Interview mit Melanie Marti



Interview mit Melanie Marti

glarus24: Im Dezember 2006 haben Sie, für viele sicher sehr überraschend den Rücktritt vom Spitzensport bekannt gegeben. Wie glarus24 Sie nun kennt, sicher nicht ohne neue Ziele. Können Sie uns darüber mehr verraten?

Melanie Marti: Parallel zu den vielen Wettkämpfen und den Trainings habe ich in Magglingen mittels Fernstudium das Diplom als Bürofachfrau erworben. Zurzeit bin ich daran noch das Handelsdiplom zu erwerben. Dazu fahre ich jeden Montag für einen Tag nach Zürich. Fest steht, dass ich nach den Sommerferien bei der Firma Marelcom in Haslen - im Betrieb meines Vater die Lehre als Kauffrau beginne. Dank meinen bereits erreichten Diplomen, dauert meine Ausbildung nur noch zwei, statt drei Jahre. Ich suche nach wie vor einen Temporärjob als Bürokraft in einem Unternehmen. Einen Bonus als Spitzensportlerin habe ich bei meinen bisherigen Bewerbungen nie gehabt. Nach Abschluss meiner Ausbildung möchte ich mich sicher noch weiterbilden und eine grosse Reise unternehmen.

glarus24: Wenn Sie heute auf Ihre erfolgreiche Karriere zurückblicken, was sind in den vielen Jahren in Ihren Augen die Höhepunkte und was die Tiefpunkte?

Melanie Marti: Während meiner doch neuneinhalb jährigen Zeit als Profi Kunstturnerin war ich lange vor grösseren Verletzungen verschont geblieben. Ich konnte auch während vielen Jahren immer top trainieren und konnte zum Schluss von meiner körperlich guten Verfassung zehren. Traurig stimmt mich höchstens, dass ich an der Kunstturn-Schweizermeisterschaft in Glarus krankheitsbedingt nicht teilnehmen konnte. Gegen Ende meiner Karriere haben sich leider die Verletzungen gehäuft. Mein Rücktritt, welcher nicht ausschliesslich infolge der Verletzungen erfolgte, bedeutet für mich kein eigentlicher Rückschlag. Ich sehe darin eher den Beginn eines neuen Lebensabschnittes. Gerne erinnere ich mich an verschiedene Höhepunkte in meiner Karriere zurück. Die olympischen Spiele in Athen, der 12. Platz im Mehrkampf an der Weltmeisterschat in Melbourne zählen sicher zu den absoluten highlight. Ich konnte an insgesamt fünf Europa- und an drei Weltmeisterschaften teilnehmen. Aber auch die drei Teilnahmen am Swiss Cup waren für mich bleibende Anlässe. Das Jahr 2005 war für mich im übrigen eine äusserst erfolgreiches Jahr und dies trotz den verschiedenen Verletzungen. Dank meiner guten körperlichen Verfassung und meiner mentalen Stärke erreichte ich in diesem Jahr immer wieder Topleistungen. Trotzdem konnte ich mich danach nie mehr so richtig von diesen Verletzungen erholen.

glarus24: Sie haben in den vielen Jahren im Spitzensport viel erlebt, mussten sicher aber auch auf vieles verzichten. Würden Sie trotzdem oder gerade darum, diesen Weg nochmals beschreiten?

Melanie Marti: Bereits mit elf Jahren bin ich von zu Hause weg und täglich nach Rüti gefahren. Mit dreizehn habe ich in einer Gastfamilie gelebt. Ich habe das alles aber nie als Belastung oder als Druck empfunden. Meine Eltern haben mich seit Beginn immer sehr gut beraten und auch unterstützt. In der ganzen Zeit wurde ich von dieser Seite nie unter Druck gesetzt, immer wurde mein Wille und meine Wünsche bezüglich meiner sportlichen Zukunft respektiert. Die sich immer häufiger abzeichnenden Erfolge haben mich zudem beflügelt. Und jedes erreichte Ziel war für mich Ansporn, für neue Motivationen. So gesehen würde ich diesen Schritt auf jeden Fall wieder wählen, ich habe während dieser Zeit die Gleichaltrigen selten um ihre „Freiheit“ beneidet. Da ich zu jener Zeit diese „Freiheit“ nicht kannte, habe ich sie auch nicht gross vermisst. Ich habe mir meinen Rücktritt nicht leicht gemacht und auch bei dieser Entscheidung haben mich meine Eltern nur beraten, nicht aber beeinflusst. Ich denke, dass meine Eltern, welche mich während meiner Karriere stets unterstütz und auch zu den Grossen Wettkämpfen begleitet haben, emotionell mit meinen Rücktritt ähnlich zu kämpfen hatten wie ich. Sie können jedoch meine Beweggründe nachvollziehen und haben mir nie Vorwürfe gemacht.

glarus24: Viele Spitzensportler widmen sich nach dem Rücktritt der Nachwuchsförderung oder bleiben in irgend einer Art dem Sport erhalten. Haben Sie in dieser Hinsicht Pläne?

Melanie Marti: Zurzeit habe ich mich generell etwas zurückgezogen und habe mir bewusst eine Auszeit genommen. So kurz nach meinen Rücktritt möchte ich mich in dieser Hinsicht nirgendwo festfahren oder festlegen, kann mir aber gut vorstellen über kurz oder lang wieder in irgend einer Form aktiv zu werden. Vorderhand freue ich mich auf viel Schnee, ich bin eine begeisterte „Snöberin“ und freue mich, dieses Hobby vermehrt betreiben zu können. Erstmals habe ich mich beim TV Haslen an die Schaukelringe gewagt, es war wirklich toll. Neu habe ich auch das Zeichnen als Hobby entdeckt. Nur schon das Zeichnen eines Baumes in seiner farblichen Vielfalt und den vielen Details bereitet mir Freude und Entspannung. Wie am Anfang gesagt, würde ich aber bis zum Beginn meiner Lehre im Sommer gerne irgendwo, wenn auch nur temporär arbeiten.

garus24 bedankt sich für dieses offene Gespräch mit Melanie Marti und wünscht ihr auch im Leben nach dem Sport viel Erfolg und Zufriedenheit.