Mögliche Auswege aus der Abhängigkeit

Energie-(un)abhängige Schweiz? hiess das Thema des Symposiums der Glarner Handelskammer. Namhafte Persönlichkeiten referierten und zeigten mögliche Auswege aus der Abhänigkeit von ausländischen Energiequellen.



Drei der Referenten: Ludwig Locher von EMS-Chemie
Drei der Referenten: Ludwig Locher von EMS-Chemie

Braunwald. – Mit «Energiegemeinde Glarus-Süd» ist das Rednerpult beschriftet, von dem aus Anders Holte als Präsident der Glarner Handelskammer das 10. Braunwalder Symposium eröffnet. Das letzte fand vor drei Jahren statt. Pankraz Freitag, dem die Tagesleitung obliegt, bezeichnet Energie als eine Grundlage unseres Wohlstandes. Jedoch: Drei Viertel des schweizerischen Energiebedarfs werden vom Ausland gedeckt, und selbst beim Strom reicht die eigene Produktion an immer mehr Tagen nicht mehr aus. «Da muss die Frage nach der viel zitierten Unabhängigkeit unseres Landes gestellt werden», so Freitag. Und genau diese Frage werde am diesjährigen Symposium gestellt.

84 Millionen Fass Erdöl pro Tag

Über 50 Prozent des Schweizer Energieverbrauches werde mit Erdöl gedeckt. Der Energienachschub sei ein bestimmendes Element unserer für uns selbstverständlichen Lebensqualität und die Grundlage des Funktionierens der Volkswirtschaft. «Der Streit ums Erdöl wird bald heftiger werden», davon ist Daniele Ganser als erster Referent überzeugt. In Basel baut er eine Institution auf, welche mit dem Insitut für Schnee- und Lawinenforschung in Davos verglichen werden könnte. Bei Ganser aber geht es um den Ausdruck Peak Oil. Das ist der kritische Zeitpunkt für ein Land, wann die Fördermenge von Erdöl das Maximum erreicht hat. Nachher geht es nur noch rückwärts.

Der Peak Oil ist demnach nicht das Ende des Erdölzeitalters, sondern die Halbzeit. Die USA haben diesen Peak 1970 erreicht. Bisher konnten sie das fehlende Öl importieren, und der nationale Peak blieb für den Konsumenten unsichtbar. Aber das Problem verschärft sich: Venezuela und Libyen hatten wie die USA ihren Peak 1970, Rumänien 1976, Indonesien 1977. Die Frage, wo der globale Peak Oil liege, werde die internationale Politik dominieren. Gegenwärtig liege der Verbrauch weltweit bei 84 Millionen Fass pro Tag. Ein Fass fasst 59 Liter.

CO2 um 90 Prozent gesenkt

«Energie, die wir nicht brauchen, ist die beste Energie», sagt Ludwig Locher, Leiter Ems-Services, Ems-Chemie AG. Er zeigt auf, was das Unternehmen als grosser Energiekonsument unternimmt. Die Herstellung von chemischen Grundstoffen sei ohne ausreichende Energieversorgung nicht denkbar. Für die Herstellung von Kunststoffen würden heute rund 2 Prozent des geförderten Erdöls eingesetzt. «Unter dem Szenario einer sich verknappenden Erdölversorgung stellt sich die Frage, wie lange die dazugehörigen chemischen Grundstoffe noch hergestellt werden können», so Locher.

Die Ems-Chemie verhindert Abfälle und hat gleichzeitig Massnahmen für die Rezyklierung von fehlerhaft produzierten Mengen umgesetzt. Für den Wärmebedarf werden Abfälle in jeglicher Form von Haushaltsmüll, feste und flüssige oder sogar gasförmige Abfälle aus den Prozessen eingesetzt. In den letzten fünf Jahren hat Ems-Chemie den Energieeinsatz pro Tonne Fertigprodukt um 30 Prozent gesenkt. Und im Jahre 2009 wird das Unternehmen den CO2-Ausstoss auf rund 10 Prozent des Ausstosses von 1990 gesenkt haben. Für die Exportwirtschaft seien die Energiekosten ein Wettbewerbsfaktor, machte Locher klar. «Wenn wir den Wirtschaftsmotor nicht drosseln wollen, ist die Verfügbarkeit langfristig zu sichern und dies zu moderaten international konkurrenzfähigen Preisen.»

Trumpfkarte Biomasse

Alexander Wokaun vom Paul Scherrer Institut spricht über neue Technologien und alternative Energiegewinnung als Beitrag zur Energieunabhängigkeit: Für jeden zusätzlichen Franken, den wir erwirtschaften, brauchen wir Energie. Wie können wir durch Effizienzsteigerung dieser These entgegenwirken, fragt sich Wokaun. Er erwähnt verschiedene Möglichkeiten – einerseits in Sachen Effizienztechnologien, wie im Gebäudesektor oder im Transportsektor. Anderseits in Substitutionstechnologien; dazu gehört die Wasserkraft, die Biomasse oder die Solarwärme. Wasserkraft sieht er als eine noch ausbaufähige erneuerbare Ressource. Die Biomasse bezeichnet er als einheimische Trumpfkarte; nach Hydro sei sie die wichtigste einheimische Option. Bei der Solarenergie gelte es, die richtige Variante am richtigen Ort einzusetzen. Und bei der Endenergie erinnert er daran, Effizienzsteigerungen bei der Elektrizitätserzeugung und bei industriellen Prozessen im Auge zu behalten. Den einzelnen Referaten folgt ein Podiumsgespräch der Referenten sowie eine Diskussion mit dem Publikum unter der Leitung von Landesttatthalter Pankraz Freitag. *Irène Hunold Straub ist Pressebeauftragte der Glarner Handelskammer

Was der Bund unternimmt

Was der Bund für die Energieunabhängigkeit unternimmt, legt Ständerat Carlo Schmid als Präsident der ständerätlichen Energiekommission dar. Im Artikel 89 über die Energiepolitik ist festgehalten, dass Bund und Kantone sich im Rahmen ihrer Zuständigkeiten für die Energieversorgung einsetzen und dass der Bund die Grundsätze über die Nutzung einheimischer und erneuerbarer Energien und über den sparsamen Einsatz von Energie festlegt. 80 Prozent der benötigten Energie importieren wir, nur 20 Prozent stellen wir selber her. Immer mehr werde die sich abzeichnende «Stromlücke» ab 2012 zitiert.

Eine Folge aus dieser Diskussion sei die neue Energiepolitik des Bundesrates, welche sich in die vier Bereiche Energieeffizienz, erneuerbare Energien, Grosskraftwerke und Energieaussenpolitik gliedere. Schmid nennt Sparmassnahmen, aber auch Kompensationsmassnahmen beispielsweise bei Gas- und Dampfkraftwerken: Da sei seiner Meinung nach eine hundertprozentige Kompensation des CO2-Ausstosses erforderlich – 70 Prozent im Inland und 30 Prozent im Ausland. Die erneuerbaren Energien würden ein relativ bescheidenes Potenzial darstellen, meint er, wenn er an die noch hohen Erzeugungskosten denkt. «Je grösser die Wirtschaftlichkeit wird, desto mehr wird man sie am Förderungskuchen teilnehmen lassen», so Schmid. Was die Grosskraftwerke betreffe, seien diese zwar leistungsfähig und zuverlässig, aber auch politisch umstritten, so Schmid im Hinblick auf Kernkraftwerke. (ih)