Grenzerfahrungen im Tessin

Die traditionelle Wanderung des MTV Ennenda überraschte mit Gegensätzen. Sanfte Hügel und steinige, steile Wege führte die Turnerschar im doppelten Sinne an Grenzen.



Vereinswanderung des MTV Ennenda. (Bild: zvg)
Vereinswanderung des MTV Ennenda. (Bild: zvg)

Sonne, Palmen, Grotto und dolce fare niente, damit verbindet man die Sonnenstube der Schweiz. Die bis knapp unter die Gipfel bewaldeten Berg- und Hügelzüge verleihen der Landschaft einen sanften, lieblichen Charakter. Dieser Eindruck änderte sich kaum, als die Gondel mit einem sanften Ruck an der Bergstation vom Monte Lema, auf 1550 Meter über Meer, zum Stehen kam. Ein traumhaftes Panorama, mit dem Luganersee und dem Malcantone zu Füssen, begrüsste die 19 Turner. Die Kameras klickten, die Herzen gingen auf, die Wanderung konnte beginnen. Doch schnell wich das Sanfte, Liebliche dem Rauen. Durch hüfthohe Stauden, unterbrochen von üppig blühenden Alpenrosen, ging’s erst mal steil bergab, bevor wir, nicht minder steil, den Aufstieg zum Poncione di Breno unter die Füsse nahmen.

Nach kurzer Rast folgte die für die nicht ganz Schwindelfreien kaum enden wollende, lange Gratwanderung. Zur Linken die italienische Grenze, zur Rechten der Blick über Lugano bis zum Monte Ceneri. Herrliche Aussicht für die einen, Grenzerfahrung für den Schreibenden. Vom Monte Gradiaccioli, wo die wohlverdiente Mittagsrast eingelegt wurde, führte der Weg über steile Schotterwege hinunter zum Bassa de Montivia. Der Anblick des noch steileren Monte Tamaro, weiche Knie und erste Ermüdungserscheinungen bewogen einige, den deutlich flacheren Weg zur Capanna Tamaro zu nehmen. War die Hütte vor Wochenfrist noch eingeschneit, trafen die durstigen Kehlen heute glücklicherweise auf offene Türen. Der Abstieg zur Alpe Foppa, wie soll‘s anders sein, wieder über Schotterwege und Schneefelder. So verwundert es nicht, dass die einzigartige, nur aus Stein gebaute Kirche vom Stararchitekten Mario Botta weniger Zulauf genoss als die Gartenwirtschaft. Der Bus erwartete die Turnerschar in Rivera. Chauffeur Mario manövrierte den Bus sicher und gekonnt über die gefühlten 200 engen Kurven, hinauf zur Alpe di Neggia, dem heutigen Nachtlager. Wirtin Monika und Tizziana zauberten ein feines Nachtessen auf den Tisch, vergessen waren die Strapazen und schmerzenden Knie.

Der Regen hämmerte unaufhörlich auf das Dach, als die verschlafene Truppe am nächsten Morgen die Augen öffnete. Der Blick nach draussen liess die Leiden sprunghaft ansteigen. Grenzenlose Schmerzen grassierten, das potenzielle LazarettArtikel vergrösserte sich im Minutentakt. Fragende Blicke zu Tourenführer Franz Alberti. Sein strenger und entschlossener Blick liess keine Fragen offen. Es wird gewandert. Regensicher verpackt wurde der Aufstieg, begleitet von einer Ziegenherde, zum Monte Gambarogno in Angriff genommen. Bereits im Aufstieg liess der Regen nach. Die Wolken lichteten sich, spielten mit der Landschaft und gaben immer wieder Bruchstücke der überwältigenden Aussicht auf den Lago Maggiore, das Maggia-Delta und Ascona, frei. Ein Dankeschön an die tapferen Wanderer. Über Auen und Matten, durch imposante Buchenwälder wurde pünktlich zur Mittagszeit die Alpe Cedullo erreicht. Der Duft von Coniglio und Polenta lag in der Luft. Unter einfachsten Bedingungen gekocht, mutierte das Mittagessen zum Festmahl. Ein Tropfen Merlot, hausgemachter Kuchen und ein Kaffee Correto, glücklich und zufrieden war das Turnerherz.

Weniger zufrieden war Pater Giovanni. Bei der Kapelle Sant‘ Anna anerbot er sich spontan, den Sündern die Beichte abzunehmen, was unverständlicherweise (oder logischerweise?) nicht grossartig genutzt wurde. Alles hat seine Grenzen. In Indemini, dem Grenzdorf zu Italien, endete die diesjährige Wanderung. Eine Wanderung auf der, fernab von Klischees, der Tessin in seiner rauen, aber nicht minder faszinierenden und charmanten Weise erlebt werden konnte. Einer hat Grenzen gesprengt: Organisator und Reiseleiter Franz Alberti. Mit seiner 46 (!)- seitigen, rucksacktauglichen Dokumentation mit Karten, nützlichen Hinweisen, Routenbeschreibungen und vielem mehr erntete er verdienten Applaus und Anerkennung. Kompliment und danke Franz, so macht Reisen Spass. Möchtest du das nächst Mal dabei sein? Du triffst uns jeden Mittwoch um 20.00 Uhr in der Turnhalle Ennenda oder besuch uns auf unserer Website www.mtvennenda.ch MTV Ennenda, da wo’s gemütlich ist.