November

Es ist November geworden. Zeit für Besinnung und Gedenken. Der düstere Monat bereitet aber vielen Menschen Mühe.



Grau
Grau

Wie golden waren doch die letzten Oktobertage. Blauer Himmel, strahlende Sonne, milde Temperaturen. Auch Allerheiligen glänzte noch in wundervoller Pracht. An Allerseelen aber war alles anders. Regen, Wind, Nebel und Kälte herrschten an diesem grauen Tag vor. Unablässig prasselten die Regentropfen gegen die Scheiben. Die Gegensätze hätten nicht grösser sein können.

«Brr, ist das grüüsig», sagte eine Frau. Eben noch hatte sie mit ihrem Mann wundervolle Herbsttage im Engadin verbracht und sich dabei an den goldgelben Lärchen vor dem tiefblauen Himmel kaum sattsehen können. Nun tappte sie mit Gummistiefeln im heimatlichen Herbststurm umher, erledigte das Allernötigste und zog sich sofort wieder in ihr schützendes Heim zurück – nachdem sie noch einige sorgenvolle Blicke zum immer näher kommenden Schnee geworfen hatte.

Der Monat November bereitet vielen Menschen Mühe. Früher hat er mich auch sehr belastet. Ich konnte es kaum ertragen, mitansehen zu müssen, wie sich die Natur langsam in den Winterschlaf zurückzog. Wie Blatt um Blatt von den Bäumen fiel. Wie es kalt und dunkel wurde. Wie der Schnee langsam die Wiesen auch im Tal unten bedeckte.

Im Laufe der Jahre aber habe ich gelernt, besser damit umzugehen. Gibt uns die Natur mit diesem Monat nicht ein Zeichen, dass wir wenn immer möglich ebenfalls etwas kürzer treten sollen? Dass wir nicht ständig Terminen nachjagen, sondern bewusst Momente der Stille und Besinnlichkeit planen? Oder dass wir am Abend, wenn es früh dunkel ist, auch die Gemeinschaft pflegen, sei es in der Familie, sei es mit Freunden? Und mit Kerzen Licht ins Dunkel bringen?

So gesehen bereitet uns der düstere Monat November auf die Adventszeit vor, in der die Lichter wieder erstrahlen und wir auf Weihnachten warten, das Fest der Liebe und der Hoffnung. Nach der Kargheit des Novembers nehmen wir die funkelnde Pracht dankbar an und stehen auch anscheinend unumgänglichen Übertreibungen versöhnlich gegenüber. Die Kraft dazu hat uns vielleicht der Monat der Besinnung und des Gedenkens gegeben. Denken Sie einmal darüber nach.