Für eine menschliche Schweiz

Am 18. Juni ist nationaler Flüchtlingstag, am 19. Juni Flüchtlingssonntag der Kirchen und am 20. Juni Weltflüchtlingstag. Damit soll den Anliegen von Flüchtlingen breite Beachtung geschenkt werden.



Die Flüchtlingstage fördern den gegenseitigen Austausch und die Begegnungen. (Bild: mb)
Die Flüchtlingstage fördern den gegenseitigen Austausch und die Begegnungen. (Bild: mb)

Die Bilder und Berichte von Menschen, die über das Mittelmeer und auf der Balkanroute in Richtung Westeuropa flüchten, lösen Entsetzen und Hilflosigkeit aus. Das Leid dieser Menschen, die vor Krieg und Elend flüchten, rückt in unsere unmittelbare Nähe und ist mit grossen Herausforderungen verbunden. Nicht nur für die Flüchtlinge, sondern auch für uns.

Die Menschen, die bei uns um Aufnahme bitten, brauchen unsere Solidarität und Unterstützung. Darauf wollen auch die Flüchtlingstage im Juni aufmerksam machen. Sie gehen auf eine Initiative der Schweizerischen Flüchtlingshilfe von 1980 zurück. In den vergangenen Jahren haben sie sich zur wichtigsten Sensibilisierungskampagne für die Anliegen von Flüchtlingen in der Schweiz entwickelt, indem sie den gegenseitigen Austausch und die Begegnung fördern.

Schade, findet aus Kapazitätsgründen am 18. Juni kein Flüchtlingstag in Glarus statt. Die verschiedenen Stände auf dem Rathausplatz haben jeweils zu einem guten Austausch und Verweilen eingeladen. Als kleinen Ersatz gibt es am Freitagabend, 17. Juni, immerhin eine Vernissage des Glarner Brückenangebotes Integrationsklasse unter dem Titel «Emotionen in Glarus – Emotionen der Welt» im Güterschuppen Glarus. 15 Jugendliche unterschiedlicher Herkunft wollen mit ihren Werken daran erinnern, dass uns Menschen mehr verbindet als trennt. Eventuell werden auch einige ausländische Stände in die Vernissage integriert. Die Fotoausstellung dauert dann bis 30. Juni.

Zum Flüchtlingssonntag vom 19. Juni ruft uns das Hilfswerk der Evangelischen Kirchen Schweiz, Heks, dazu auf, Farbe zu bekennen für eine menschliche Schweiz. Ein «Menschlichkeitsarmband» soll als Zeichen der Solidarität dienen. Auch viele Kirchgemeinden widmen den Gottesdienst an diesem Tag den Menschen, die ihre Heimat verlassen mussten. Sie laden Flüchtlinge zu Anlässen ein und machen sie mit Mitgliedern der Gemeinde bekannt. Sicher eine gute Gelegenheit, um den gegenseitigen Austausch zu fördern. Die Kirchgemeinden rufen zur Solidarität auf, bringen die Heks-Menschlichkeitsarmbänder unter die Leute und sammeln mit den Kollekten Geld für die Flüchtlingsarbeit.

Unter dem Titel «Hiobsbotschaften» ist am 1. Juni ein Aufruf der christlichen Kirchen und der jüdischen Gemeinschaft «zum Flüchtlingssonntag und Flüchtlingssabbat vom 18./19. Juni 2016» erschienen. Darin wird an die täglich neuen Hiobsbotschaften erinnert, die nicht mehr überraschten, sondern zum gesetzten Thema jeder Nachrichtensendung gehörten. «An Hiob erinnert nicht das plötzliche Hereinbrechen der Katastrophe, sondern der enorme Sturm von Gewalt und Zerstörung, der alles mitreisst. In den Kriegs- und Konfliktregionen bleibt kein Stein auf dem anderen. Landkarten werden genauso durcheinandergewirbelt wie politische Koalitionen. Und in Europa strandet, wer diesen Sturm überlebt. Die Balken des europäischen Hauses knarren bedenklich unter diesen Sturmausläufern, und auch in Europa bläst den Gestrandeten inzwischen ein scharfer Gegenwind ins Gesicht», heisst es im Aufruf.

Natürlich trenne der Sturm nicht «zwischen Gewaltopfern, Notleidenden, Verfolgten, Trittbrettfahrern und Profiteuren. Aber wer sich zumutet, hier präzise unterscheiden zu können, sollte zuvor einen Blick auf Hiob werfen. Zuerst wird ihm sein riesiger Besitz genommen – ökonomisches Risiko! Dann wird seine Familie Opfer eines Wirbelsturms – das Schicksal kann jede und jeden treffen! Schliesslich zerstören Krankheiten seinen Körper – so ergeht es vielen!»

Und schliesslich: Angesichts der riesigen Flüchtlingsströme stehe mit Europa auch die Schweiz vor enormen Herausforderungen. «Einfache Lösungen gibt es nicht. Um unserer humanitären Tradition willen dürfen wir unsere Empathie für Menschen in Not nicht abhängig machen von ihrer rechtlichen Anerkennung als Flüchtlinge. Zwischen der Mitmenschlichkeit und der Anwendung politischer Unterscheidungskriterien klafft eine Lücke, in der sich die Gebrochenheit unserer eigenen menschlichen Existenz spiegelt», schreiben die Vertreter des Schweizerischen Evangelischen Kirchenbundes, der Schweizer Bischofskonferenz, der Christkatholischen Kirche der Schweiz und des Schweizerischen Israelitischen Gemeindebundes.

Trotz der starken Worte und Bilder lässt mich dieser Aufruf einigermassen ratlos zurück. Vor allem der letzte Satz. Sicher, die Lösungen sind nicht einfach, im Gegenteil: Im Moment weiss glaub niemand, wie man den enormen Flüchtlingsströmen begegnen soll. Dennoch hätte ich mir von den Kirchenvertretern einen etwas konkreteren Aufruf gewünscht. Wir alle können zum Beispiel den Flüchtlingen, die bei uns in der Nachbarschaft leben, mit persönlichen Begegnungen helfen, sich zurechtzufinden in der für sie fremden Welt. Können sie einladen, mit ihnen kochen, Zeit mit ihnen verbringen, sie sprachlich unterstützen. Das wäre doch ein gutes Zeichen für eine menschliche Schweiz, wie sie das Heks propagiert. Oder eine Bestätigung der Aussage der Jugendlichen aus dem Brückenangebot, dass uns Menschen mehr verbindet als trennt. Was meinen Sie dazu?