Fahrtsbrief in versöhnlichem Ton

Der Fahrtsbrief, der am Donnerstag auf dem Fahrtsplatz von Ratssekretär Josef Schwitter feierlich verlesen wird, hält zwar die kriegerischen Ereignisse und die Mordnacht von Weesen klar und deutlich fest. Aber er ist frei von Rachedurst und Hass.



Die Kreuz- und Fahnenträger auf dem Weg zum Fahrtsdenkmal. (Bild: ehuber)
Die Kreuz- und Fahnenträger auf dem Weg zum Fahrtsdenkmal. (Bild: ehuber)

Er dünkt uns vom Inhalt, vor allem aber auch von der Sprache her, viel eher auf Versöhnung ausgerichtet. Eigentliche kriegerische Kraftwörter finden wir kaum, steht doch z.B. für „Verrat“ „heimliche Sachen“ - und der „Herzog Lüpoldt von Oesterrich“ ist ein „durchluchtiger Fürst“.

Natürlich wird die Auseinandersetzung in allen Details dargestellt, aber der oder die Verfasser des Fahrtsbriefes verzichteten auf jeglichen Triumph. Vielmehr schreiben sie den Sieg - und das mehrfach - den überirdischen Mächten zu, „dem almächtigen Got, siner lieben mutter Marien und den hochgelobten himelfürsten Sant Fridli und Sant Hilari, unsern getrüwen lieben Nothelffern und allem himelschen Heer“ (oder: „und allen Gottes Heilgen“).

Und der Schlusssatz, nach der Verlesung der Namen der Gefallenen, ist besonders eindrucksvoll: „Diesen und allen andern abgestorbenen christgläubigen Seelen wolle Gott gnädig und barmherzig sein.“ „Alle andern“, damit waren die gefallenen Gegner gemeint.

Zwischen 1401 und 1450 entstanden



Warum dieser Tonfall? Die Näfelser Fahrt ist eine Wallfahrt, ein „krützgang“ von allen Kirchen des Landes Glarus. Eine echte religiöse Feier erträgt aber keine Grobheiten (auch wenn das andernorts und zu andern Zeit der Fall gewesen sein mag). Beim elften und letzten Gedenkstein wird das Gebet eingeleitet mit „Herr, Du bist der Gott des Friedens“.



Hier lässt sich anknüpfen.




Der Fahrtsbrief ist vermutlich zwischen den Appenzeller Kriegen und dem Alten Zürichkrieg, also zwischen 1401 und 1450, geschrieben worden, in einer Zeit, da sich die Beziehungen zwischen Österreich und den Eidgenossen alles in allem zu bessern begannen und die Loslösung der Glarner von den frommen Damen in Säckingen, denen sie zinspflichtig waren, mit Zustimmung der österreichischen Kastvögte vereinbart wurde. Da wollte man die Österreicher also nicht unnötig durch (sprachliche) Emporstilisierung des Sieges von Näfels ärgern. Wir haben es zwar bis heute nicht fertig gebracht, Habsburg-Österreicher an die Fahrt einzuladen, aber der Schlussstrich unter den „tötlichen krieg und fiendschaft“ ist ja längst gezogen.

Gute Glarner Art




Es ist wohl doch gute Glarner Art, Versöhnung anzustreben, im Militärischen wie im Politischen und Feuer und Wasser nebeneinander gelten zu lassen. Die Fahrt hat in frühern Jahrhunderten die Glarner allerdings entzweit, weil den Reformierten, die es 1388 noch nicht gegeben hatte, die Feier lange allzu katholisch dünkte, nicht bedenkend, dass die Ermordeten von Weesen und die Gefallenen von Näfels ja katholischen Glaubens gewesen sind. Man hat sich dann auf die (katholische) Feier in der traditionellen Form in Näfels und auf ein reformiertes Gedenken in den örtlichen Kirchen geeinigt, bis man ab den 1830er Jahren wieder zum gemeinsamen Gedenken fand, das heute wohl seinen schönsten Ausdruck in der starken Teilnahme Reformierter am Hochamt in der Pfarrkirche Näfels findet - und wäre es auch bloss wegen der berühmten Messen (heuer die Harmoniemesse von Haydn).