Glarner Kalberwürste im Kreml

Nun, so weit sind wir zwar noch nicht, dass sich Russlands Präsident Medwedew Glarner Kalberwürste servieren lässt. Aber allzu weit davon entfernt, sind wir nicht. Luftlinie sind es 8,9 km. Ulitza Krzhizhanovskogo 23 – da bin ich in Moskau zu Hause.



Moskau ist eine sehr interessante Stadt; Bilder vom Roten Platz und vom Kremel beweisen das eindrücklich.
Moskau ist eine sehr interessante Stadt; Bilder vom Roten Platz und vom Kremel beweisen das eindrücklich.

Ab und zu duftet es sehr verdächtig nach Glarnerland. Ob nun «Zigerhöräli» oder Kalberwürste in der Pfanne, ein Stück Heimat, zumindest am Herd, ist immer dabei. Meine Koffer sind jeweils gut mit Glarner Spezialitäten gefüllt. Und sind wir doch ehrlich, Servelas schmecken weit ab von der Heimat doppelt so gut. So gönne ich mir manchmal ein Glarner Menü.

Ich werde, wenn ich im Glarnerland bin, des Öfteren gefragt, wie das Leben in Moskau so ist. Nun, generell kann man sagen, es ist nicht viel anders als sonst wo auf der Welt. Man wohnt, kocht, arbeitet und kauft ein. Abgesehen davon, dass Moskau 17 Millionen Einwohner hat, gibt es in unserer näheren Umgebung keine grossen Unterschiede. Unser Haus steht in einer ruhigen Gegend. Man könnte es mit einem Aussenbezirk einer Schweizer Stadt vergleichen. Es gibt viel Grün und es ist sauber. Einige kleinere Supermärkte, Marktstände mit Früchten und Gemüse, Restaurants, viele Apotheken und alles was man zum Leben so braucht. So betrachtet gibt es keine grossen Probleme.

Immer wieder höre ich von Moskau-Besuchern, wie toll es war und sie schwärmen vom russischen Flair. Da muss ich ihnen durchaus beipflichten. Moskau ist eine sehr interessante Stadt. Geschichtlich, kulturell und auch architektonisch. Es gibt hier viel zu sehen und zu erleben. Schliesslich bewegt man sich in einer völlig anderen Kultur und das ist immer interessant. Nun, lebt und arbeitet man aber hier, bekommt man auch ein anderes Bild. Da wäre zum Beispiel die Sprache. Russisch ist sehr schwierig zu erlernen. Ich habe es die ersten Monate ernsthaft versucht. Ich spreche auch einige Brocken, aber damit kommt man nicht weit. Historisch gesehen ist Russisch eine Weltsprache. Der ganze Ostblock hatte noch bis in die Neunzigerjahre Russisch auf dem Schulplan gehabt. Auch heute noch gibt sich der Russe keine Mühe eine Fremdsprache zu erlernen. Wozu auch?! Russland ist gross. Mit Englisch ist in Moskau kein Durchkommen. Wenn ich also etwas Spezielles zu erledigen habe, wie zum Beispiel das Auto in den Service bringen, brauche ich immer einen Dolmetscher. Auch beim Einkaufen stosse ich immer wieder an meine Grenzen. Ob bei der Post oder bei der Bank, auf den Märkten, immer wieder scheitert man mit seinem Vorhaben an der Sprache. Das ist auf die Dauer gesehen ziemlich anstrengend. Für kurze Zeit mag das interessant und auch lustig sein. Ich erinnere mich da an manchen Urlaub in fremden Ländern, doch wenn man sich tagtäglich damit herumschlagen muss, wird man müde. Müde im Geiste.

In den Sommermonaten, wenn das Wetter warm ist und nicht gerade einwöchiger Landregen über Moskau hinwegschwebt, gehe ich oft spazieren. Ich fahre dann mit der Metro an einen Ausgangspunkt und gehe durch die Strassen der Stadt. So habe ich in den letzten zwei Jahren grosse Teile von Moskau gesehen und durchwandert. Ich bin aber noch lange nicht durch mit diesem Programm. Spass macht es allemal. Immer sehe ich wieder etwas Neues. Ich treffe auf Kuriositäten, grosse und kleine Denkmäler, die zu Tausenden über die Stadt verteilt sind. Ich liebe es, mich so anonym durch die Stadt zu bewegen. Oft setze ich mich hin und beobachte das Geschehen. Mal bin ich in einem Arbeiterviertel, mal bin ich mitten im Zentrum. Und wenn ich dabei noch Blick auf den Kreml habe, denke ich mir trotz allen Schwierigkeiten, dass es für mich ein Privileg ist, als eingefleischter Glarner die Welt kennenzulernen so wie sie wirklich ist: ungeschminkt und real. Ich darf Dinge erleben, die nur schwer zu erklären sind. Und es ist auch nicht nötig, alles immer zu erklären. Man sollte es so nehmen, wie es ist. Ohne überheblich zu sein, macht es mich auch stolz, ich als kleiner Glarner bewege mich manchmal in einer Gesellschaft, die für andere unerreichbar ist. Auch wenn nicht immer alles so läuft, wie man es sich wünscht, und man oft auf Probleme stösst. Gerade in Moskau muss man sich immer wieder neu motivieren. Das ist nicht immer einfach und ab und zu auch anstrengend. Doch eines darf man nicht vergessen: Ich erlebe viel, lerne viel und freue mich immer, wenn ich das alles mit anderen teilen kann.

Nur eines werde ich in Moskau mit niemandem teilen, das sind ­– Sie ahnen es sicher schon – meine mitgebrachten Kalberwürste, Zigerstöggli und Servelas. Das sind immer kulinarische Höhepunkte. Und glauben Sie mir, das Glarner Landsgemeinde-Menü in unmittelbarer Nähe des Kremls zu geniessen, ist ein ganz besonderes Gefühl. Doch da ich aber leider nicht im Einflussbereich des Kremls stehe, wird es wohl noch ein Weilchen dauern, bis der herrliche Duft von «brätlätä Servälä» und «Zigerhöräli» über den Roten Platz weht. In diesem Sinne Grüsse aus Moskau.