aus Scharans. (Bilder: p.meier) Linard Bardill. Paul Aebli (links) würdigt und verdankt den Auftritt.

Es darf gewiss als Glücksfall bezeichnet werden, dass er von der rührigen, von Paul Aebli und seiner Crew engagiert geführten Gemeindestube Schwanden, für einen abendfüllenden, leider nicht eben stark besuchten Auftritt in das Gemeindezentrum Schwanden verpflichtet werden konnte. Bardills heimeliger Bündner Dialekt war beinahe raumfüllend. Seine Fabulierkunst, das von Herzlichkeit geprägte Rezitieren erforderte ein gar aufmerksames Hinhören. Er erwies sich als subtil Betrachtender, als einer, dem Werden und Vergehen in der weiten Natur, viel Zwischenmenschliches, Ruhe und sorgsamer Umgang mit allen Elementen, Bewahren von Toleranz und Wertschätzung nicht gleichgültig sind. Er findet deutliche, treffende Worte, wenn es ums Aufbauen, Bewahren und Reflektieren geht. Dazu kommen die Fähigkeit des Geniessens, des Verweilens, Tratschens, Vermutens und Träumens. Es sind diese und weitere Elemente, die das bewegende Musizieren und genussvolle Zuhören so überzeugend gesamtheitlich machen. Anhänger des Überlauten, Überdrehten, der hohlen Worthülsen und vordergründig wahnwitzigen Sensationen werden seinen Auftritten wohl immer fernbleiben. Bardills Zielpublikum liebt Besinnliches, geerdete Ehrlichkeit, Gradliniges, schätzt es von kleinen Sorgen, überall existenten Konflikten zwischen Generationen, Bedrohung der Natur, deren Erhabenheit und Allmacht zu vernehmen – vor allem dann, wenn es in eine spürbar bewegende musikalische Form eingebunden ist, die mit zuweilen leisen Tönen, aber auch mit Freude und Kraft daherkommt.

Bei Linard Bardill und seiner Tubeschlagbänd ist das Ausgestalten kein professionelles Muss, eine Arbeit, die schnell erledigt sein will. Es dominieren Genuss, gegenseitige Anteilnahme, Mitswingen, spontanes Lob, hoch aufmerksames Mittun in wohltuender, das Publikum einbeziehender Art. Gerade diese Gesamtheit, das «Rüberkommen» schaffte viel Sympathie und Anteilnahme. Linard Bardill, nicht zum erstenmal in Schwanden, wohnt heute in Scharans, ist Vater von fünf Kindern und hat sich unter anderem mit dem «Kleinen Buddha», seinem Sohn mit Downsyndrom, in die Herzen vieler Personen gesungen. Er ist nicht bloss ein Vertreter der leisen Töne, ein Bewahrer des Behutsamen. Seine Vielseitigkeit und der hohe Bekanntheitsgrad sind faszinierend. Dazu gehört ohne Zweifel der bewegende Auftritt mit der Tubeschlagbänd aus Scharans, sein Flirten mit einem Ort, der – wie viele andere – stetem Wechsel unterworfen ist. Bardill und seine Leute schwärmen genussvoll und intentionsreich von Freiheit, Weiten, Alpen, Natur, Tieren, mannigfaltigen Geschichten, vom Wegdriften, von Überdruss, Frieden oder Bedrohung, einfach von der Vielfalt, die unser Leben ausmacht. Das Ausgestalten erfolgt mit Ruhe, hoher musikalischer Eleganz, Abgestimmtheit. Man lehnt zurück, schwingt innerlich mit, lässt sich von Spannendem mitziehen, folgt dem Sinnieren mit Anteilnahme und Spannung.

Mit dem letzten Lied wusste man sich in Scharans ein klein wenig zuhause und mit der zweiten Zugabe und der herzlichen Würdigung durch Paul Aebli war allen klar, dass der Abschied Tatsache geworden war.