Die einen verdrehen die Augen und sagen: «So ein Mist.» Andere schauen ab und zu rein, jedoch ohne grosse Begeisterung. Wieder andere finden das Gebotene spannend und amüsant: Das Schweizer Fernsehen stösst mit der zweiten Staffel von «Die grössten Schweizer Talente» auf unterschiedliche Zustimmung.
Seit dem 28. Januar laufen die acht Casting-Sendungen, in denen die Jury mit DJ Bobo, Christa Rigozzi und Roman Kilchsperger total 24 Acts fürs Halbfinale auswählt. Nach drei Live-Halbfinalsendungen ab dem 25. Februar steigt das grosse Finale am 17. März. Dann steht fest, wer die Nachfolge von Maya Wirz (Siegerin der ersten Staffel) antreten wird.
Rund 1400 Turnvereine, Tanzgruppen, Guggenmusiken, Akrobatinnen, Feuerkünstler, Sänger, Luftgitarrenspieler, Dompteusen, Komödianten usw. haben sich zu den Castings gemeldet. Darunter gibt es etliche mit grossem Selbstbewusstsein, aber kleinem Talent, sodass die Jury bereits nach kurzer Zeit auf die Buzzerknöpfe drückt. Aus der Traum ...
Doch es gibt natürlich auch durchaus talentierte Personen, welche die Jury und das Publikum begeistern. Absoluter Höhepunkt bisher war allerdings ein Auftritt ausser Konkurrenz in der dritten Casting-Sendung. Der 54-jährige Servicetechniker Bruno Ciervo sang die Arie «Wenn ich einmal reich wär» aus «Anatevka». Gesanglich nicht perfekt, vermochte er doch die Herzen zu treffen, wie es Christa Rigozzi formulierte. Es gab begeisterten Applaus und dreimal ein Ja.
Nach dem Auftritt kam seine Entdeckerin, die 96-jährige Gesangslehrerin Maria Keller, zu ihm auf die Bühne und sagte gleich zu DJ Bobo: «Ich bewundere Sie immer.» Roman Kilchsperger organisierte daraufhin zwei Eintrittstickets für eine Show mit DJ Bobo im Hallenstadion für die rüstige 96-Jährige, die sich darob ungemein freute. Moderator Sven Epiney überredete sie noch zu einem spontanen Solo am Flügel. Wie viele Jahre sie bereits Klavier spielte, wollte sie partout nicht verraten – wie zunächst ihr Alter auch nicht. Was sie dann am Flügel bot, verschlug Jury und Publikum die Sprache. Kokett und voller Schalk schaute sie während dem Spielen ins stumme Publikum, dieses reagierte, applaudierte immer mehr, sie lachte – und erntete am Schluss eine Standing Ovations. «Maria hat alle unsere Herzen erobert», meinte Sven Epiney nach der grandiosen Vorstellung, die alles bisher Gebotene in den Schatten stellte.
Sie sehen: Es kann sich durchaus lohnen, «Die grössten Schweizer Talente» auf SF 1 mitzuverfolgen. Ich gehöre ab sofort zur dritten, am Anfang erwähnten Kategorie: zu denjenigen Zuschauerinnen und Zuschauern, welche die Sendung spannend und amüsant finden. Ich schalte gerne wieder ein und lasse mein Herz erobern. Auch wenn es, wie bei Maria, ausser Konkurrenz stattfinden sollte ...
Standing Ovations für die Gesangslehrerin
Schauen Sie «Die grössten Schweizer Talente» auf SF 1? Mindestens bei der dritten Casting-Sendung hätte es sich gelohnt.
Auf der Homepage des Schweizer Fernsehens findet man auch Videoaufzeichnungen – zum Beispiel vom Auftritt von Bruno Ciervo und seiner Gesangslehrerin Maria Keller. (Bild: mb.)