O Primavera – musikalisches Einstimmen in Ennenda

Irgendwie stimmte einfach alles zusammen: Der wunderbar sonnige und angenehm warme Frühlingstag, der Saal des Gemeindehauses Ennenda als stimmiger, in seiner Art einzigartiger Konzertraum, eine aufgestellte Sängerschar, die sich spürbar sorgsam eingestimmt hatte, einfühlend und hochmusikalisch begleitende Instrumentalisten und Katharina Jud, deren musikalische Gesamtleitung von grosser Übersicht und animierendem Fordern zeugte.



O Primavera – musikalisches Einstimmen in Ennenda

Und dazu kam eine beinahe einmalig grosse Zuhörerschaft, die den Saal bis auf den praktisch letzten Sitzplatz in Beschlag nahm. Das Kommen hatte gar niemand zu bereuen. Alles klang so versöhnlich, kunstreich verwoben, harmonisch, zuweilen mit allzu grosser Zurückhaltung auf.

Der von Katharina Jud dirigierte Glarner Kammerchor hatte sich mit dem Erarbeiten des weit gespannten Programms – Chansons und Madrigale aus der Renaissance – sehr Forderndem gestellt. Zuweilen wurde der grosse Chor geteilt, eine Hälfte sang auf der Nordseite, der Rest vorne. Das harmonische Zusammenklingen, die notwendige Präzision und eine eher bescheiden gehaltene Dynamik erforderten ganz viel Konzentration. Die erfreulich grosse, sehr engagiert und einfühlend ausgestaltende Chorgemeinschaft konzentrierte sich enorm auf die Inhalte der Partituren, gar ernsthaft, wie auf vielen Gesichtern abzulesen war.

Wertvoll und willkommen war das Textheft mit vielen Informationen zu den Liedern, der Renaissance, dem ungemein aufmerksam begleitenden und weitere instrumentale Kompositionen ausgestaltenden Aedo Consort, der Dirigentin und dem Kammerchor.

Katharina Jud schloss vor elf Jahren an der Musikhochschule Luzern in Schulmusik II und Chorleitung ab. Zwei Jahre später wurde sie mit dem Kirchenmusikdiplom mit Hauptfach Orgel ausgezeichnet. Der heutige Schwerpunkt ihrer Tätigkeit liegt bei der Chorarbeit mit verschiedenen Formationen. Den Glarner Kammerchor leitet sie seit Ende 2010.

Tiago Sima Freire (Zink, Flöten, Perkussion); Claire Piganol (Harfe); Filipa Meneses (Violine) und Joan Boronat Sanz (Orgelpositiv) bilden das Aedo Consort. Sie vermögen in zurückhaltender, fast stiller Art Poesie und Musik zu verbinden. Sie begleiteten den Chor in willkommen mittragender Art. Ihr Interpretieren war mit zuweilen brillanten Flötenläufen, rhythmischem Begleiten, zarten Harfenklängen und dem Begleiten am Orgelpositiv erfüllt. Und ganz, ganz zart vernahm man das Jubilieren eines Vogels aus dem Irgendwo, unmissverständlich andeutend, dass auch seine Melodien gehört sein wollen.

Geschichtliches zur Renaissance, Hinweise zu den Komponisten Orlando die Lasso (1532 – 1594); Pierre Passereau (1509 – 1553); Pierre Certon (ca. 1510 – 1572), Giorgio Mainerio (ca. 1530 – 1582; Claudin de Sermisy zirka 1490 – 1562), Cipriano de Rore (zirka 1515 – 1565) Claudioe Monteverdi (1567 – 1643), Girolamo Frescobaldi (1583 – 1643) und andern Komponisten aus dieser Epoche gestatten bedingt einen Einblick in die riesige Vielfalt des unterhaltsamen Programms.

Roger Kern, Präsident des Glarner Kammerchors, lud alle zum Gang in den nahenden Frühling ein, mit herzlichen Worten, mit dem Hinweis auf zu erwartende Farbenpracht, die Kraft des Erwachens unserer Natur, den Aufbruch in Neues, Gehaltvolles, das Neuorientieren. Musik und Liedinhalte entstanden vor 400 Jahren. Man erfuhr aus den Liedtexten beispielsweise einiges über eine Dörflerin, die sich elend freut, dass ihr Mann Haus und Hof zu besorgen hat und dass sie sich hemmungslos vergnügt. Man las über ein Echo, das immer zu antworten hat – auch wenn ihm gar nicht darnach ist. Es wurde klar, das die Angebetete – mit Schönheit reich gesegnet – ihrem Liebhaber doch bitte einen ganz tollen Blick schenken sollte. Kuss, Eifersucht, der süsse Gesang der Nachtigall, die holden Frühlingstage, Kunst und Natur im Wechselspiel – wie reich ist doch der Frühling ! Und alles adäquat zu besingen, die oft lieblichen, zuweilen halt auch leicht kitschigen Geschehnisse der Zuhörerschaft einfühlend und umfassend beliebt zu machen, war gewiss alles andere als einfach. Lange Bogen, sanfte Harmonien, Beseeltes, Herzliches, ruhig Verharrendes, Traum und Weckruf, Tanz und Zärtlichkeit – allem gerecht zu werden, war sehr, sehr fordernd, verlangte gar aufmerksames Mitvollziehen. Einstimmen, Ausgestalten so vieler Botschaften. Ruhe, Verinnerlichtes, Zurückhaltung, Glanz, Beschwingtheit waren über eine gute Konzertstunde hinweg gefragt. Das war ebenso schwierig wie fordernd, verlangte grosse Konzentration und intensive, klangreiche Hinwendung zum jeweiligen musikalischen Momentum. Ein grosser, herzlicher Applaus war der verdiente Dank an die Interpretierenden, führte zur Zugabe.

Und dank offeriertem Apéro samt liebenswürdiger Gastfreundschaft durch die Chorleute ergaben sich gesellige Gespräche und gemütliches Verweilen fast wie von selbst.