«Glarus weltoffen» lud ein

«Glarus weltoffen» versteht sich als Arbeitsgruppe, die im Sinne der ökumenischen Erwachsenenbildung aktuelle Probleme ethischer und sozialökologischer Natur aufgreift und zum Auseinandersetzen seit 1998 einlädt. Für dieses Jahr war das Thema «Flucht und Asyl» gewählt worden. Mit dem letzten der vier Anlässe wurden Einblicke in das Asylwesen unseres Kantons gewährt.



Mitgestaltend waren unter anderem (von links): Christina Saredi
Mitgestaltend waren unter anderem (von links): Christina Saredi

Andreas Zehnder, Leiter Hauptabteilung Soziales unseres Kantons, und Thomas Elber, seit wenigen Wochen Zentrumsleiter des Asylbereichs, referierten im Chilcheträff Ennenda. Der Andrang war riesig. Nach den Referaten und den Stellungnahmen zu vielen Fragen wurde man von Asylsuchenden und Ina Haus, Mitarbeiterin im Durchgangszentrum Rain Ennenda, mit Getränken und liebevoll zubereiteten kulinarischen Leckereien verwöhnt.

Einblicke in das Glarner Asylwesen


Begrüsst wurden alle von Claudia Kock Marti. Sie wies auf die vier Teile der diesjährigen Veranstaltungsreihe hin. Eröffnet wurde das Begegnen Ende Februar mit dem bewegenden Dokumentarfilm «Vol special» von Fernand Melgar zum Thema «Ausschaffung abgewiesener Asylberwerber und Sans – Papiers aus der Schweiz». Es schlossen ein Vortrag von Arnold Hottinger, ehemaliger NZZ-Nahostkorrespondent, und das Begegnen mit dem Kommunikationsspezialisten und Künstler Dan Wiener an. Ein herzlicher Dank ging an Ina Haus und Asylsuchende, die im Projekt «Gasthaus» mittun und regelmässig im Jugendhaus Glarus und der Blauen Baracke Näfels Besuchende bewirten.

Andreas Zehnder ist Leiter der Hauptabteilung Soziales des Kantons Glarus. Er, später auch Thomas Elber,neuer Zentrumsleiter Asylwesen und ehemaliger Asylkoordinator im Kanton Schaffhausen, referierten bemerkenswert sachlich, offen und kompetent.

Zehnder wies darauf hin, dass der Kanton Glarus seit dem 1. April 2015 für die Asylbetreuung selber zuständig ist. Neben der Sachlage im Glarnerland musste Zehnder die gesamtschweizerische und europäische Situation in seine Erläuterungen unabdingbar einbeziehen. Zu den vielen präsentierten Zahlen gehören ebenso viele Menschen und deren Schicksale. Viele von ihnen sind zum Verlassen ihrer ehemaligen Heimat gezwungen worden. Es kann davon ausgegangen werden, dass im vergangenen Jahr in den europäischen Staaten zwischen 1,3 bis 1,4 Millionen Asylgesuche gestellt worden sind. An Hauptgründen erwähnte Zehnder Fakten wie die anhaltenden Konflikte im Nahen Osten (Syrien, Irak), Folgen des Arabischen Frühlings, Kriege in Afghanistan und andernorts, systematische Verfolgungen in verschiedenen Ländern, instabile politische Lage am Beispiel von Libyen. Erwähnung fanden zudem die nun praktisch geschlossene Balkanroute und die Verlagerung der Flüchtlingsströme übers Mittelmeer und jene ungefähr 850 000 Flüchtlinge, die im vergangenen Jahr von der Türkei nach Griechenland gelangten.

In der Schweiz wurden 2015 rund 39 500 Asylgesuche gestellt. Das sind 15 750 mehr als im Vorjahr. Zehnder verglich diese Zahlen mit jenen der Kosovo-Krise im Jahre 1999. Er merkte an, dass aktuell Deutschland, Österreich und Schweden bevorzugte Zielländer für Asylsuchende seien.

Zahlen und Fakten fürs Glarnerland


Im vergangenen Jahr wurden unserem Kanton von den Schweizerischen Empfangszentren 229 Asylsuchende zugewiesen. Die Anzahl der verfügbaren Plätze wurde auf 300 erhöht. Gegenüber 2014 ist das eine Erweiterung um 60 Plätze. Im ersten Quartal dieses Jahres sank die Zahl der Asylgesuche – wohl wegen der geschlossenen Balkanroute.

Ab Mai dürfte sich wegen der Reise übers Mittelmeer nach Italien die Zahl der Asylgesuche wieder ändern. Es wird sich zeigen, ob der Brenner für Flüchtlinge geschlossen wird.

