Fetziges und Virtuoses im Wortreich Glarus

Als «Blues goes Africa» war in der Kulturbuchhandlung Wortreich Glarus ein Konzert mit besonderen Vorzeichen angekündigt. Angenommen, der Blues und seine Interpreten wären in Afrika geblieben, hätte der Auftritt in der kleinsten Hauptstadt gar nie stattgefunden und eine Vielzahl erwartungsfreudiger Zuhörer wären enttäuscht ins traute Heim zurückgekehrt, ohne grandiose Musikerlebnisse samt wechselvollen, mitreissenden Begegnungen.



Perkussionist
Perkussionist

Glücklicherweise kehrten alle nach Glarus so zurück, dass Christa Pellicciotta, Leiterin des Wortreich--Teams, vor vollem Haus begrüssen konnte. Es war das sprichwörtlich letzte Plätzchen besetzt.

Zwei der drei Interpretierenden mussten nicht speziell vorgestellt werden. Sie sind gar liebe «Gäste des Hauses» und warten – für viele wohl zu selten – mit musikalischen Leckerbissen auf. Martin Lehmann aus Schwanden, Gitarrist, Mundharmonikaspieler und Sänger war der Erste, der Blues-Mundharmonikaspieler Beppe Semerano aus dem nicht so fernen Mailand der zweite Geheimtipp. Ihnen angeschlossen hatte sich – nachdem der Blues in Afrika geweilt hatte – der westafrikanische Ethno-Musiker, Massa Koné aus Mali, ein Perkussionist, der Rhythmus, dynamische Differenziertheit, Schlagrepertoire und ungemeine Lebensfreude und ansteckendste Gestaltungskunst in sich vereint. Und so kamen drei Musiker aus zwei gar verschiedenen Kulturen zusammen, um zu erproben, was sich denn so ergeben könnte, was sich für einen Auftritt eignen würde. Die ungeheure Experimentierfreude, das hohe spielerische Können und die Fähigkeit, aufeinander zu hören, sich einzustimmen, anfänglich Ungewohntes weiterzuentwickeln, auf Rhythmen und Klänge gegenseitig einzugehen, derartige Fragmente auszubauen, führte zu Konzertantem, das von den Zuhörenden mit spürbar steigender Anteilnahme und Begeisterung aufgenommen wurde. Martin Lehmann brauchte bloss auf seinen «Spickzettel» am Boden zu schauen – schon wuchs ein neues Stück. Und alles zeichnete sich durch ein mitreissendes Aufbauen, das gegenseitige Aufputschen, den Weg zu kurz Solistischem, das Gemeinsame aus.

Es «chlepfte» zuweilen ganz gehörig, Beppe Semeraro musste in seinem «Schnuregiige-Köfferli» etwas Passendes zu Kommendem suchen, Martin Lehmann gab Tonarten intern durch, stimmte seine Gitarre, Massa Koné hörte hin, trommelte sich zu Melodien ein, die er vorgängig vielleicht nur mal kurz gehört hatte und dann ging es los – bis kurz vor Mitternacht, mit nie erlahmender Leidenschaft und stürmischem Fordern des Publikums. Es war ein herrlicher Reichtum an Gefühlen, Wucht, Sehnen, Freude, Beschwörendem, Stimmungen, Harmonien, Abgestimmtheit der drei auf der kleinen Bühne. Dass sich die beiden Europäer zuweilen im heissen Afrika wähnten, war nicht nur der Hitze im Konzertraum zuzuschreiben, die Dichte der Musik, deren stimmungsvolle, kunstreiche und leidenschaftliche Interpretation trug das ihre bei. Und Kunst war, einen Schluss zu finden – grad mit dem Versprechen, dass man sich irgendwann gewiss wieder hören werde.