Obwohl diese Suche nach dem wahren Ich eigentlich überhaupt nicht mein Ding ist, fand ich an dem Ansatz des Autors Gefallen und werde ihn deswegen für Sie hier wiedergeben. Der Grundgedanke ist folgender: Das was wir sind, ist nur eine Idee oder sagen wir mal eine Erfindung von unserem Bewusstsein. Wir sind also nicht diese Person mit der wir uns ständig beschäftigen. Denn wie könnten wir uns mit uns beschäftigen und uns gleichzeitig sein? Das wäre doch irgendwie schizophren. Aber wer sind wir dann, wenn wir nicht uns sind? Gemäss Kersschot sind und waren wir schon immer reines, leeres Bewusstsein ohne Urteil, ohne Werte, ohne Ambitionen. Wir sind das Bewusstsein, mit dem wir geboren wurden, das noch keinen Verstand hatte. Erst das Heranreifen unserer Persönlichkeit mit Schwächen, Stärken, Plänen, Intellekt und Selbstbewusstsein hat dieses ursprüngliche Ich verdeckt. Das klingt doch irgendwie plausibel. Weitergehend beweisen kann ich es allerdings nicht. Auch im Buch wird diese Annahme nicht wirklich belegt, was das Ganze natürlich wieder in die Glaubensecke rückt.
Jedenfalls habe ich seit der Lektüre die tröstliche Vorstellung, dass wir alle so ein kleines, rundes Kügelchen im Bauch haben. Dieses Kügelchen, das ist unser wahres Ich. Es ist ein rundes, angenehmes, gemütliches, kleines Ding, das wir nur gerade dann wahrnehmen, wenn wir eins mit uns sind, wie man im Volksmund so schön sagt. Das geschieht, wenn wir z.B. in etwas vertieft sind, das wir sehr gerne machen. Wenn wir uns in einer Tätigkeit auflösen. In meinem Fall wäre das beispielsweise beim Anblick von natürlich fliessenden Gewässern oder wenn ich durch einen Herbstwald gehe und die Luft von allerlei Herbstgerüchen geschwängert ist, oder wenn ich in der heissen Badewanne liege, während es draussen schneit. Leider habe ich keine abenteuerlichen Hobbys wie Gleitschirmfliegen, Fallschirmspringen, Skaten oder Klettern, aber ich gehe davon aus, dass Menschen mit diesen Hobbys genau darin aufgehen und also unbewusst ihr reines Bewusstsein spüren. Man kann auch meditieren oder sonst wie in sich hineinschauen, um sein reines, leeres Bewusstsein zu spüren.
Kersschot schreibt, dass dieses Bewusstsein, also dieses Ich, bei allen Menschen gleich ist. Dieses Kügelchen hat keine Persönlichkeit, kein Verlangen, keine Wünsche und kein Urteil, es ist völlig unpersönlich. Das heisst, wir teilen alle dieses entscheidende und lebensspendende Kügelchen. Wir teilen, was wir sind. Eine grosse Leere, ein Nichts und gleichzeitig alles. Das heisst, wir sind alle eins. Davon können Sie halten, was Sie wollen, aber es ist doch irgendwie ein versöhnlicher Gedanke, dass wir alle einen Haufen Kügelchen sind, die mit wachen Augen, aber ohne Verstand in die Welt hinaus-glotzen. Das gibt mir ein gutes Gefühl der Einfachheit und Schönheit. Das gefällt mir, mit mir meine ich jetzt die Persönlichkeit, die ich in diesem Leben darstelle, die Person als die ich mich bewusst fühle, denn mein wahres Ich hat ja überhaupt keine Vorlieben, es begnügt sich mit der nackten Existenz. Es ist einfach.
Ich und ich
Ich lese gerade so ein Buch über unser wahres Wesen. Das Gute daran ist, dass der Autor (Jan Kersschot) nicht von religiösen oder esoterischen Grundlagen ausgeht. Er sagt, sein wahres Wesen zu entdecken, sei für jeden möglich, unabhängig von spiritueller Überzeugung oder Affinität.