Kolumne: Beim Zahnarzt

Kürzlich war es wieder so weit. Ich musste zum Zahnarzt. Mit grossem Unbehagen.



Rund zwei Drittel der Bevölkerung haben Angst vor dem Zahnarztbesuch. (Bild mb)
Rund zwei Drittel der Bevölkerung haben Angst vor dem Zahnarztbesuch. (Bild mb)

Rund zwei Drittel der Bevölkerung haben Angst vor dem Zahnarzt respektive vor der Behandlung. Ich gehöre auch dazu. Mit zunehmendem Alter wird es immer schlimmer. Früher ging ich locker zum Termin und lachte meinen Bruder aus, der sich jeweils eine Spritze verpassen liess. Ich doch nicht. Wieso auch?
Jetzt aber hat sich das gewandelt. Ich muss zugeben, die Corona-Jahre kamen mir sehr gelegen, um auf den jährlichen Besuch beim Zahnarzt zu verzichten. Das schlechte Gewissen meldete sich zwar ab und zu, aber ich verzichtete – trotz steter Erinnerungen meiner Zahnärztin.
Als nach der Pandemie der vorgeschobene Hinderungsgrund wegfiel, meldete ich mich schliesslich wieder an. Und oh Schreck, die Kontrolle ergab, dass ich drei alte Amalgamfüllungen ersetzen musste, weil sich an deren Rand ein Spalt gebildet hatte. Unter einer Füllung gab es sogar ein Loch.
Wir vereinbarten demzufolge einen Behandlungstermin. Ich war eigentlich froh, als den meine Zahnärztin wegen Krankheit verschieben musste. Dann war ich krank. Doch beim dritten Terminvorschlag gab es kein Entrinnen mehr. Ich musste an eine Redaktionskollegin denken, die einmal gesagt hatte, sie habe nur schon beim Gedanken an den Zahnarzt Schweissausbrüche. So ähnlich ging es mir nun auch.
Der besagte Tag kam, das Wetter draussen entsprach meiner Stimmung. Grau in grau. Im Wartezimmer waren wir zu viert. Eine ältere Frau, die völlig gelassen in einem Architekturheft blätterte – sie holte nur ihren Mann ab. Eine jüngere Frau, die zunächst am Handy rumdrückte, es dann aber in der Tasche versorgte. Ein Mann, der sich am Bildschirm die Endlosschlaufe mit weissen Zähnen und durchsichtigen Zahnschienen anschaute. Und ich, die eher verkrampft neben der Frau mit dem Architekturheft sass. Am Schluss war ich alleine im Wartezimmer. Super! Meine Nervosität wurde dadurch nicht kleiner.
Endlich holte die Dentalassistentin auch mich ab und führte mich ins hinterste Behandlungszimmer. Zur Desinfektion musste ich zunächst mit einer grüsigen Lösung meinen Mund spülen. Exakt 30 Sekunden lang – bis der Timer piepste. Gefühlt war es natürlich viel, viel länger!
Dann kam meine Zahnärztin und fragte, wie es mir gehe. Sie hätten ihren Gesichtsausdruck sehen sollen, als ich sagte, ich sei schon halbwegs gestorben. Sie zeigte jedoch grosses Verständnis, sprach mit mir und erfüllte meinen Wunsch nach einer lokalen Anästhesie. Ich könne auch jederzeit die Behandlung unterbrechen, sagte sie. Zum Beispiel indem ich die Hand hebe. Sie erklärte mir zudem, was sie nun genau mache. Gewöhnungsbedürftig war der sogenannte Kofferdam, der die zu behandelnden Zähne vom restlichen Mundraum abschirmte – wegen dem Amalgam. Das war eine Premiere für mich.
Dank der Spritze hatte ich keine Schmerzen. Zwei Füllungen waren links, eine rechts. Bevor sie zur rechten Seite kam, fragte mich die Zahnärztin, ob wir es hier ohne Betäubung versuchten wollten. Es sei nur eine kleine Füllung, und ich könne jederzeit unterbrechen und eine Spritze verlangen. Ich willigte ein – und auch diese Seite klappte gut. Schon mit kleineren Schmerzen, aber aushaltbar.
Nach einer guten Stunde war die Prozedur vorbei – und ich heilfroh. Nun habe ich hoffentlich wieder ein Jahr Ruhe. Denn ab sofort halte ich die jährliche Kontrolle wieder ein. Es kann nämlich gut sein, dass die restlichen Amalgamfüllungen plötzlich auch Probleme verursachen. Die sind ja schon mehr als 50-jährig. Eigentlich verrückt, dass die so lange gehalten haben. Ich weiss gar nicht, ob ich darüber froh sein soll. Denn früher wäre ich beim Ersetzen bestimmt lockerer gewesen …