Im Glarnerland findet eine Informatikrevolution statt

Mit dem Entscheid für eine gemeinsame Informationsführung in den Gemeinden und dem Kanton leistet das Glarnerland Pionierarbeit. Die tiefgreifende Umstrukturierung des Kantons bot die einmalige Chance, eine schweizweit wohl wegweisende Informatikplattform einzuführen. Diese steht rechtzeitig zum Start der drei neuen Gemeinden bereit.



Eine gemeinsame Informationsführung in den Gemeinden und dem Kanton.
Eine gemeinsame Informationsführung in den Gemeinden und dem Kanton.

Als der Kanton Glarus und seine drei künftigen Gemeinden im Herbst 2009 beschlossen, eine gemeinsame Informationsführung zu realisieren, war ihnen die Aufmerksamkeit der ganzen Schweiz gewiss. Denn bisher kennt kein anderer Kanton eine solche Lösung. Die eidgenössische Informatik-Landschaft ist so föderalistisch und heterogen wie ihre politischen Strukturen. Auch im Kanton Glarus wäre es ohne die umfassende Gemeindestrukturreform GL2011 wohl kaum möglich gewesen, eine gemeinsame Informationsführung zu verwirklichen. Nur schon die Informatik der 25 bisherigen Gemeinden, 18 Schulgemeinden, 16 Fürsorgegemeinden und 9 Tagwen auf einen Nenner zu bringen, hätte die Kosten-Nutzen-Rechnung in eine absolute Schieflage gebracht. Und das für eine lange Zeit. Erst der Zusammenschluss all dieser Körperschaften zu drei Einheitsgemeinden hat diesen Schritt möglich gemacht.

Standardisierte Arbeitsabläufe

Auch so war der Aufwand gross genug. Der Aufbau der gemeinsamen Informationsführung bedingte, dass alle Arbeitsabläufe inklusive der jeweiligen Informatikunterstützung standardisiert werden mussten. Für die Entwicklung der entsprechenden Prozessmodelle wurde im Rahmen der Projektgruppe «C4-Ablauforganisation/Informatik» eine Arbeitsgruppe mit Vertretern aus den drei neuen Gemeinden und dem Kanton eingerichtet. Aufgrund ihrer Resultate wurden schliesslich die neuen Datenmodelle definiert. Künftig werden nun alle Abteilungen der drei neuen Gemeinden im jeweils gleichen Prozedere mit den jeweils gleichen Softwareprogrammen die jeweils gleichen Arten von Daten erfassen und führen – von der Einwohnerkontrolle über die Gebührenverrechnung und das Grundstückskataster bis hin zur Finanz- und Geschäftsverwaltung. Dasselbe gilt für die Technischen Betriebe und die Alters- und Pflegeheime.

Provider im Besitz der Benutzer

Betreiberin der neuen Informatikplattform des Glarnerlands ist die Glarus hoch3 AG, deren Rechenzentrum an ihrem Sitz in Ziegelbrücke und in Mollis untergebracht ist. Die Aktiengesellschaft war 2005 als freiwilliger Verbund von Glarner Gemeinden, Werken und dem Kanton gegründet worden, um eine kosteneffiziente Informatikinfrastruktur bereitzustellen. Ihre Grundlage ist ein gemeinsames Prozessmodell, das auf die Anforderungen jedes Kunden feinjustiert wird. Das Unternehmen stellt seinen Benutzern im Kanton Glarus nicht nur sämtliche Standardprogramme zur Verfügung, sondern rüstet sie auch mit der nötigen Hardware aus. In den Lieferumfang eingeschlossen ist die gesamte Festnetz- und Mobiltelefonie. Die Glarus hoch3 AG ist ein ausgesprochen schlankes Firmenkonstrukt: Sie verfügt über kein eigenes Personal, sondern bekommt dieses von externen Partnern nach Bedarf zur Verfügung gestellt. Lediglich für den Zeitraum vom 1. April 2010 bis 31. März 2011, in dem die Datenmigration durchgeführt wird, sind Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Umfang von 900 Stellenprozenten fest angestellt.

Am 26. Oktober 2010 haben die drei neuen Gemeinden Glarus Nord, Glarus und Glarus Süd den Vertrag mit der Glarus hoch3 AG unterzeichnet. Zu diesem Zeitpunkt lief die Migration der Systeme und Daten von den bisherigen zu den neuen Gemeinden und Technischen Betrieben schon auf vollen Touren. Die bestehenden Server wurden samt Inhalt 1:1 als virtuelles Bild erfasst und im Rechenzentrum von Glarus hoch3 abgespeichert, so wie man es bei Backup-Programmen für Computer kennt. Damit können die neuen Gemeinden weiterhin auf die «historischen» Datenstämme zurückgreifen. Parallel dazu haben die bisherigen Gemeinden mit tatkräftiger Unterstützung des Datenmigrationsteams von Glarus hoch3 die Datenstämme ihrer Objektverwaltung, Subjektverwaltung und Vertragsverwaltung aufbereitet und – in einem weiteren Schritt – zusammengeführt. Die Aufgabe stellte manche Gemeinde und manches Werk vor unliebsame Überraschungen. So mussten zum Beispiel in verschiedenen Orten noch Strassennamen und Hausnummern vergeben werden. In anderen Orten zeigte sich, dass in gewissen Häusern der Wasserverbrauch noch nicht mittels Wasseruhren verrechnet wird. Bis die obligatorischen Zähler eingebaut sind, wird der Wasserverbrauch provisorisch eingeschätzt und im entsprechenden Datenfeld als Pauschalbetrag eingegeben.

