«Stilles Örtchen»: Latrine, Nachtstuhl, Klosett

Der Historiker Martin Illi beleuchtet in seinem Vortrag am 11. Mai unter dem Titel «Sitzend vollzieht es der Mann, der edel gesonnen» allerhand Sitten rund um sanitäre Anlagen im Freulerpalast, im Kanton Glarus und andernorts.



(Bild: zvg)
(Bild: zvg)

Sitzen, stehen, hocken? Diese Frage beschäftigt die Menschheit seit Jahrtausenden. Hesiod empfahl seinem Bruder Perses schon im 8. Jahrhundert vor Christus, sitzend das Wasser zu lösen, um die Götter nicht zu beleidigen.

Unsere heutigen Toiletten und sanitären Anlagen haben eine lange und überdies sehr spannende Geschichte. Auf der Suche nach Troja und Babylon stiessen die Archäologen des 19. Jahrhunderts wiederholt auf wassergespülte Latrinen, die in ihrem Ausbaustandard oft weiter entwickelt waren, als die ihrer eigenen Kultur.

Dank den Aufzeichnungen und Bautätigkeit der Klöster blieb antikes Hygiene-Wissen im Mittelalter bestehen. Latrinen finden sich nicht nur auf dem berühmten St. Galler Klosterplan aus dem 8. Jahrhundert, sondern auf Burgen und in den mittelalterlichen Städten. In der frühen Neuzeit sank aber die Bereitschaft, in sanitäre Anlagen zu investieren. In vornehmen Kreisen, wie in den französischen Königspalästen, behalf man sich mit Nachtstühlen, die als vornehme Sitzmöbel gestaltet wurden. Das moderne WC hingegen wurde im 16. Jahrhundert in England erfunden, blieb aber noch während drei Jahrhunderten Spielerei. Zur Anwendung kam es zusammen mit der Strassenkanalisation, als die englischen Armenbehörden die Aufwertung verwahrloster Arbeiterquartiere durchsetzten. Im bereits hochindustrialisierten England wurden ab den 1880er-Jahren die ersten sanitärkeramischen Klosetts mit Siphon produziert, und zwar nicht in langweiligen Weiss, sondern als bunte und verzierte vasenähnliche Gebilde. Gedacht waren sie für vornehme Haushalte und sie trugen Namen wie «Dolphin», «National» oder «Unitas».

In Glarus erprobt

In der heute bekannten weissen Form setzten sie sich in städtischen Verhältnissen an der Wende vom 19. zum 20. Jahrhundert durch. Wegwesend dafür war die Zürcher Kloakenreform von 1867 gewesen, die zwar die englische Schwemmkanalisation einführte, aber gleichzeitig das heute nicht mehr bekannte Pariser Kübelsystem. Um die Gewinnung von Dünger sicherzustellen, wurden jedoch unter jedem Abtritt ein Filterkübel eingesetzt und die so gesammelten Fäkalien mit Ross und Wagen abgeführt und an die Landwirte der Umgebung verkauft. Dazu brauchten die Zürcher Planer städtebauliches Wissen, das sie nach dem Brand von Glarus 1861 beim Wiederaufbau der Stadt erprobt hatten.

Sauberkeit und Hygiene war auch ein Thema in der Fabrikindustrie sowie im Arbeiterwohnungsbau. Damit sind auch die Bezüge zum Industriekanton Glarus hergestellt. Und wie stand es mit der Entsorgung im Freulerpalast? Die entsprechenden Nachforschungen sind noch im Gange.