Bewährt hat sich in unserem Kanton die dezentrale Unterbringung. In 20 verschieden grossen Zentren mit 5 bis 45 Beherbergungseinheiten stehen aktuell 323 Plätze zur Verfügung. Die Unterkünfte sind zu 87 Prozent belegt. Die dezentrale Unterbringung vermindert das Konfliktpotenzial, hat aber für die Betreuenden lange Anfahrtswege samt grösserem Aufwand zur Folge.

Die zu erbringenden Leistungen sind beachtlich. Erwähnt wurde die Betreuung von unbegleiteten minderjährigen Asylsuchenden. Im Kanton sind das aktuell 9 männliche Personen zwischen 16 und 18 Jahren. Dieser Personenkreis verfügt zumeist über eine ungenügende Schulbildung. Es wurde deshalb ein Brückenangebot (Integrationsklasse) geschaffen. Es ist zu hoffen, dass in absehbarer Zeit eine zusätzliche Berufsausbildung angeboten werden kann. Zehnder betonte, dass auf allen Stufen «am gleichen Strick» gezogen werden müsse, um Erfolg zu haben. Nur dann können Beschäftigung, Integration, Verständnis unserer Kultur und andere Grundwerte wirksam und nachhaltig vermittelt werden. Am schlimmsten sind Nichtbeschäftigung und Rumhocken. Zehnder ist erfreut, dass die Beschäftigungsangebote in allen drei Gemeinden deutlich ausgeweitet werden konnten.

Davon haben alle, auch die 90 Beschäftigten, profitiert. Der Integrationsförderung muss nachhaltig Beachtung geschenkt werden, auch weil das Bleiberecht markant zugenommen hat. Es muss alles daran gesetzt werden, dass die Abhängigkeit von Sozialhilfen gar nicht erst markant und andauernd aufkommt. Integration muss über den Arbeitsmarkt gelingen. Seit dem 1. Dezember sind im Kanton zwei Personen mit einem Pensum von 160 Prozent für 150 Flüchtlinge zuständig. 106 Personen wurden Sprachkursen zugewiesen. Auf dem Weg in die berufliche Selbstständigkeit werden im Moment 57 Personen zwischen 18 und 25 Jahren begleitet.

Ohne Zivilgesellschaft geht es nicht. Andreas Zehnder ist beeindruckt, dass die Hilfsbereitschaft spürbar gross ist. Viele Fragen treffen beim Kanton ein. Das freiwillige Engagement soll mit einem Verein als Träger koordiniert werden.

Thomas Elber befasste sich einleitend mit Konflikten in Bosnien (1993), in Kosovo, dem Arabischen Frühling (2011–2013), dem Anstieg der Gesuche aus Eritrea ab 2007, dem Syrienkrieg und damit verbundenen Flüchtlingsströmen samt politischen Reaktionen. Wie das weitergeht, weiss einfach niemand. Betreuende haben Ungewissheit auszuhalten. Elber zeigte auf, wie die Unterbringung abläuft, aus welchen Ländern die meisten Asylsuchenden stammen. Afghanistan, Eritrea, Syrien und Sri Lanka stehen an der Spitze.

Es ist Tatsache, dass viele Asylsuchende traumatisiert sind, unsere Kultur und Sprache nicht verstehen, keine Beschäftigung haben, Integration lernen müssen. Die Betreuenden haben enorm viel zu vermitteln. Sie begleiten, helfen, organisieren. Es sind verschiedene Fachdienste angeboten, unter anderem auch ein Kulturtreff im ReVier Ennenda oder Begegnungen im Volksgarten Glarus (einmal pro Monat ab Juni).

Fragen und Antworten


Die Antworten zu einigen Fragen können wie folgt zusammengefasst werden: Die Belegung von Zivilschutzunterkünften kommt nur in Grenzfällen zum Tragen. Viele Spenden habe man erhalten, fast zu viele. Die 15 Franken Taschengeld pro Tag entfallen auf den Lebensunterhalt (11 Franken), Taschengeld (3 Franken) und Restbetrag. Die dezentralen Unterkünfte können aus Kostengründen nicht permanent besetzt bleiben, es besteht ein Pikettdienst. Privatplatzierungen haben sich grösstenteils bewährt, dieses Begleiten ist fordernd. Wie gross das Interesse in unserem Kanton ist, weiss man hingegen nicht.

Dieses Begegnen hat vielen etwas gebracht. Der organisierenden Gruppe «Glarus weltoffen» ist es dank kompetenten Referenten und Helfern gelungen, ein gutes Sensibilisieren aufzubauen.