Hohe Erwartungen an Kostensynergien

Die drei neuen Gemeinden des Kantons Glarus haben im Herbst 2009 ein überzeugtes Ja für die gemeinsame IT-Plattform abgegeben. Weshalb? «Das erste und wichtigste Motiv war, dass die Zusammenarbeit mit Glarus Nord, Glarus Süd und dem Kanton wesentlich vereinfacht wird. Sehr stark ins Gewicht fiel zudem, dass wir mit diesem Schritt einen kostengünstigen IT-Betrieb sicherstellen konnten», antwortet Christian Marti, Gemeindepräsident von Glarus, auf die Frage. Martin Laupper, Gemeindevorsteher von Glarus Nord, stösst ins gleiche Horn: «In ein Programm einzusteigen, in dem alle Gemeinden die gleichen Arbeitsprozesse und die gleiche Standardsoftware haben, war eine grosse Chance. Die gemeinsame horizontale und – mit dem Kanton – vertikale Informationsführung wird eine spürbare Kostensynergie ermöglichen.» Gemeindepräsident Thomas Hefti von Glarus Süd bestätigt die Aussagen seiner Kollegen und nennt noch einen weiteren Beweggrund: «Die Gemeinde Schwanden, die ich früher präsidierte, war bereits dem Rechenzentrum von Glarus hoch3 angeschlossen und hat gute Erfahrungen gemacht.»

Auf die IT-Plattform des neuen Glarnerlands aufgesprungen sind auch die drei Technischen Betriebe (TB). «Für die gemeinsame Lösung gesprochen hat unsere Einsicht, dass der Betrieb einer eigenen Server-Infrastruktur nicht zu den Kernaufgaben und Kernkompetenzen eines Technischen Betriebes gehört», sagt Martin Zopfi, IT-Verantwortlicher der TB Glarus Süd, im Namen seiner Geschäftsleitung. «Die Vereinheitlichung der Prozesse liess zudem erwarten, dass gewisse Aufgaben kostengünstiger realisiert werden können.» Sind mit der gemeinsamen Lösung auch Nachteile verbunden? «Eine Standardisierung ist natürlich auch eine Begrenzung», entgegnet Martin Laupper. «Man kann sich nicht mehr, wie zuvor, jeden individuellen Wunsch erfüllen. Letztlich stellt sich jedoch nur eine Frage: Genügt die neue Lösung den Ansprüchen? Ist das der Fall, ist alles gut. Am 3. Januar 2011, dem Start der neuen Gemeinden und der Inbetriebnahme der neuen Informatikplattform, werden wir die Antwort wissen.» Einen Teil dieser Antwort kann Christoph Marti, Geschäftsführer von Glarus hoch3 AG, bereits vorwegnehmen. Am 24. Dezember ist die äusserst komplexe Migration der Daten, um deren gutes Gelingen alle gebangt hatten, erfolgreich abgeschlossen worden. Jetzt werden die Datenstämme der drei neuen Gemeinden noch nachkontrolliert und am 3. Januar 2011 definitiv für die Nutzung freigegeben.

Die Erwartungen an die umfassende Neugestaltung der Glarner IT-Landschaft sind hoch: Die einheitlichen Arbeitsprozesse, standardisierten Daten- und Berechnungsmodelle und kostengünstigen Informatikstrukturen sollen mittelfristig helfen, jährlich 500 000 bis zu einer Million Franken einzusparen. Falls die grössere Zielvorgabe erreicht werden könnte, wäre das ein ganzes Sechstel der Kostensynergien, die man sich von der Gemeindestrukturreform insgesamt verspricht.

Kanton entscheidet später

Die Ausrüstung der drei neuen Gemeinden mit einer gut funktionierenden Informatik hatte beim Aufbau der neuen IT-Plattform oberste Priorität. In welcher Form sich der Kanton anschliesst, wird laut Pierre Rohr, Leiter des kantonalen Informatikdienstes, zu einem späteren Zeitpunkt geprüft. «Weil der Kanton bereits über eine gute eigene Informatik verfügt und mehrheitlich völlig andere Aufgaben wahrnimmt als die Gemeinden, besteht keine hohe Dringlichkeit, über diese Frage zu entscheiden», erklärt Rohr. «Das Gemeinsame, so etwa die Portallösung und die Geschäftsverwaltung, haben wir gemeinsam angepackt, und das Unterschiedliche wird jeweils separat, aber koordiniert gelöst. Die Schnittstellen sind so definiert, dass die Zusammenarbeit mit den Gemeinden bestens funktioniert.»